Kinder (und wir alle) sind heutzutage hinreichend damit vertraut, dass tagtäglich um sie herum auch andere Sprachen gesprochen werden, dass viele Gleichaltrige aus ihrer Lerngruppe, Schulklasse oder Nachbarschaft sich zu Hause mit ihren Angehörigen in einer anderen Sprache verständigen und dass aus den Medien die Musik meist mit englischen Texten ertönt. Ebenso vertraut sind Kinder heutzutage aber auch mit der Tatsache, dass viele Wörter und Namen aus anderen Ländern Bestandteil ihres eigenen Sprachschatzes sind. Freilich denken sie darüber kaum nach und nehmen es ganz gelassen hin. Da gibt es eine Hülya in der Klasse, die schon eine richtig gute Inline Skaterin ist, im Nachbarhaus gibt es einen Dimitri, der Mitglied in einem Fanclub ist, im Freundeskreis will die Jeannine einmal Modedesignerin werden, während Tarkan von gegenüber sich einen Namen als toller Basketballplayer gemacht hat. Und sie alle unterhalten sich über neue Computer Games, über schicke T-shirts, über Jeans und ihr sonstiges Outfit. Sie alle schwärmen für alle möglichen Burger und Wraps (mit viel Ketchup, versteht sich). Sie treffen sich zum Skaten, und die Tophits der neuen Boy Group können sie in englischer Sprache auswendig mitsingen und finden ihre neue software echt cool. Schwierigkeiten haben sie damit überhaupt nicht, denn auf das detaillierte Verstehen kommt es ihnen nicht so sehr an. Die Aussprache wird einfach imitiert, und auch wenn Lautung und Schriftbild nicht ganz übereinstimmen, dann nehmen sie das ebenfalls ganz gelassen hin.
Hier gilt es, gezielt anzuknüpfen. Dieser riesige Englischwortschatz, über den die Kinder ja schon ganzheitlich verfügen, kostet keine Lernanstrengungen mehr und bietet große Hilfen bei der Ausspracheschulung. Den Doppellaut [ei] von skate finden sie auch in eight oder hey oder OK oder e-mail. Das Problem ist nur, dass diese schon beherrschten Wörter und Begriffe sehr ungeordnet und gleichsam verstreut im Sprachrepertoire der Kinder vorhanden sind. Hier ist es hilfreich, erst einmal für Ordnung zu sorgen. Das lässt sich gut mit Themenpostern wie dem folgenden bewerkstelligen. Die Wörter und Begriffe zu den Themen Musik, Kleidung, Technik, Essen und Trinken, Sport, Verkehr usw. werden auf großen Postern versammelt und mit Zeichnungen und ausgeschnittenen Bildern angereichert.
In einem zweiten Poster, etwa zum Thema Fashion und Kleidung könnt es um die Wörter style, jeans, T-sirt, leggings, boots, make-up usw. gehen, und viele weitere solcher Themenposter sind hier, wie oben schon erwähnt, noch denkbar.
Das Bewusstmachen der Tatsache, dass es sich hier um die Übernahme von englischen Wörtern handelt, lässt sich dann gut und humorvoll dadurch erreichen, dass man statt der Lehnwörter die entsprechenden deutschen Wörter einsetzt. Dazu dieses Beispiel:
Nun besteht aber ein weiteres Problem darin, dass die Kinder meinen, mit dem Verfügen über solche Wörter seien sie bereits fit im Englischen. Teilweise sprechen sie solche Wörter unwissentlich ja aber falsch oder eben nicht so gut englisch aus. Sie sagen POSTER und sprechen dabei ein langes ‚O’ anstelle des Gleitlautes [ o u ]. Hier kann es dann schwer und mühsam werden, sich die unzutreffende Aussprache abzugewöhnen und durch die andere, die englische eben, zu ersetzen.
Ohne Umwege sind wir direkt bei der englischen Sprache gelandet, obwohl doch eingangs von ‚anderen Sprachen’ die Rede war. Es wäre sicherlich ein Überforderung, unseren Kindern das Erlernen vieler Sprachen abzuverlangen. Stattdessen wollen wir für das Erlernen einer Sprache plädieren, die von vielen Menschen überall auf der Welt gesprochen oder doch wenigstens verstanden wird. Und das ist nun einmal aus vielen unterschiedlichen Gründen das Englische. Damit ist nicht eine spezielle Variante dieser Sprache gemeint, etwa wie sie in Irland, Kanada oder Australien klingt, sondern das Phänomen englische Sprache als internationales Verständigungsmittel schlechthin. In diesem Zusammenhang wird meist von WORLD STANDARD gesprochen oder auch von ICE (International Colloquial English). Hierzu ein paar Zahlen in einer grafischen Darstellung:
Im inneren Kreis finden wir die etwa 375 Millionen Menschen, für die das Englische die Muttersprache ist. (ENL = English as a Native Language) Dabei spielt das SABE (Standard American / British English) die größte Rolle.
Eine ebenso starke Gruppe (Kreis 2) gibt es auf der Welt, die sich –wie in Indien oder Singapur- des Englischen als Zweitsprache bedient. (ESL = English as a Second Language)
Englisch als Fremdsprache (EFL = English as a Foreign Language) lernen heute etwa 175 Millionen weltweit. Die genaue Anzahl der EFL-Benutzer lässt sich nur sehr schwer ermitteln, da hier die weltweit recht unterschiedlichen Beherrschungsgrade eine Rolle spielen. Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass es überall auf der Welt immer mehr Menschen werden, die Englisch lernen, während die Zahl für die ENL- wie auch ESL-Benutzer konstant bleibt ,bzw. leicht zurück geht. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch die rezeptive Komponente: 80% aller internationalen Organisationen und Firmen bedienen sich des Englischen. Ebenfalls 80% aller Seiten im Internet sind in englischer Sprache verfasst. Und 90% aller wissenschaftlichen Publikationen in Fachzeitschriften und Büchern sind englischer Sprache geschrieben. Und dazu noch ein rein wirtschaftliches Denkmodell:
Hätte die schwedische Pop-Gruppe ABBA ihre Hits nur in ihrer Muttersprache gesungen, so hätte sie mit einem rein zahlenmäßigen Abnehmermarkt von etwa 10 Millionen Menschen rechnen können, nämlich mit 8,7 Millionen in Schweden selbst und dazu noch Menschen mit Schwedischkenntnissen im übrigen skandinavischen Raum und dazu mit den Finnen mit
Schwedisch als Muttersprache. Mit ihren englischsprachigen Songs konnten sie aber weltweit einen Abnehmermarkt von rund 900 Millionen Menschen erreichen.
Die weltweite Verbreitung des Englischen wird ja auch schon in den Schulbüchern deutlich gemacht, und zwar mit speziell gestalteten Weltkarten, wie z.B. der folgenden:
(Quelle: Lehrwerk SWIFT, Bd. 1 (Klett Verlag) Stuttgart)
Wie es zu dieser Aufteilung über die Welt kam, hat viele geschichtliche, aber auch wirtschaftliche Gründe, deren Erörterung hier aus Platzgründen nicht erfolgen kann, und die auch zu weit führen würde. Der große englische Sprachwissenschaftler David Crystal hat in seinem beachtenswerten Buch THE CAMBRIDGE ENCYCLOPEDIA OF THE ENGLISH LANGUAGE (Cambridge University Press) den ‚Familien-Stammbaum’ eines anderen großen Linguisten, nämlich Peter Strevens übernommen. Das soll in der folgenden Abbildung gezeigt werden:
Dies alles soll nun nicht starr und statisch als feste Gegebenheit angesehen werden. Alles ist in Bewegung und durch die neuen Medien in immer schnellerer Veränderung begriffen. So kommen jährlich etwa 5.000 neue Wörter in das ICE hinein. Neue Dinge, Geräte, Erfindungen, Entwicklungen, auch Trends und Modeartikel usw. erhalten nun einmal dort ihren Namen, wo sie entstehen oder zuerst produziert werden. Aber zu bedenken ist auch dieser Aspekt: Die Dinge werden so benannt und sprachlich so geprägt, dass die Werbung sie gut und global (und damit auch kostengünstig) auf den Märkten verankern kann. Also bekommen wir mountain bikes, inline skaters oder sweat shirts zum Kauf angeboten. Und dann und wann kommt es auch zu Irritationen, denn dass Menschen mit Englisch als Muttersprache unter dem Wort ‚handy’ etwas ganz anderes verstehen als wir hier in Deutschland, das hat sich inzwischen ja schon herumgesprochen. Über solche und andere Irritationen informiert in sehr unterhaltsamer, aber auch informativer Weise Bastian Sick in seinem Buch DER DATIV IST DEM GENITIV SEIN TOD: (Kiepenheuer & Witsch, 2004)
Unter der Überschrift Was Kinder (schon) können ist aber nun auch noch ein weiterer Aspekt wichtig, wenn wir Kindern beim Englischlernen helfen wollen. Es wird zu oft und zu leicht vergessen, dass Kinder ja schon eine Sprache, nämlich ihre Muttersprache, erworben haben. Damit haben sie bereits enorm viel geleistet. Und diese Leistungen sollten wir gezielt nutzen und darauf aufbauen. So haben die Kinder als Kleinkinder gelernt, aus einer Flut von Sprechgeräuschen bekannte, vertraute und immer wiederkehrende Einheiten (Wörter und Wortverbindungen) im wahrsten Wortsinne ‚herauszuhören’. Sodann haben sie gelernt, sich diese Einheiten in ständig wachsender Zahl zu merken, sie mit anderen zu verknüpfen und zu kategorisieren. Somit haben sie denken gelernt. Gleichzeitig haben sie gelernt, ihre Sprechwerkzeuge zu benutzen und zu immer mehr Geläufigkeit und zu gutem Funktionieren zu bringen. Auch haben sie dabei grammatische Grundstrukturen...