Der Traum vom eigenen Pferd –
und die Realität
1.1 Der Traum ...
… von einem eigenen Pferd oder Pony begann bei vielen bereits im Kindes- oder Jugendalter – bei ersten Kontakten an der Pferdekoppel während eines Familienausfluges, nach einer geführten Pony-Runde auf der Kirmes oder nach ersten Erfolgen in den Reitstunden. Immer mehr Menschen entdecken aber auch erst im Erwachsenenalter die Zuneigung zu Pferden – nicht selten über ihre reitenden Kinder.
Dass dieser Sport von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, Männern und Frauen gleichermaßen bis ins hohe Alter betrieben werden kann, ist mit Sicherheit ein Grund dafür, warum Reiten und der Umgang mit dem Pferd so beliebt sind. In Deutschland reiten über 1,5 Millionen Menschen, und es leben mehr als eine Million Pferde hier. Sie sehen, wie viele Menschen Ihre Liebe teilen.
Warum fühlen wir uns gerade von diesen Tieren und diesem Sport so angezogen? Vielleicht, weil uns die Nähe zu ihnen ein Gefühl von Freiheit, Stolz und Kraft gibt? Oder weil ein schneller Galopp durch die Natur Sorgen rasch vergessen lässt? Vielleicht auch, weil ein Hobby, bei dem man viel Zeit an frischer Luft verbringt und mit Tieren und gleich gesinnten Menschen zusammen ist, die ideale Ergänzung zu unserem oft so stressigen Leben in Büro oder Schule ist? Sicher auch deswegen, weil das Hobby Pferd mit seinen Variationen in Reitweisen und Disziplinen in Freizeit-, Breiten- und Turniersport (⇒ Kap. 1.4.1 und 5.3) so vielfältig ist.
Dabei geht es gar nicht nur um das Reiten. Bereits das Zusammensein und der Umgang mit Pferden machen Freude und können sehr entspannen.
Diese Zuneigung beginnt spätestens in der Reitschule konkreter zu werden. Sie nehmen vielleicht einmal pro Woche Unterricht auf Schulpferden. Bald werden daraus zweimal pro Woche. Sie möchten mehr über diese herrlichen Tiere wissen und beginnen, Fachzeitschriften und -bücher zu lesen.
Immer öfter zieht es Sie an Wochenenden zu Pferdeveranstaltungen wie Turnieren, Messen, Shows oder andere Events. Kaum eine Pferdereportage im Fernsehen wird ausgelassen. Eines Tages übergeben Sie „Ihr“ Pferd wie immer nach der Reitstunde an die Nachreiterin und sehen noch eine Weile zu. Irgendetwas stört Sie heute. Und dann wissen Sie, was es ist: Sie möchten nicht, dass ein anderer „Ihr“ Pferd reitet. Sie möchten es für sich haben, es nur allein pflegen, reiten, lieben und besuchen, wann immer Sie möchten. Dieses Gefühl lässt Sie nicht mehr los. Sie fragen den Reitstallbesitzer, ob es zu verkaufen ist, und die Antwort ist vielleicht sogar ein „Ja“.
An dieser Stelle legen wir gemeinsam eine vernünftige Denkpause ein, um sicherzustellen, dass sich Traum und Realität nicht zu weit voneinander entfernen.
Diejenigen von Ihnen, die bereits ein Pferd haben, können direkt zu (⇒ Kap. 2) übergehen oder hier gern noch ein wenig mehr über die Bedeutung des Wortes „Pferdebesitzer“ lesen.
Zunächst einmal ein Grundsatz vorweg: Egal, mit welcher Motivation Sie dieses wunderschöne Hobby beginnen oder begonnen haben, und unabhängig davon, ob Sie ein Schulpferd, das Pferd eines anderen oder ein eigenes reiten: Sie, der verantwortungsvolle Pferdefreund, sind für das Leben, die Gesundheit und Zufriedenheit des Pferdes in Ihrer Obhut in jeder Hinsicht verantwortlich!
Bevor Sie sich also zu schnell von Gefühlen hinreißen lassen, machen Sie sich die enorme Verantwortung für ein eigenes Pferd bitte in vollem Umfang bewusst. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich möchte Ihnen den Wunsch nach einem eigenen Pferd auf keinen Fall ausreden oder denjenigen unter Ihnen, die bereits stolzer Besitzer sind, die Botschaft vermitteln, dass Sie es lieber gelassen hätten. Nein, im Gegenteil, ich freue mich, dass wir dieselbe Leidenschaft teilen. Was ich aber unbedingt mit diesem ersten Kapitel erreichen möchte, ist, dass Sie sich in Ruhe überlegen, was ein eigenes Pferd wirklich für Sie, Ihr weiteres Leben, Ihren Partner, Ihre Freunde, Ihren Beruf, Ihr Konto und andere Freizeitaktivitäten bedeutet. Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob ein Pferd wirklich in Ihr Leben passt und ob Sie bereit sind, neben den unzähligen schönen Stunden auch manchmal Opfer zu bringen. Wenn Sie nach gründlicher Überlegung dann immer noch sagen: Ja, ich bin mir sicher, ich möchte ein eigenes Pferd und werde mich, solange es lebt, darum kümmern, dann freue ich mich für Sie – und wir werden gemeinsam herausfinden, welches Pferd am besten zu Ihnen passt. (⇒ Kap. 1.4.1)
Ich weiß, dass die Liebe zu einem Pferd oder der allgemeine Wunsch nach einem eigenen so stark sein kann, dass das Vernunftdenken ausgeschaltet wird. Beim Kauf meiner Stute Arauka erging es mir damals nicht anders. Das war ein reiner Liebeskauf – den ich zugegebenermaßen in den ersten Monaten oft bereut habe. Bei der Ankaufsuntersuchung sagte mein Tierarzt, als er in meine verliebten Augen sah: „Frau Kronenberg, das Geld für diese Untersuchung können Sie sich eigentlich sparen. Sie würden dieses Pferd doch auch kaufen, wenn es nur drei Beine hätte.“ Wahrscheinlich hatte er Recht. Die ersten Wochen konnte ich vor Stolz kaum schlafen und bin immer wieder zum Stall gefahren, um sie anzusehen. Als junge Vollblutstute aus dem Galopprennsport hatte sie sehr viel Temperament, was mich am Anfang im Umgang und beim Reiten viel Schweiß, weitere schlaflose Nächte und verzweifelte Tränen kostete. Aber mit viel Liebe, Geduld, zunehmender Erfahrung, kompetenter Unterstützung sowie artgerechter Haltung und abwechslungsreicher Arbeit entwickelte sich zwischen uns nach und nach eine vertrauensvolle, innige Beziehung. Lange Zeit bis zu ihrem Tod bekam sie Gnadenbrot, und wir vertrieben uns die Zeit mit Schmusen, Spaziergängen oder leichter Bodenarbeit – und immer noch wird mir warm ums Herz.
Der Kauf aus Liebe ist in diesem Fall gut gegangen, in finanzieller Hinsicht hauptsächlich durch die Unterstützung meiner lieben Eltern.
Es kann auch anders laufen. Um Sie auch zu einem glücklichen Pferdebesitzer mit einem zufriedenen Pferd zu machen, widmen wir uns im Folgenden wieder der vernünftig überlegten Pferdekauf-Entscheidung.
1.2 Die Realität –
Ihre Verantwortung als Pferdebesitzer
Ihre Verantwortung als Pferdebesitzer beginnt damit, die Entscheidung zum Kauf eines Pferdes erst nach eingehenden Überlegungen zu treffen. Wichtige, zu berücksichtigende Punkte sind:
der finanzielle Aufwand,
der tägliche Zeitaufwand und die Dauer der Gebundenheit,
reiterlicher und theoretischer Ausbildungsstand und
die Bereitschaft zu persönlichen Einschränkungen.
Da wir diesen Sport mit einem anderen Lebewesen betreiben, sind bestimmte persönliche Voraussetzungen wichtig. Das Pferd und sein Wohlergehen werden von nun an immer an erster Stelle stehen. Dass Sie Tiere und die Natur lieben, davon können wir bestimmt ausgehen, wenn Sie ein eigenes Pferd möchten. Ruhiges, selbstbewusstes Auftreten und innere Ausgeglichenheit sind gut für den Umgang mit Pferden. Zusätzlich sind Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen, Fairness, Geduld, Verantwortungsgefühl und Selbstdisziplin notwendig. Der Umgang mit den Pferden fördert aber gleichzeitig auch diese Eigenschaften und ist daher besonders für Jugendliche sehr gut. Egoismus ist, wie in jeder Partnerschaft, fehl am Platz. Wissensdurst ist von großem Vorteil, denn Sie müssen nicht nur die Kunst des Reitens erlernen, sondern sich auch eine Menge Informationen rund um das Pferd, seine Bedürfnisse und sein Verhalten aneignen – und als Besitzer noch einiges mehr. Aber da Sie gerade dieses Buch studieren, sind Sie in diesem Punkt ja bereits auf dem besten Weg.
Wenn Sie einen Partner haben, besprechen Sie Ihr Vorhaben unbedingt auch mit ihm, denn auch sein Leben wird davon betroffen sein, z.B. in Bezug auf gemeinsame Zeit, Geld und „Pferdegeruch“ in Wohnung oder Auto.
Eine Bitte an die Eltern: Wenn Ihr Kind mit dem Pony- oder Pferdewunsch zu Ihnen kommt, besprechen Sie dieses Thema offen und ausführlich gemeinsam und klären Sie es über den Umfang der Verantwortung auf. Seien Sie sich darüber bewusst, dass Sie in der „Kümmer-Pflicht“ sind, wenn sich Ihr Nachwuchs mal nicht oder nicht mehr um das Tier kümmern kann oder will. Ist Ihr Kind noch sehr jung, sollten Sie sich sowieso im Umgang mit und der Versorgung von Pferden auskennen, da Sie Ihren Nachwuchs tatkräftig unterstützen müssen. Bedenken Sie auch, dass Sie es je nach Lage des Stalls gegebenenfalls immer dorthin fahren und auch wieder abholen müssen.
Eine Bitte an die Jugendlichen: Ich verstehe euren Wunsch nach einem eigenen Pferd sehr gut, denn auch ich wollte bereits mit zehn Jahren ein eigenes Pferd. Im Nachhinein bin ich meinen Eltern allerdings sehr dankbar, dass sie hart geblieben sind, denn es hätte mir viele tolle Erfahrungen, wie z.B. einen langen Auslandsaufenthalt oder die Ausführung anderer Sportarten/Hobbys, verwehrt. Und mit der wenigen Ahnung, über die meine Eltern und ich zu der Zeit verfügten, hätten wir bestimmt das falsche Pferd gekauft. Bindet euch lieber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Auf jeden Fall braucht ihr die Unterstützung eurer Eltern. Euer Taschengeld reicht bei weitem nicht zur Deckung der laufenden Kosten und Anschaffungen aus. Habt daher...