2 Grundlagen Vertragsschluss
Kennt man einen, kennt man alle – dieses Prinzip lässt sich im Grunde auch auf den Abschluss von Verträgen anwenden. Denn die Voraussetzungen für einen wirksamen Brötchenkaufvertrag sind bei Lichte betrachtet die gleichen, wie bei einem Onlinevertragsabschluss. Natürlich ist es im World Wide Web erforderlich, die technischen Besonderheiten dieses Mediums zu berücksichtigen. Denn hier stehen sich die Vertragsparteien ja nicht „von Angesicht zu Angesicht“ gegenüber, sondern befinden sich unter Umständen sehr weit voneinander entfernt. Im wahren Leben kann man Verträge per Handschlag besiegeln, seinen Gegenüber persönlich wahrnehmen und dadurch besser einschätzen. Zudem werden nicht wenige Verträge schriftlich fixiert, sodass auch der Vorgang der Unterschriftsleistung im persönlichen Kontakt unproblematisch durchführbar ist. Bei Internetverträgen muss man sich auf Mausklicks verlassen und in Einzelfällen auch auf technische Hilfsmittel wie etwa die digitale Signatur zurückgreifen.
Bestimmte Probleme, die sich den Juristen in der Anfangszeit des Internets noch stellten, sind heutzutage überwunden. Inzwischen gibt es z. B. die juristisch zulässige Möglichkeit, auch rein digitale Dokumente rechtsverbindlich zu „unterschreiben“. Mehr und mehr Unternehmen versuchen, das „papierlose Büro“ in die Tat umzusetzen, Rechnungen werden vielfach ausschließlich per E-Mail und nicht mehr auf dem Postweg verschickt. Die moderne „Welt 2.0“ bringt aufgrund ihrer zahlreichen technischen Innovationen und der ständigen Veränderung naturgemäß auch viele neuartige Herausforderungen mit sich, nicht wenige davon sind juristischer Natur. Leider hinken Gesetzgebung und Rechtsprechung nur allzu oft der hoch-dynamischen Lebenswirklichkeit hinterher. Daher sind so manche rechtlichen Probleme nicht abschließend geklärt, was eine Unsicherheit für Unternehmer und Verbraucher gleichermaßen bedeutet.
Die gute Nachricht lautet: In puncto Abofallen gibt es jedoch kaum noch unklare Elemente, aus juristischer Sicht ist die Sachlage zumeist eindeutig. Zwar bringt natürlich jeder Einzelfall seine individuellen Besonderheiten mit, allerdings sind nur selten Umstände dabei, die anhand des geltenden Rechts nicht geklärt werden könnten. Die überwiegende Anzahl der Sachverhalte im Zusammenhang mit Abofallen kann mit den althergebrachten Grundsätzen und den derzeit bereitstehenden Mitteln entschieden werden. Die Tendenz der deutschen Gerichte sowie der Rechtsprechung gestaltet sich eindeutig pro Verbraucher. Betreiber von Abofallen haben es also zunehmend schwerer, ihre angeblichen Forderungen auch tatsächlich auf dem Rechtsweg durchzusetzen.
Es lässt sich aber auch ganz klar erkennen, dass eine Abofalle nicht deswegen funktioniert, weil der Sitebetreiber einen eindeutigen Rechtsanspruch auf seiner Seite wähnt. Dieses „Geschäftsmodell“ basiert auf Täuschung und Drohung, um es einmal so drastisch, aber realistisch auszudrücken. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Betreiber von Abofallenseiten in aller Regel genau wissen, dass sie eigentlich gar keinen Anspruch auf die von ihnen eingeforderten Beträge haben. Und dennoch verdienen die Hintermänner seit vielen Jahren eine Menge Geld mit ihrer Masche. Besäße jeder die notwendigen juristischen Grundkenntnisse des Vertragsrechts, wäre diese Masche früher oder später wohl zum Aussterben verurteilt.
2.1 Vertragsschluss offline
Die elementaren Bestandteile für alle Arten von Verträgen sind jedenfalls zwei übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) sowie die Einigkeit (Konsens) über den notwendigen Mindestinhalt des jeweiligen Vertrags (Fachbegriff: „essentialia negotii“). Jeder der Vertragsparteien müssen diese Essentialia bekannt sein.
Vertragsfreiheit
Fundament für den Abschluss von Verträgen im alltäglichen Geschäftsverkehr ist die hierzulande herrschende Vertragsfreiheit. Diese Rechtsposition basiert auf der grundgesetzlich verankerten allgemeinen Handlungsfreiheit und wird von Juristen auch als „Privatautonomie“ bezeichnet. Sie ermöglicht es jedermann, eine freie Entscheidung zu treffen, ob, wann, mit wem und unter welchen Voraussetzungen er Verträge abschließt. Die Vertragsfreiheit umfasst eindeutig auch das Recht, eben gerade keinen Vertrag zu schließen. Wie bei allen Grundsätzen existiert auch hier die eine oder andere Ausnahme. So ist etwa in Deutschland für jeden Halter eines Autos der Abschluss einer Haftpflichtversicherung ein Muss. Kein Anwalt erhält seine Zulassung ohne Nachweis über den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Und ebenso wenig hat der örtliche Grundversorger eine Wahl, ob er einen Kunden mit Gas bzw. Strom beliefert oder nicht.
Die drei Hauptbestandteile
Ein wirksamer Vertragsschluss lässt sich exemplarisch an einem typischen Kaufvertrag wie folgt skizzieren:
- Angebot: Der Verkäufer wendet sich an den (potenziellen) Käufer und teilt ihm mit, dass er ihm die Kaufsache zu einem bestimmten Preis überlassen möchte.
- Annahme: Der Käufer entscheidet, ob er dieses Angebot annimmt oder nicht.
- Konsens: Käufer und Verkäufer sind sich in Bezug auf die entscheidenden Hauptbestandteile des Vertrags (Kaufsache, Preis) einig und es gibt keine Missverständnisse.
- Beispiele: Ein Autohändler und sein Kunde unterschreiben einen Kaufvertrag für einen Neuwagen, Bäcker und Kunde sind sich einig über den Verkauf von zwei Bötchen, Hauseigentümer und Kaufinteressent unterzeichnen beim Notar den Kaufvertrag.
So lassen sich noch zahlreiche Beispiele des täglichen Lebens aufzählen, die den Abschluss von Verträgen zum Gegenstand haben. Natürlich handelt es sich hierbei nicht immer um Kaufverträge. Auch bei Miet-, Werk- oder Dienstleistungsverträgen spielen letztlich die gleichen Erwägungen eine Rolle, wie in den vorgenannten Kaufbeispielen.
Nebenpflichten
Neben den essenziellen Bestandteilen von Verträgen gibt es in aller Regel auch so genannte Nebenpflichten, die beachtet werden müssen. Sie werden bisweilen auch als Obliegenheiten bezeichnet und werden von Juristen nicht einheitlich beurteilt. Beispiele für solche Nebenpflichten/Obliegenheiten sind:
- Schadensminderung: Ein Anspruch auf Schadensersatz bringt stets eine Schadensminderungspflicht mit sich, sodass der Geschädigte den ihm entstandenen Schaden so gering wie möglich halten muss.
- Mängelrüge: Erwirbt ein Unternehmer von einem anderen Unternehmer eine Sache, so gebietet es ihm seine Mängelrügeobliegenheit, die Ware so schnell wie möglich auf eventuelle Schäden zu untersuchen und diese dann gegebenenfalls dem Verkäufer zu melden.
- Information: Zahlreiche Verträge bringen es mit sich, dass die eine Vertragspartei der anderen gegenüber bestimmte Aufklärungs- bzw. Informationspflichten hat. Beispielsweise muss ein Handwerker seinen Kunden darüber aufklären, dass bei der Reparatur einer Stromleitung unter Umständen Schäden an Elektrogeräten entstehen können, falls es zu einem Kurzschluss, Spannungsspitzen o. Ä. kommen sollte.
- Mutterschutz: Eine Arbeitnehmerin ist verpflichtet, ihre Schwangerschaft ihrem Arbeitgeber zu melden.
- Schutzpflichten: Betreiber von Ladengeschäften müssen u. a. darauf achten, dass ihr Geschäft so gestaltet ist, dass Unfälle so gut es geht vermieden werden.
Diese Auflistung ist bei Weitem nicht abschließend, es ließen sich noch zahlreiche weitere Nebenpflichten anführen. Allerdings wird auch so die Natur dieser Pflichten deutlich.
Je nachdem, wie man sie nun genau juristisch einordnet, können sie gerichtlich geltend gemacht werden oder sind bei Nichtbeachtung lediglich als „Nachteil“ der eigentlich in der Pflicht stehenden Partei anzusehen. Geht beispielsweise jemand bei Dunkelheit in dunkler Kleidung „einfach so“ über die Straße, trifft ihn bei einem eventuellen Verkehrsunfall eine Mitschuld an diesem. Dadurch wird z. B. sein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld entsprechend des Anteils seines Mitverschuldens gekürzt.
Abweichungen vom Normalfall
Natürlich sind nicht alle Verträge so simpel wie der „klassische“ Grundtypus eines einfachen Kaufvertrags mit zwei Parteien, einer mangelfreien Kaufsache und ohne – versteckte oder offensichtliche – Irrtümer. Es lassen sich ganze Bücher über die zivilrechtlichen Grundlagen des Vertragsschlusses abfassen, da es eine Unmenge an denkbaren Varianten und Problemstellungen gibt. Jurastudenten verbringen einen Großteil ihrer Zeit in den Anfangssemestern mit Vorlesungen auf dem Gebiet der Grundlagen des Zivilrechts (auch als Privatrecht bezeichnet).
Hierbei dreht sich Vieles um das allgemeine Vertragsrecht und um die Besonderheiten von einzelnen Vertragstypen. So weist etwa ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag im Vergleich zu einem Kaufvertrag naturgemäß einige Besonderheiten auf. Andererseits ist auch nicht Kaufvertrag gleich Kaufvertrag. Beispielsweise erfordert der Vertrag über die Veräußerung eines Grundstücks zwingend einen Vertrag in schriftlicher Form, der zudem noch notariell beurkundet werden muss. Der Erwerb eines Buchs, wie z. B. dieses Ratgebers, setzt hingegen keine bestimmte Form voraus. Hier kann der Kauf schon dadurch wirksam vollzogen werden, dass der Käufer in eine Buchhandlung geht, das Buch aus dem Regal nimmt, es dem Kassierer zusammen mit dem Kaufpreis hinlegt und dieser das Geld an sich nimmt. Bei solchen...