In dieser Arbeit werde ich auf einen Bereich im Marketing eingehen, der von vielen Unternehmen bisher vernachlässigt wurde, von dem jedoch in letzter Zeit immer öfter die Rede ist. Es handelt sich um Werbung für Senioren.
Die bevorzugte Zielgruppe der letzten Jahre waren die 14- bis 49-Jährigen. Doch immer mehr Unternehmen erkennen den Wandel der Demografie. Die Menschen werden immer älter und die Geburtenrate sinkt. Daraus folgt, dass die Zahl der über 50-Jährigen stetig steigt. Das Marketing kommt also nicht umhin, sich mit diesem Umstand zu beschäftigen und sich den Gegebenheiten anzupassen.
Im einleitenden Teil meiner Arbeit werde ich auf das Alter im Allgemeinen, den damit verbundenen Stereotypen sowie der Veränderung der Kommunikation eingehen. Danach beschäftige ich mich mit der demografischen Entwicklung und der Ansprache von Senioren in der Werbung. Die Einteilung der Zielgruppe 50plus in voneinander abgrenzbare Untergruppen wird im vierten Kapitel behandelt. Über die Entwicklung des neuen Trends in anderen Ländern sowie der Resonanz in Medien und Werbung spreche ich in Kapitel Fünf. Danach werde ich auf die Mediennutzung von Senioren eingehen. Der letzte Teil meiner Arbeit beschäftigt sich mit der Praxis: Hier werde ich vier Werbeanzeigen aus verschiedenen Zeitschriften analysieren.
„Im Prinzip ist das Altwerden bei uns erlaubt,
aber es wird nicht gern gesehen.“[1]
Das germanische Wort alt „aufgewachsen“ (8. Jahrhundert) ist von der indogermanischen Wurzel al- abgeleitet. Sie steht für „wachsen, wachsen machen“ und „nähren“. Als lateinische Formen sind das Adjektiv altus „hoch“ und das Verb alere „(er)nähren, aufziehen“ bekannt. Die grundlegenden deutschen Wurzeln liegen im mittelhochdeutschen alter sowie im althochdeutschen Begriff altar (um 800). Beide Adjektive sind Ausdrücke für „Lebensalter, -zeit, Zeit- und Weltalter“. Der Begriff altern für „alt werden“ existiert seit dem 15. Jahrhundert. Im 17./18. Jahrhundert gab es vorübergehend die Nebenform ältern.
Bereits im Althochdeutschen wurden unter alt drei verschiedene Bedeutungen unterschieden:
- „reich an Lebensjahren“ (im Gegensatz zu „jung“)
- „voraus liegend, früher“ (im Gegensatz zu „später“)
- „längere Zeit bestehend“ (im Gegensatz zu „neu“)
Variationen von „alt“ finden sich in verschiedenen deutschen Begriffen und Wendungen wieder. So gesteht man den Mitgliedern des „Ältestenrates“ besondere Kompetenz und Reife zu. Die im Ruhestand befindlichen ehemaligen Amtsinhaber bezeichnet man als „Altbundespräsident/ -kanzler“.
Sprichwörter wie „alte Liebe rostet nicht“, Wendungen wie „er ist immer der alte“, „bleibt alles beim alten“ oder die Freundesbezeichnung „altes Haus“ assoziieren Bekanntheit und Beständigkeit. Der Begriff „alter Hut“ hingegen ist eher negativ konnotiert und steht für ein ewiges Einerlei. Die Redensart „Alt wie Methusalem“ stammt aus der Bibel und meint ein kaum noch fassbares Alter.
In der Fachliteratur werden drei verschiedene Arten des Alters unterschieden: das biologische Alter, das soziale Alter und das ökonomische Alter.
Während das biologische Alter für das tatsächliche Alter, also die Anzahl der Lebensjahre, steht, bezeichnet das soziale Alter die subjektiv gefühlte Bejahrtheit und die Stellung der Person in der Gesellschaft. Frank Schirrmacher beschreibt das soziale Alter folgendermaßen:
„Es gibt ein biologisches Altern; und es gibt ein soziales Altern. In dem Augenblick, da die Natur zuschlägt – nach dem 40. Lebensjahr -, schlägt auch die Gesellschaft zu. Ihr kann es nicht schnell genug gehen; sie greift zwangsweise in den Lebensraum ein und jagt den Menschen aus seiner freien Bahn heraus. Ins Tierreich übersetzt: Sie nimmt ihm den Status innerhalb der Gruppe, um ihn leichter vertreiben zu können. [...] Das geschieht durch Altersstereotypen, Andeutungen, durch Angriffe von allen Seiten.“[2]
Das ökonomische Alter ist ein theoretisches Konstrukt und beschreibt den wirtschaftlichen Nutzen eines Menschen, z.B. als Arbeitskraft oder als Konsument.
Das Alter ist neben dem Geschlecht die elementarste menschliche Eigenschaft, die Ungleichheiten produzieren kann. In einigen Kulturen fungieren Alte als Wissens- und Kulturbewahrer. Ihnen wird dadurch eine hohe Wertschätzung zu teil. Die Insel Okinawa, südlich von Japan, ist ein perfektes Beispiel dafür. Hier leben die meisten über 100-Jährigen (630 von 1,3 Millionen Einwohnern). Und sie werden von ihren Mitmenschen verehrt. Die gesamte Insel lebt nach dem Motto „Je älter, desto heiliger“. So ist es beispielsweise ein alter Brauch, dass die Jungen alte Menschen berühren, um deren starken Lebensgeist aufzunehmen. In der Sprache Okinawas existiert außerdem kein Wort für „Ruhestand“. Viele 95-Jährige gehen hier allmorgendlich zur Arbeit und sind zufrieden damit.
Anders sieht diese Einstellung zum Alter in westlichen Hochkulturen mit rapiden technologisch-industriellen Entwicklungen aus. Hier wird das Erfahrungswissen von Senioren meist als veraltet, belanglos und überflüssig angesehen. Um den Stand der Alten in unserer Gesellschaft geht es in dem Bestseller „Das Methusalem-Komplott“ von Frank Schirrmacher. Er beschreibt die aktuelle Situation in Deutschland sehr reißerisch:
„Am Horizont der Zukunft aber baut sich eine der erbitternsten Streitmächte gegen die Alten auf, die es je gegeben hat. Sie marschieren auf uns zu, die wir heute 20, 30 oder 60 Jahre sind, denn wenn der Krieg beginnt, werden wir die Älteren sein. Und die Gesellschaft, die wir geschaffen haben, nimmt dem Alternden alles: das Selbstbewusstsein, den Arbeitsplatz, die Biographie.“[3]
Doch auch schon weit vor der Industrialisierung gab es Gesellschaften, die wenig Interesse daran hatten, das Selbstbewusstsein ihrer älteren Mitglieder zu bewahren. So heißt es in der griechischen Antike: „Sie sollten, da sie doch keinen Nutzen mehr der Erde bringen, sterben und fortgehen und den Jungen nicht mehr im Weg stehen.“[4]
„Altersheim Deutschland“, „Die demografische Zeitbombe tickt“, „Hilfe, wir vergreisen!“. Solche Schlagzeilen und Wörter wie „Altenlast“, „Seniorenlawine“ oder „Restlebenserwar-tung“ sind Ausdruck eines überwiegend pejorativ konnotierten Altersbildes.
„Pest, Hunger und Krieg sind glücklich überwunden – nun sind die Alten da.“[5] Dieser plakative Ausspruch verdeutlicht, wie ernst das Thema ist.
Vorurteile, Einstellungen und Meinungen gegenüber Anderen bestimmen schon immer unseren Alltag. Wir alle kennen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus oder die Diskriminierung von Behinderten. Doch sehr viel subtiler wirken sich Altersstereotype auf die Interaktion mit älteren Menschen aus. Altersfeindlichkeit als Form sozialer Diskriminierung, die negative Wahrnehmung des Alters und die damit zusammenhängende Stigmatisierung sowohl des Prozesses Altern als auch des Zustandes Altsein und der davon betroffenen Gruppe von Menschen wird als „Ageism“ bezeichnet.[6]
„Age-ism describes the subjective experience implied in the popular notion of the generation gap. Prejudice of the middle-ages against the old in this instance, and against the young in others, is a serious national problem. Age-ism reflects a deep seated uneasiness of the part of the young and middle-aged – a personal revulsion to and distaste for growing old, disease, disability; and fear of powerless, ‘uselessness’ and death.”[7]
Sprache als Mittel der Ab- und Ausgrenzung wurde bisher fast ausschließlich in rassistischen und sexistischen Bereichen erforscht. Doch Ageismus betrifft potentiell jeden, unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Religion. Deshalb ist diese Art der Diskriminierung besonders brisant. Auch Frank Schirrmacher spricht in diesem Zusammenhang von Rassismus:
„Gerade die Eliten, die es nicht bis an die Spitze geschafft haben, werden von den rassistischen Altersstereotypen ins Herz getroffen. Die Unterstellung, dass ein Mensch mit 60, 65, 70 oder 75 Jahren nicht mehr in der Lage sein soll, intellektuelle oder körperliche Leistungen im Berufsalltag zu erbringen, gehört zu den schleichenden Rassismen der Gesellschaft.“[8]
Vorurteile und Stereotype drücken sich besonders im Sprachgebrauch aus. So registrierte die Gesellschaft für deutsche Sprache schon 1991/92 „Grufti“, „Komposti“ und „Friedhofs-gemüse“ als jugendsprachliche Benennungen alter...