In diesem Kapitel wird das Konzept der Work-Life Balance vorgestellt. Dazu wird zunächst eine Definition des Begriffs erarbeitet in deren Rahmen auch kritische Aspekte bezüglich der Begrifflichkeit aufgegriffen werden. Im Anschluss daran werden die Ursachen des Bedeutungszuwachses der Work-Life Balance und deren Verbesserung aufgezeigt, als Grundlage einer differenzierten Darstellung der Gründe für entstehende Konflikte zwischen Arbeits- und Privatbereich. Darauf folgend wird eine Annäherung an die Frage, was eine gute oder schlechte Work-Life Balance bedeutet, vorgenommen, indem Einflussfaktoren auf die positive oder negative Wahrnehmung einer Balance durch die Mitarbeiter beschrieben werden. Damit soll dieses Kapitel als Grundlage der im nächsten Kapitel folgenden Maßnahmen zur Förderung der Work-Life Balance der Beschäftigten dienen.
Der Begriff Work-Life Balance findet zunehmend Verbreitung. Mitarbeiter der verschiedensten Branchen und in unterschiedlichsten Beschäftigungsverhältnissen fordern sie und Unternehmen bieten als Reaktion darauf Maßnahmen und Unterstützungsleistungen an, um ihren Angestellten eben diese Work-Life Balance zu ermöglichen. Grundlegend stellt sich deshalb die Frage, was mit der Bezeichnung Work-Life Balance gemeint ist, denn in der Literatur existieren zahlreiche Umschreibungen bezüglich des Begriffs (Michalk & Nieder, 2007, S. 17). Im Folgenden sollen verschiedene Ansätze und Herangehensweisen dargestellt werden, um abschließend eine zusammenfassende Definition für diese Arbeit aufzeigen zu können.
Die Work-Life Balance lässt sich grundsätzlich als die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben oder auch als Abwesenheit von nicht zu akzeptierenden Konflikten zwischen beruflichen und privaten Anforderungen beschreiben. Die zentrale Fragestellung ist dabei, wie berufliches und privates Leben in Übereinstimmung gebracht und wie verschiedene Aufgaben und Verantwortungen koordiniert werden können (Greenblatt, 2002, S. 179; Michalk & Nieder, 2007, S. 21; Schneewind, 2009, S. 81).
Mit dieser Definition bleibt jedoch die Frage offen, was mit den beiden Sphären Arbeit und Privatleben gemeint ist. Verschiedene Bezeichnungen für die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, wie beispielsweise „Work-Family Balance“ oder „Life Domain Balance“ begründen die Überlegung, ob Privatleben nur das Familienleben im Sinne einer in der Literatur häufig synonym zur Work-Life Balance gebrauchten „Work-Family Balance“ meint, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie umfasst oder ob es darüber hinaus noch andere Bereiche in der privaten Sphäre gibt, die mit der beruflichen Sphäre koordiniert werden müssen (Schneewind, 2009, S. 81; Schobert, 2007, S. 22 f.). Um diese Frage klären zu können, scheint es sinnvoll die einzelnen Bestandteile der Begrifflichkeit Work-Life Balance genauer zu betrachten und jeweils einzeln zu definieren.
Der Bereich „Work“ wird beschrieben als die Arbeitswelt des Individuums, die alle Tätigkeiten, Handlungen und Verpflichtungen umfasst, welche das Berufsleben mit sich bringt. Freier (2005, S. 18) unterscheidet drei Parameter, welche die Arbeitswelt beschreiben: Die Zeit, im Bereich der Arbeit die Arbeitszeit, die Tätigkeiten und Handlungen, im beruflichen Kontext beispielsweise die Arbeitsaufgaben oder Dienstreisen, sowie die strukturellen Gegebenheiten, also etwa den Ort der Arbeit und die Ausstattung des Arbeitsplatzes. Diese Überlegungen von Freier, die von verschiedenen Autoren geteilt werden, werden in der abschließend zu erarbeitenden Definition noch einmal aufgegriffen.
Der Begriff „Life“ ist die Lebenswelt des Individuums und steht für all das, was nicht in den Bereich der Erwerbsarbeit fällt, also auch die Arbeit, welche im Privatbereich zu leisten ist, wie beispielsweise die Haushaltsführung. Entgegen der ersten Intuition wird als Gegenstück der beruflichen Arbeit also meist nicht nur „Freizeit“ im eigentlichen Sinne als Zeit, über die ein Individuum frei verfügen kann und die es eigenen und individuellen Bedürfnissen entsprechend gestalten kann, verstanden (Michalk & Nieder, 2007, S. 20; Klimpel & Schütte, 2006, S. 21). Vielmehr umfasst die Lebenswelt alle Bereiche, Personen, Handlungen und Erfahrungen, mit denen sich ein Individuum außerhalb der Sphäre „Work“ konfrontiert sieht (Freier, 2005, S. 16). So wird deutlich, dass die Lebenswelt nicht nur als Familienbereich zu beschreiben ist, was Mischau und Oechsle (2005, S. 8) verdeutlichen, indem sie die Work-Life Balance als eine Balance zwischen Arbeitszeit, Familienzeit und Lebenszeit beschreiben. Der Begriff Work-Life Balance wird deshalb bewusst für diese Arbeit gewählt, um der Vielfältigkeit des Lebensbereichs Rechnung tragen zu können und den Fokus nicht ausschließlich auf familiäre Verpflichtungen im Sinne der „Work-Family Balance“ zu legen.
Bezüglich des Begriffs einer „Balance“ der beiden Bereiche „Work“ und „Life“ herrschen teils Unklarheiten, was in der Literatur kritisch Erwähnung findet (Schobert, 2007, S. 21). Es wird oftmals die Metapher einer Waage genannt, um die Work-Life Balance als ein ausgeglichenes Verhältnis von beruflichem und privatem Leben, beispielsweise von verschiedenen Motiven und Zielen beider Sphären, zu beschreiben (Hoff, Grote, Dettmer, Hohner & Olos, 2005, 197). In Abgrenzung zu einer potentiellen Dysbalance, welche verbunden ist mit Synchronisationsproblemen, Konflikten und einem Ungleichgewicht der Bereiche, soll eine Balance dem Individuum die Möglichkeit geben, verschiedene Anforderungen zu erfüllen, um Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Motivation und Ausgeglichenheit zu erreichen (Freier, 2005, S. 12, 20). Allerdings ist hier gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass das beschriebene ausgeglichene Verhältnis eher nicht im Sinne eines zu erreichenden statischen Gleichgewichts der beiden oben beschriebenen Bereiche anzusehen ist. Vielmehr meint Balance in diesem Themenbereich ein labiles Gleichgewicht, welches das Individuum dazu zwingt, unterschiedliche Anforderungen der beiden beschriebenen Sphären „Work“ und „Life“ auszubalancieren und zu koordinieren (Eberling, Hielscher, Hildebrandt & Jürgens, 2004, S. 54).
Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff einer Work-Life Balance zu der Annahme führen kann, die beiden Bereiche Arbeit und Leben seien klar gegeneinander abzugrenzen. Dies wird in der Literatur aus verschiedenen Gründen als problematisch angesehen. So impliziert der Begriff Work-Life Balance unter Umständen, dass weder Arbeit in den privaten Bereich, noch Privates in den beruflichen Bereich vordringen kann. Das entspricht nach Schobert (2007, S. 21) nicht der Realität. Zusätzlich wird eine klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Leben auch deshalb in Frage gestellt, da durch sie davon ausgegangen wird, dass das Leben, welches für Individuen Sinnerfüllung und Selbstverwirklichung bedeutet, nahezu ausschließlich außerhalb der Erwerbsarbeit stattfindet (Klimpel & Schütte, 2006, S. 123; Hoff et al., 2005, S. 196). Diese Überlegungen werden in der nun folgenden Definition der Work-Life Balance als Grundlage der vorliegenden Arbeit berücksichtigt.
Die vorherigen Überlegungen und Darstellungen zusammenfassend, bedeutet Work-Life Balance im Sinne dieser Arbeit ein veränderliches Gleichgewicht zwischen dem beruflichen und dem privaten Lebensbereich, das es einem Individuum erlaubt, alle seine Verpflichtungen und Interessen zu erfüllen. Dabei wird der Bereich „Work“ als die Erwerbsarbeit des Individuums definiert, während der Bereich „Life“ als all das angesehen wird, was nicht in den Bereich der Erwerbsarbeit fällt, also auch Bereiche wie beispielsweise Nicht-Erwerbsarbeit im häuslichen Bereich und Zeitfenster zur individuellen Selbstverwirklichung innerhalb der privaten Sphäre.
Nach der Klärung der Begrifflichkeit ist es wichtig, die Gründe für den Bedeutungszuwachs des Themas Work-Life Balance auf Unternehmens- und Mitarbeiterseite aufzuzeigen. So soll der folgende Abschnitt diese überblicksartig darstellen, um eine Handlungsbedarf bezüglich dieser Thematik zu begründen und die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der im weiteren Verlauf der Arbeit darzustellenden Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life Balance zu verdeutlichen.
In Deutschland wird es aufgrund sinkender Geburtenraten auf einem insgesamt niedrigen Niveau in der Zukunft immer mehr ältere Menschen und immer weniger junge Menschen geben. Der Rückgang, welcher seit den 1960er Jahren zu beobachten ist, führt zu einer aktuellen Geburtenrate von durchschnittlich 1,3 Kindern pro Frau (Klimpel & Schütte, 2006, S. 25 f.; Regnet, 2009b, S. 686). Der Anteil der Beschäftigten zwischen 55 und 64 Jahren ist in den Jahren von 2003 bis 2010 von 39 % auf 57,7 % angestiegen. Eine detaillierte Darstellung dieser Entwicklung befindet sich im Anhang 3 (OECD, 2012b).
Eine Folge der sich ändernden Altersstruktur ist ein zu erwartender Fach- und Führungskräftemangel, sodass es für die Unternehmen immer...