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ADHS von A bis Z

Kompaktes Praxiswissen für Betroffene und Therapeuten

AutorRudolf Kemmerich
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783170334496
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Informationen rund um das Thema ADHS werden in diesem Buch praktisch zusammengefasst und übersichtlich aufbereitet. Von 'Abendstunde' bis 'Zink' werden verschiedenste Gesichtspunkte von ADHS im übersichtlichen Lexikonformat praxisnah besprochen, ergänzt durch zahlreiche Praxistipps, Handlungsempfehlungen und Hinweise für den Alltag. Dabei greift der Autor auf seinen langjährigen Erfahrungsschatz zurück und gibt Hinweise zu verschiedenen Therapieansätzen und deren Wirksamkeit, dem richtigen Umgang mit ADHS-Kindern sowie der Problematik ADHS im Erwachsenenalter. Schwerpunkte des Werkes sind u. a. die medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlung von ADHS, die Erziehung und der Umgang mit ADHS-Kindern, die Ernährung bei ADHS sowie Pseudo-ADHS.

Dr. Rudolf Kemmerich ist Kinder- und Jugendarzt sowie Umweltmediziner. Er ist im wissenschaftlichen Beirat bei ADHS Deutschland e.V., im wissenschaftlichen Beirat bei KEKS e.V. (Selbsthilfegruppe für Menschen mit Speiseröhrenfehlbildung) sowie im wissenschaftlichen Beirat in der Landesarbeitsgemeinschaft der Angehörigenvertretungen für Menschen mit geistiger Behinderung (LAG AVMB).

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Leseprobe

 

 

 

 

 

D


 

Diagnosestellung ADHS


Dem erfahrenen Arzt gelingt in vielen Fällen die Blickdiagnose zu einer Krankheit. Aber das »Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne oder mit Hyperaktivität (ADHS)« erlaubt keine Blickdiagnose!

Im Gegenteil: Sehr oft zeigt sich das Kind mit ADHS bei der Erstuntersuchung von seiner besten Seite, nicht zuletzt aufgrund der eindringlichen Mahnungen der Mutter: »Sei anständig!« Kommt das Kind mit dem Vater, so hört der Arzt nicht selten: »Meine Frau meint, dass etwas nicht stimmt bei dem Kind. Ich finde das gar nicht!« Die Angaben der Eltern und Lehrer sind also nicht immer zuverlässig.

Erst eine mehrmalige Verhaltensbeobachtung, eine gründliche körperliche und neurologische Untersuchung, individuell ausgewählte Testverfahren, eine eingehende biografische Anamnese, die Befragung der Bezugspersonen Eltern, Erzieher und Lehrer ergeben ein zutreffendes Gesamtbild der Stärken und Schwächen des Kindes. Der Untersuchungsgang ist also aufwendig und langdauernd. Aber nur auf diesem Weg kann ein wirksamer Behandlungsplan erstellt werden.

Digitales Lernen


Technik ersetzt das Schreiben


Heute kann der Mensch mit einer einfachen Handbewegung, dem Wischen und Tappen, auf dem Bildschirm des Smartphones ohne Ende bunte Bildchen und Texte aufrufen. Schon Kinder mit zwei Jahren können das – und tun das auch! Im Durchschnitt wischt der Nutzer eines Smartphones 150 Mal am Tag über sein Gerät (Akonen 2012). Das Zusammenspiel von Wahrnehmung, Planung und motorischer Handlung wird dabei nicht mehr benötigt. Visuomotorische Koordination, räumliche Vorstellung, Weiterdenken und Kreativität entfallen.

In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass durch das Schreiben auf Papier das Wissen im Langzeitgedächtnis besser verankert wird, als wenn es nur »angeschaut« wird. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass »Googeln« das Kind dazu verführt, eine Unmenge von Daten herunterzuladen, jedoch keine einzige davon zu behalten (Schäfer 2014).

Der Mensch verfügt über neun Sinneskanäle, um Wissen aufzunehmen und abzuspeichern. Seit Beginn der Menschheitsentwicklung hat sich die Vielfalt der Informationskanäle bewährt. Beim Arbeiten am Bildschirm ist von den neun Sinneskanälen nur noch ein System aktiv, das visuelle System. Die Informationen, die auf diesem Wege gewonnen werden, prägen sich auch nur im visuellen System ein. Eine ganzheitliche Wahrnehmung ist so nicht mehr möglich. Ein Drittel des Gehirns, nämlich der motorische Anteil, wird ausgeschaltet, wird zur Neuronenbrache. Damit schrumpft zwangsläufig auch die Denkleistung.

Einen weiteren Gesichtspunkt spricht der britische Autor und Filmemacher Gary Turk an. Im Netzwerk YouTube erzählt er: dass er 422 Freunde über das Netz hat und trotzdem einsam ist (dpa 2014). Turk will damit sagen, dass die Freunde, die man im Netz findet, keine wirklichen Freunde sind. Freundschaft ist nur von Angesicht zu Angesicht möglich, nicht über Nachrichten-Apps. Blickkontakt, Handbewegung, Gesichtsausdruck, Körperhaltung – diese ganze Informationsflut ist für eine zwischenmenschliche Beziehung nötig. Freundschaft entsteht, wenn man miteinander redet, wenn man gemeinsam etwas unternimmt, wenn man gemeinsam etwas erlebt. »Freundschaften« im Netz sind allenfalls Bekanntschaften. Sie kommen und gehen wie die Sonne und der Regen.

Beziehungen im Netz fördern also keineswegs soziale Kontakte, sondern führen geradewegs in die Vereinsamung!

In seinem Buch »Die Rüpel-Republik« bringt es Jörg Schindler auf den Punkt:

»Aber lassen wir uns nichts vormachen: Die sozialen Netzwerke, die da gerade die Welt erobern, sind tatsächlich antisoziale Netzwerke. Zum Aufbau echter Gemeinschaft können sie wenig beitragen. Im Gegenteil.« (dpa 2014)

EDV in der Schule


Medienexperten fordern mit Nachdruck die »digitale Schule«. Der Redakteur der Zeitschrift GEO, Jürgen Schäfer, schwärmt vom »Homo sapiens digitalis« und vom »digitalen Klimawandel« (Schindler 2012). Weiter schreibt er, die »neue menschliche Weisheit« brauche eine neue Schule. Diese »Schule am Netz« vermittle Wissen nicht mehr über das gesprochene und geschriebene Wort, über die Anschauung, über den Lehrer, über den Schreibstift, über das Heft oder über das Lehrbuch. Vielmehr sei das einzige Unterrichtsmittel das Tablet, der Mini-Computer, für Mädchen mit einem rosa Rand, für Jungen mit einem blauen Rand. Jugendliche, die jetzt schon 4 Stunden (66 %) oder 6 Stunden (16 %) (Schäfer 2014) vor dem Bildschirm sitzen, sollen in der neuen Schule zusätzlich 5–6 Stunden täglich Deutsch, Mathematik und Englisch vom Tablet lernen – eine aberwitzige Vorstellung! Eine andere Variante bietet das amerikanischem Vorbild in Gestalt des »invertierten Lernens«: Der Schüler soll den Wissensstoff zu Hause digital erarbeiten und in der Schule nur noch Fragen stellen. (Schindler 2012)

Wird in der Medizin ein neues Medikament eingeführt, so muss es bis zur Zulassung umfangreiche und jahrelange Prüfungen durchlaufen. Mit der digitalen Schule aber wird ein riesiges Experiment mit Kindern ohne jede Vorprüfung eingeleitet – mit der Gefahr, dass Sprache, Motorik, Aufmerksamkeit, Impulssteuerung, Denken in Zusammenhängen und Sozialverhalten auf der Strecke bleiben!

DL-Amphetamin


Geschichte


DL-Amphetamin ist das erste Psychostimulans, das bei Schulkindern mit Aufmerksamkeitsstörung erfolgreich eingesetzt worden ist. Das geschah 1937 durch Bradley in den USA. Er und seine Mitarbeiter waren verblüfft über die gute Wirkung auf die Kernsymptome des Syndroms. Inzwischen wird das Mittel auch bei aphasischen Schlaganfallpatienten mit sehr guter Wirkung verwendet. Die Buchstaben D und L im Namen bedeuten: Es handelt sich um ein Racemat (Gemisch) aus links- und rechtsdrehenden Amphetaminen (Bradley 1937).

Wirkung


DL-Amphetamin ähnelt in seiner chemischen Struktur dem Botenstoff Dopamin, der beim Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Die Wirkstärke von Dexamfetamin ist ungefähr doppelt so hoch wie bei einer entsprechenden Dosis Methylphenidat. DL-Amphetamin ahmt die exekutiven Funktionen des Dopamins nach:

•  Beschleunigung von Auffassung und Umsetzung

•  Verbesserung von Konzentration und geistiger Ausdauer

•  Hemmung von Impulsüberschuss

•  Verbesserung von Handschrift und Sozialverhalten

Wirkzeiten


Die Wirkung des DL-Amphetamins setzt nach 30–60 Minuten ein, erreicht ihren Höhepunkt nach 120 Minuten und hält sechs Stunden vor.

Nebenwirkungen


Appetitminderung, Übelkeit, Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Blässe und Ringe um die Augen können in seltenen Fällen zu Beginn der Behandlung auftreten, vor allem dann, wenn zu schnell aufdosiert wird. Die unerwünschten Ereignisse verschwinden regelmäßig nach sechs bis acht Wochen. Wichtig ist, dass nach der Einnahme der Kapsel und während des ganzen Tages ausreichend Flüssigkeit getrunken wird. Eine Abhängigkeit von dem Medikament ist nach über 70 Jahren Anwendung ebenso wenig wie bei der Substanz Methylphenidat beobachtet worden. Entzugserscheinungen nach Absetzen des Mittels kommen nicht vor (Stollhoff 2015).

Einnahme


DL-Amphetamin wird nach der Mahlzeit eingenommen. Die Dosis wird einschleichend individuell ermittelt. Kann ein Kind die Kapsel nicht schlucken, ist eine wohlschmeckende Saftzubereitung möglich.

Darreichungsformen


Dexamfetamin wird, um Missbrauch zu vermeiden, auf Betäubungsmittelrezept verordnet. Der Apotheker stellt Kapseln zu 5, 10 oder 15 mg her. Seit 2012 ist ein Fertigprodukt im Handel unter der Bezeichnung Attentin® als Tablette zu 5 mg erhältlich.

Retardiertes DL-Amphetamin


Seit März 2013 befindet sich ein retardiertes DL-Amphetamin unter den Namen Elvanse® (Lisdexamfetamindimelisat) im Handel. Seit 2007 ist das Medikament in den USA, Kanada und Brasilien im Einsatz. Es wirkt 13 Stunden und verbessert die Kernsymptomatik von ADHS signifikant. Es ist ungewöhnlich teuer.

Kontrolluntersuchungen


Sechs Wochen nach Beginn der Behandlung, dann alle sechs Monate, sollen folgende Parameter überprüft werden: Aufmerksamkeitstest, Größe, Gewicht, innere Organe, Blutdruck, Puls, Blutsenkung, Blutbild und Leberwerte.

Dopamin und sein Ersatz


Bei der Betrachtung der Strukturformeln von Dopamin und Methylphenidat-Hydrochlorid (MPH-HCl) fällt ihre Ähnlichkeit auf. Der...

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