Was passiert eigentlich in meinem Körper, wenn ich Rheuma habe? In diesem Kapitel informieren wir Sie darüber, was Rheuma für die Gelenke und Wirbelsäule bedeutet und welche Risikofaktoren es für die Krankheit gibt. Sie lernen außerdem die wichtigsten rheumatischen Erkrankungen und ihre Symptome kennen, wobei unser Schwerpunkt auf der rheumatoiden Arthritis liegt, und erfahren, mit welchen Methoden man Rheuma medizinisch feststellen kann.
Rheumatische Beschwerden sind in der Bevölkerung sehr häufig. Dahinter verbergen sich beispielsweise Schmerzen an Knochen, Muskeln und Gelenken oder auch Rückenschmerzen. Rheuma ist der Überbegriff für Verschleißerkrankungen am Bewegungsapparat, Weichteilrheuma und entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen.
Dieser Patientenratgeber wendet sich in erster Linie an Menschen mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis, entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule, sogenannte Spondarthropathien, und anderen Formen von entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen, wie etwa Kollagenosen. Hier sind besonders Sjögren- und SLE-Patienten zu nennen. Der Begriff „Rheuma“ wird in diesem Ratgeber daher für entzündlich-rheumatische Erkrankungen, wie den oben aufgeführten, verwendet.
Gleich zu Beginn die gute Nachricht: Durch die Entwicklungen in den letzten knapp 20 Jahren sind wir heute in der Lage, die erwähnten Erkrankungen so gut wie noch nie und so früh wie noch nie zu diagnostizieren und zu behandeln. So können die meisten Menschen mit Rheuma ein beschwerdefreies oder wenigstens ein beschwerdearmes Leben führen. Trotz der Diagnose einer chronischen Erkrankung darf man heutzutage mit viel Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft schauen.
Solange man keine Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates hat, denkt man gar nicht darüber nach, wie wunderbar das Zusammenspiel von Knochen, Knorpeln, Gelenken, Sehnen und Muskeln, Nerven und vielen Strukturen funktioniert, die uns durch den Alltag bewegen. Treten allerdings Schmerzen auf, so ist dies für viele Betroffene zunächst eine böse Überraschung. Am Anfang hofft man, dass die Beschwerden von allein aufhören, was ja auch meistens der Fall ist. Generell gilt aber, dass Schmerzzustände und andere Probleme des Bewegungsapparates durch den Arzt abgeklärt werden sollten, wenn sie
• mehr als sechs Wochen andauern,
• zusammen mit Allgemeinsymptomen auftreten. Dazu gehören Fieber, also eine Temperatur über 38,5 °C, Nachtschweiß und auch auf Anhieb nicht erklärbarer Gewichtsverlust.
Das Bewegungssystem
Wer Funktionsstörungen des Bewegungssystems verstehen will, sollte sich zunächst damit vertraut machen, wie es im gesunden Zustand arbeitet und aufgebaut ist. Viele Bestandteile sind daran beteiligt, dass der Mensch sich aufrecht halten und bewegen kann. Für die Beweglichkeit sind in erster Linie die Gelenke zuständig. Da diese bei rheumatischen Erkrankungen häufig befallen sind, ist eines der typischen Symptome eine Steifheit, die zu einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit führt.
Der typische Gelenkaufbau
Das menschliche Stützgerüst besteht aus etwas mehr als 200 Knochen. Sie werden von Gelenken zusammengehalten. Gelenke gehören zum passiven Teil des Skeletts, sie werden also bewegt. Aktive Bestandteile des Bewegungssystems sind die Muskeln. Hinzu kommt ein ausgeklügeltes Nervensystem, das überhaupt erst Koordination und Feinmotorik möglich macht.
Das menschliche Stützgerüst besteht aus etwas mehr als 200 Knochen, die von Gelenken zusammengehalten werden. |
Den Aufbau eines Gelenks kann man sich etwa so vorstellen: Ein Gelenkkopf und eine Gelenkpfanne liegen einander gegenüber. Sie passen ineinander wie zwei Puzzleteile, schließen aber nicht fest ab. Stattdessen liegt ein Gelenkspalt zwischen den beiden zu verbindenden Knochen. Der Gelenkkopf ist die nach außen, die Gelenkpfanne die nach innen gewölbte Gelenkfläche. Beide sind mit Knorpel überzogen, der u. a. aus Wasser und Kollagen besteht und die Aufgabe eines Stoßdämpfers übernimmt. Umgeben ist das Gelenk von der sogenannten Kapsel. Sie besteht aus der Verlängerung des Bindegewebes, das auch alle Knochen umschließt und folgerichtig Knochenhaut genannt wird.
In der Gelenkkapsel besteht die Knochenhaut aus zwei Schichten. Die obere ist eine feste Schicht aus Kollagenfasern. Darunter befindet sich eine lockere Schicht, in der sich Blutgefäße, Nerven und Immunzellen befinden. Diese Schicht wird Synovia genannt. Hier wird die Gelenkflüssigkeit, ebenfalls Synovia genannt, produziert, die zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen hat: Einerseits dient sie als Schmierstoff, der die Abreibung der Gelenkflächen verhindern oder zumindest minimieren soll, andererseits wird damit der Knorpel ernährt.
Wie kommt die Gelenkflüssigkeit in den Knorpel?
Knorpel besitzen keine Blutgefäße. Sie müssen sich also auf eine andere Weise ernähren. Das funktioniert mithilfe der Gelenkflüssigkeit Synovia. Das schlichte Vorhandensein dieser dickflüssigen Substanz reicht aber noch nicht aus, um den Knorpel zu versorgen. Sie muss durch ein gesundes Maß an Bewegung in den Knorpel eingebracht werden.
Bei Entzündungen, z. B. bei Rheumaschüben, wird die Flüssigkeit von der entzündeten Gelenkinnenhaut häufig in übermäßiger Menge produziert. Man nennt diese Entzündung Synovialitis. Besteht sie über einen längeren Zeitraum, breitet sich die Gelenkinnenhaut aus, kann Sehnen oder Bänder beschädigen und sogar in Knochengewebe eindringen. Es entsteht ein verdicktes, chronisch entzündliches „wucherndes“ Gewebe, das sogenannte Pannusgewebe. Würde man nicht einschreiten, stünde am Ende die Zerstörung von Knochen und Knorpel. Mit den modernen Therapien lässt sich dieses fortgeschrittene Stadium von Rheuma inzwischen jedoch glücklicherweise zuverlässig verhindern.
Mit den modernen Therapien lässt sich die Synovialitis zuverlässig verhindern. |
Vereinfachte Darstellung des Gelenkaufbaus
Bänder, Sehnen, Scheiben und Schleimbeutel
Je nach Gelenktyp kann es neben dem beschriebenen Aufbau eines Gelenks weitere Bestandteile geben. Dazu gehören beispielsweise Gelenkbänder, die aus Bindegewebe bestehen und dem Gelenk Festigkeit und Bewegungsführung geben. Sie können festlegen, in welche Richtung oder wie weit das Gelenk bewegt werden kann. Sehnen sind Verbindungsstücke zwischen den Knochen und den Muskeln. Sie geben die Muskelkraft quasi an das Knochengerüst weiter. Sehnen bestehen aus festen Kollagensträngen und Elastin, das, wie der Name ahnen lässt, für die Elastizität sorgt. Ebenso wie in den Knorpeln finden sich in Sehnen keine Blutgefäße, entsprechend können sie nicht durch Blut, sondern nur durch Gewebsflüssigkeit ernährt werden.
Auch Gelenkscheiben sind in einigen Gelenken zu finden. Der Meniskus, eine halbmondförmige Scheibe im Knie, ist eines der bekanntesten Exemplare. Er besteht aus Faserknorpel, also der härtesten Knorpelart. Gelenkscheiben dienen in der Gelenkhöhle zur Pufferung von Druck und zur Stabilisierung. Schließlich sollen noch Schleimbeutel erwähnt werden, die wie Kissen zur Polsterung dienen. Sie befinden sich zwischen Knochen und Sehnen oder Muskeln und schützen beide Seiten vor Reibung und Druck.
Gelenkscheiben wie der Meniskus dienen zur Pufferung von Druck und zur Stabilisierung. |
Rheuma betrifft nicht nur die Gelenkstrukturen, sondern auch Sehnen, Sehnenansätze und manchmal den gesamten Bewegungsapparat. Des Weiteren können aber auch Organe, wie z. B. das Auge, die Lunge oder die Niere, betroffen sein. Dies ist jedoch selten und kann durch frühe Diagnosen und Therapie verhindert werden.
Der Aufbau der Wirbelsäule
Unter den rheumatischen Erkrankungen betreffen viele die Wirbelsäule. An dieser Stelle folgt daher eine kurze Übersicht, die ihren Aufbau verdeutlicht. Die Wirbelsäule besteht aus 24 Wirbeln. Zählt man das Kreuz- und das Steißbein dazu, die jeweils aus fünf miteinander verwachsenen Wirbeln bestehen, kommt man auf insgesamt 34 Wirbel. Sie werden von oben nach unten nummeriert und teilen sich – ebenfalls von oben nach unten – in Hals-, Brust- und Lendenwirbel sowie Kreuz- und Steißbein.
Der Aufbau der menschlichen Wirbelsäule
Von der Halswirbelsäule bis hinunter in den Lendenwirbelbereich nehmen die einzelnen Wirbel an Masse deutlich zu. Jeder Wirbelknochen hat ein Loch, die Gesamtheit der Löcher wird als Wirbelkanal bezeichnet. In diesem befindet sich das Rückenmark, das Nervenfasern und Nervenzellen beherbergt. Aus dem Wirbelkanal laufen Rückenmarksnerven in die Extremitäten. Die einzelnen Wirbel sind miteinander durch...