Betreuer von demenziell erkrankten Menschen müssen kein Expertenwissen über Demenzerkrankungen besitzen. Sie sollten aber über die Krankheit in ihren Grundzügen Bescheid wissen, um das oft befremdliche Verhalten der Patienten zu verstehen und typische Schwierigkeiten zu erkennen, die den Demenzerkrankten hindern, an Aktivitäten teilzunehmen. Es gibt zahlreiche Bücher über die Grundlagen von Demenz. Das folgende Kapitel ist speziell auf das erforderliche Wissen von Aktivitätsbegleitern ausgerichtet.
Der Begriff »Demenz« stammt aus dem Lateinischen von »mens/mentis« und bedeutet übersetzt »Verstand« oder »Geist«. Wörtlich bedeutet Demenz somit »weg vom Geist« oder »ohne Geist«.
Nach der aktuell gültigen Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) ist für die Diagnose einer Demenz die Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses sowie des abstrakten Denkens erforderlich. Hinzu kommen Sprachstörungen (Aphasie), Unfähigkeit zum zweckmäßigen Handeln trotz intakter Fähigkeiten zu Einzelbewegungen (Apraxie), Wahrnehmungsstörungen trotz intakter Sinnesorgane (Agnosie) und Persönlichkeitsveränderungen. Die kognitiven Störungen werden in der Regel von einer Verminderung der Affektkontrolle sowie einer Störung des Antriebs und des Sozialverhaltens begleitet. Damit die Diagnosekriterien für eine Demenz erfüllt sind, muss der Erkrankte mindestens sechs Monate lang die aufgezählten Symptome aufweisen.
Die Demenz vom Alzheimertyp ist eine von vielen Demenzerkrankungen und mit 60 % die häufigste Demenzform. Letztlich kann erst nach umfangreichen Tests und Beratungsgesprächen eine Demenz festgestellt und anschließend Empfehlungen für Behandlungen mit den besten Erfolgsaussichten gegeben werden.
Gemäß der Deutschen Alzheimergesellschaft e.V. wurde der Begriff »Demenz« im 18. Jahrhundert in der Juristen- und Umgangssprache für jede Form geistiger Störung verwendet. Ende des 18. Jahrhunderts benutzten Ärzten den Begriff zur Bezeichnung eines Nachlassens der intellektuellen Kräfte und der Unfähigkeit zu logischem Denken. Lange Zeit wurde in der deutschsprachigen Psychiatrie nur das Endstadium des intellektuellen Abbaus als »Demenz« bezeichnet.
Demenz wurde erstmals von Alois Alzheimer (1864–1915), Psychiater und Gehirnpathologe, genauer erforscht. Er beobachtete die Erkrankung, beschrieb die neurologischen Veränderungen und untersuchte das Gehirn von Erkrankten nach ihrem Tod. Alzheimer begegnete 1901 der Patientin Auguste Deter, die ihn berühmt machte. Augustes Ehemann brachte sie in eine Frankfurter Anstalt, nachdem sie sich plötzlich stark verändert hatte: Auguste konnte die einfachsten Dinge im Haushalt nicht mehr verrichten. Sie versteckte alle möglichen Haushaltsgeräte. Sie sprach davon, verfolgt und belästigt zu werden und belästigte selbst in aufdringlicher Weise die Nachbarschaft. Alzheimer stellte fest, dass die Patientin keine Orientierung hinsichtlich Zeit und zu ihrem Aufenthaltsort hatte. Sie erinnerte sich kaum an Einzelheiten aus ihrem Leben und gab oft Antworten, die in keinem Bezug zur Frage standen. Augustes Stimmungen wechselten schnell zwischen Euphorie, Argwohn, Furcht und Weinerlichkeit. Man konnte sie nicht allein durch die Anstalt gehen lassen, da sie den anderen Patienten ins Gesicht fasste. Alzheimer war schon vor dem Zusammentreffen mit Auguste geistig verwirrten Menschen begegnet. Er nahm den Zustand dieser Menschen aber als eine natürliche Gegebenheit an, weil die Patienten oft über 70 Jahre alt waren. Augustes Zustand interessierte ihn, denn zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme in die Anstalt war sie erst 51 Jahre alt. Nach ihrem Tod untersuchte Alzheimer ihr Gehirn. Die Obduktion ergab eine Reihe von Anormalitäten: Die Hirnrinde war dünner als gewöhnlich. Außerdem waren Ablagerungen eigentümlicher Stoffwechselprodukte in Form von Plaques zu finden. Er gab dem Krankheitsbild einen Namen: »Die Krankheit des Vergessens«.
Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts rückte die Erkrankung in das Interesse der Öffentlichkeit. Die Demenzerkrankungen berühmter Persönlichkeiten, wie zum Beispiel die der Schauspielerin Rita Hayworth, spielten dabei eine wichtige Rolle. Seitdem wurden unterschiedliche Medikamente zur Demenzbehandlung entwickelt. Keines davon kann bislang die primäre Demenz (siehe Kapitel 2.4.1) heilen. Sie tragen jedoch zur Verzögerung des Krankheitsverlaufs bei (Schaade 2008).
Laut der Deutschen Alzheimergesellschaft e. V. leben gegenwärtig etwa 1 Million demenzerkrankte Menschen in Deutschland. In der Literatur wird Demenz als eine der häufigsten Alterserkrankungen beschrieben. Jährlich treten mehr als 250.000 Neuerkrankungen auf. Sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt, wird sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Mit zunehmendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, an Demenz zu erkranken. Etwa bei jedem dritten 65 Jahre alten Menschen tritt im weiteren Altersverlauf eine Demenz auf.
Eine primäre Demenz (siehe Kapitel 2.4.1) wird durch pathologische Eiweißablagerungen (degenerative Demenz) oder durch Verengungen von Gefäßen im Gehirn (vaskuläre Demenz) hervorgerufen. Noch immer ist die Ursache dieser Veränderungen im Gehirn nicht sicher bekannt, daher gibt es noch keine Möglichkeiten, die Erkrankung zu stoppen. Die Symptome können durch eine frühzeitige Diagnose, durch geeignete Medikation sowie durch vielfältige Formen der nicht-medikamentösen Therapie und auch durch neue Wohn- und Lebensformen gelindert, aber nicht beseitigt werden. Da die Zahl der Demenzerkrankten steigt, richtet sich die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zunehmend auf diese Erkrankung. Dies bedeutet, dass jetzt die Forschung ein größeres Gewicht erhält, um Ursachen weiter aufzuklären und geeignete Therapieformen zu entwickeln.
Ein hohes Lebensalter ist das größte Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, was in der höheren Lebenserwartung begründet ist. Die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken ist größer, wenn ein Familienmitglied die Erkrankung bereits hatte. Erbliche Faktoren spielen bei der Demenz insgesamt aber eine geringe Rolle. Außerdem können folgende Faktoren das Risiko für eine vaskuläre Demenz und eine degenerative Demenz leicht erhöhen: hoher Blutdruck, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Adipositas, Diabetes mellitus und Herzerkrankungen (zum Beispiel Herzinsuffizienz, Herzinfarkt).
Bislang gibt es keinen absoluten Schutz davor, an Demenz zu erkranken. Doch nicht jeder Mensch, bei dem sich typische demenzielle Veränderungen (Eiweißablagerungen) im Gehirn finden, leidet unter einer Demenz. Das liegt laut vieler Demenzexperten vermutlich daran, dass bei manchen Personen das Gehirn leistungsfähiger ist. Aber auch körperliche Bewegung kann in einem geringen Maße einer Demenz entgegenwirken. Bereits leichte körperliche Betätigung – wie etwa Spazierengehen – verringert das Risiko einer Demenzerkrankung im Alter. Experten begründen die positive Wirkung regelmäßiger und leichter Bewegung mit der dadurch verbesserten Durchblutung des Gehirns. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass eine ausgewogene, fett- und cholesterinarme Ernährung mit viel Obst und Gemüse einer Demenz vorbeugen kann.
Demenzerkrankungen können je nach Ursache (siehe 2.3.2) in primäre und sekundäre Demenzen eingeteilt werden.
Primäre Demenzen machen den größten Anteil der Demenzen aus und sind nach heutigem Kenntnisstand unheilbar. Primäre Demenzen werden in degenerative und vaskuläre Demenzen unterteilt. Von einer gemischten Demenz wird gesprochen, wenn sich eine degenerative mit einer vaskulären Demenz verbindet. Zu den degenerativen Demenzen gehört in erster Linie die Demenzerkrankung vom Alzheimer-Typ. Vaskuläre Demenzen – hervorgerufen durch Veränderungen kleiner Blutgefäße im Gehirn – werden häufig als »Multi-Infarkt-Demenzen« bezeichnet.
Sekundäre Demenzen machen einen geringen Teil der Demenzen aus. Zu dieser Kategorie gehören Demenzen, die Folge einer anderen Grunderkrankung sind, das heißt deren auslösende Ursache im Gegensatz zu den primären...