Titel
1. Was ist Zeitarbeit
Zeitarbeit hat viele Namen. Unter anderem sind die Bezeichnungen Arbeitnehmerüberlasser, Leiharbeit, Personaldienstleister, Personalleasing oder Arbeitskräfteüberlasser geläufig. Die Arbeitsverhältnisse an sich werden häufig auch Atypisch und Prekär genannt, da sie sich von „normalen“ Arbeitsverhältnissen unterscheiden und oftmals eine Aufstockung durch Sozialleistungen notwendig machen. Es gibt Gruppen in der Gesellschaft, die Zeitarbeit als Lösung für ein Arbeitsmarktproblem sehen oder als Lösung zur Flexibilisierung von Arbeitskraft. Ebenso gibt es Gruppen, die in Zeitarbeit eine Art moderne Sklaverei sehen sowie eine Brücke zur (relativen) Verarmung. Bezogen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen lässt sich feststellen, dass es keinen Zeitarbeitnehmer gibt, der arbeitet, obwohl diese Arbeit nicht vorhanden ist. Es geht demnach um die Verschiebung von Arbeitskraft an die Orte, wo Arbeit vorhanden ist. Damit soll eine Flexibilisierung der Nutzung der Arbeitskraft erreicht werden. Die Zeitarbeitnehmer kosten den Kundenbetrieb in der Regel gleich viel und manchmal mehr als der eigene Festangestellte, sind aber eben flexibler nutzbar.
Zeitarbeit selbst ist ein wirtschaftspolitisches (Flexibilität/Wettbewerbsfähigkeit) und kein arbeitsmarktpolitisches Instrument, wird aber trotzdem als solches angewendet. Die Versuche, Arbeitssuchende in Zeitarbeit zu vermitteln, um Leistungsbezüge im SGB II und SGB III zu beenden sind beträchtlich. Es hat sich darüber hinaus eine öffentliche Wahrnehmung entwickelt, die davon ausgeht, dass es nur noch Zeitarbeit gäbe. Tatsächlich sind 3,2 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Zeitarbeit tätig, davon 73% Männer und 27% Frauen (Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2016). Zum derzeitigen Zeitpunkt werden 1.006.000 Arbeitsverhältnisse angegeben. Im Jahre 2002 wurden noch knapp 300.000 Erwerbstätige als Zeitarbeiter ausgewiesen (Es gab in 2013 jedoch eine Statistikveränderung). Die 800.000 wurden in 2009 überschritten. „Abhängig von ihrem vorherigen Erwerbsverlauf schaffen es etwa 5 bis 9 Prozent, ohne weitere Leiharbeitsbeschäftigung nachhaltig beschäftigt zu sein. Weitere 8 bis 13 Prozent erreichen dies in Kombination mit Leiharbeitsepisoden” vermerkt in diesem Kontext ein Satz aus dem Fazit des IAB (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung).
Wir sprechen von einer Branche, dessen Mitarbeiter dem Entleihbetrieb zwar gute Umsätze bringen, jedoch dem einzelnen Mitarbeiter nur ein grenzwertiges Einkommen bescheren. Die Arbeitsverhältnisse lassen dem Staat kaum Steuerzahlungen aus Arbeitsleistung zukommen. Im Gegenteil, je nach Eingruppierung und Familienstand kann jeder Zeitarbeitsplatz den Staat Geld kosten (Aufstockung durch Hartz IV, finanziert aus Steuermitteln). Es ist kurios, dass der Staat selbst dieses Modell finanziell fördert. Entweder aus Versicherungsmitteln (SGB III) oder auch aus Steuermitteln (SGB II). Dies ist eigentlich ein Widerspruch. Das gilt im Besonderen auch für die tarifgebundene Zeitarbeit. Bei Zeitarbeitern kommen die üblichen Tarifverträge in den Betrieben nicht zur Anwendung. Der durch den Gesetzgeber vorgeschriebene Rahmen: “Equal Pay & Equal Treatment” (Gleiche Bezahlung, gleiche Behandlung) ist bei Zeitarbeit nur zu umgehen, wenn diese einen Tarifvertrag mit anerkannten Tarifpartnern haben. Hier werden, anders als üblich, Tarifverträge geschlossen, die es ermöglichen, UNTER die gesetzlichen Vorgaben zu kommen. Das kann ein Grund sein, warum Zeitarbeitsfirmen tarifzugehörig sind. Die Branche selbst bewirbt mit den Tarifverträgen ein positives Merkmal. Auch der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) wird hier z.B. als Tarifpartner in einem Tarifvertrag genannt. Gleiche Bezahlung, gleiche Behandlung: gesetzlich vorgeschrieben, gesetzlich aufgehoben. Ein Paradox. Ohne diese Möglichkeit, so räumen Fachjuristen ein, ist Zeitarbeit nicht lohnenswert.
Ein Beispiel aus 2013: Der vom BZA (Bundesverband Zeitarbeit und Personaldienstleister) mit entwickelte Gemeinschaftstarifvertrag erfuhr eine Änderung und tritt ab 1.7.2010 in Kraft. Der Tarifabschluss sieht eine Erhöhung der Entgeltgruppen vor. Folgendes Beispiel bezieht sich auf das Erhebungsdatum des Verfassers im Mai 2012. Das Tarifniveau steigt insgesamt (in vier Stufen bis 2013) in der Entgeltgruppe 1 im Westen auf EUR 8,19 und im Osten auf EUR 7,50. Ab 151,67 Stunden spricht man von Vollzeitarbeit. Wenn also jemand im Westen 152 Stunden für 8,19 Euro arbeitet (2013), dann erhält er im Monat ein Arbeitsentgelt von 1244,88 Euro brutto. Im Osten wären es 1140 Euro. Die Inflationsrate bis 2013 wird in diesem Beispiel unberücksichtigt gelassen. Eine Person mit Steuerklasse 1 zahlt im Osten damit eine Einkommenssteuer von 34 Euro. Ist man verheiratet zahlt man keine Steuer. Man muss sich noch einmal vor Augen halten, dass wir über eine Branche reden, dessen Mitarbeiter zwar steuerlich relevante Umsätze erbringen, die einzelnen Arbeitsverhältnisse dem Staat aber kaum Steuerzahlungen aus Arbeitsleistung erbringen. Und dies bei Zeitarbeit mit Tarifvertrag. Die Zahlen dürften sich in 2016/2017 leicht verändert haben, welches auf das Kernproblem keine Auswirkung hat.
2. Was zeichnet Zeitarbeit aus und was hat Personalvermittlung damit zu tun?
In der Zeitarbeit vermarktet sich ein Arbeitnehmer nicht mehr selbst, sondern er wird von einem Dritten vermarktet. Er wird vom eigentlichen Arbeitsmarkt abgekoppelt und gerät in die Abhängigkeit der Vermarkter, die den regulären Arbeitsmarkt bedienen. Entgegen des durchaus ebenso kritischen Konzepts des Arbeitskraftunternehmers wird der Arbeitnehmer hier zur Handelsware. Diese häufig durch die Wirtschaft gelobte „flexible“ Arbeitsform kostet aber Geld. Die Organisation Arbeitnehmerüberlasser, muss für Ihre Dienstleistungen bezahlt werden, während die vom Betrieb eingesetzte Personalsumme für einen Arbeitsplatz jedoch in der Regel nicht erhöht wird. Wer bezahlt aber die Vorteile dieser Arbeitsform? Die Vorteile, die sogenannte Flexibilität, muss vom Zeitarbeitnehmer erkauft werden. Das passiert in indirekter Form, indem der Arbeitnehmerüberlasser Teile des Arbeitsentgeltes der Zeitarbeitnehmer abzweigt. Je geringer die Entlohnung des Leiharbeiters gehalten werden kann, umso größer ist der Ertrag der Zeitarbeitsfirma. Gerne werden die Arbeitsverhältnisse als Übergangsverhältnisse bezeichnet, die in einer Festanstellung bei dem ausleihenden Betrieb mündet bzw. münden soll. Studien hierüber belegen jedoch, dass dies nur selten der Fall ist.
In vielen Fällen wird Zeitarbeit durch Kundenbetriebe auch zur Personalgewinnung genutzt. Zeitarbeit wirbt mit hohen Vermittlungsquoten und mit einer hohen Rekrutierungskompetenz. So bieten die meisten Zeitarbeitsfirmen auch Personalvermittlung an. Dieses Vorgehen ist einer Betrachtung würdig, denn vor der eigentlichen Vermittlung steht in der Regel die Zeitarbeit. Zeitarbeit und Personalvermittlung sind zwei unterschiedliche Dinge. Bei der Personalvermittlung werden Mitarbeiter für ein Kundenunternehmen gegen eine Vermittlungsgebühr rekrutiert und ein Anstellungsvertrag direkt mit dem Kundenbetrieb geschlossen. Zumindest bei Arbeitssuchenden war es lt. Sozialgesetzbuch III verboten, von dem Arbeitssuchenden eine Vermittlungsgebühr zu verlangen. Im Weiteren zeichnet sich Arbeitslosigkeit (besonders die Langzeitarbeitslosigkeit) dadurch aus, dass die Betroffenen nur über wenig finanzielle Möglichkeiten verfügen. Jedoch findet die Branche hier einen Weg, der schon seit Jahren üblich ist.
Die Vermittlungsgebühr zum Zwecke der Vermittlung durch Zeitarbeit zahlt der Zeitarbeitnehmer durch reduziertes Arbeitsentgelt. Dies passiert dadurch, dass der Arbeitende eben nicht direkt zur Festanstellung vermittelt wird, sondern quasi „zur Probe“ für einen bestimmten Zeitraum an den Kundenbetrieb entliehen und dann erst in Folge übernommen wird. Denn Übernahmegebühren gegenüber dem Kundenbetrieb lassen sich durch den hohen Wettbewerbsdruck der Zeitarbeitsfirmen so gut wie nicht mehr erheben (Die Branche widerspricht hier häufig hat aber Sorge vor der Abwanderung der Kunden). Die Vermittlungsgebühr zahlt am Ende somit der Zeitarbeitnehmer. Die Zeitarbeitnehmer wissen um dieses Systems, aber was sollen sie tun? Bei der Überlegung, Zeitarbeit anzunehmen oder nicht, hängt es in aller Regel nur davon ab, ob eine Person die Notwendigkeit der Annahme von Zeitarbeit hat oder nicht. Auch Befragungen in individuellen Bildungsberatungsgesprächen wie auch den Berichten von Zeitarbeitnehmern bestärken die Annahme, dass Zeitarbeit in aller Regel aus Notwendigkeiten gemacht werden muss und nicht gemacht werden will.
Hinzu kommt natürlich auch der direkte Zwang zur Annahme prekärer Arbeitsverhältnisse durch öffentliche Institutionen wie auch der indirekte Zwang, der durch Druck auf die Bewerber ausgeübt wird, da der private Zeitarbeitsbetrieb in der Lage ist, zum Beispiel Konsequenzen bei öffentlichen Institutionen gegen diesen zu erwirken.
. Wer macht Zeitarbeit und was hat das mit jungen Menschen zu tun?
Der größte Teil der Zeitarbeitnehmer hat entweder keinen Berufsabschluss oder (vermeintliche) Hemmnisse, die eine direkte Arbeitsaufnahme in einem Unternehmen erschweren oder auch durch das existierende Zeitarbeitssystem unmöglich machen. Gerade größere Unternehmen rekrutieren bereits seit den 1990er Jahren über Zeitarbeit ihr Personal. Bei vielen dieser Unternehmen ist dieser Weg der alleinige Zugang.
In der professionellen Bildungsberatung kursieren Schlagsätze wie “Zeitarbeit provoziert Zeitarbeit”, “Zeitarbeit provoziert Arbeitslosigkeit”, “Zeitarbeit grenzt Menschen direkt und indirekt in sozialen Beziehungen aus”, “Zeitarbeit ist eine...