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Albert Salomon Werke

Bd. 2: Schriften 1934 - 1942

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl259 Seiten
ISBN9783531911069
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR
Albert Salomon (1891-1966), deutsch-jüdischer Soziologie und Herausgeber der Zeitschrift 'Die Gesellschaft', war nach seiner Emigration 1935 Professor an der New School for Social Research in New York, wo er in alteuropäischer Tradition eine humanistische Soziologie begründete.
Diese fünfbändige textkritische Edition ist die erste Ausgabe seiner gesammelten Werke.

Dr. Peter Gostmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dr. Gerhard Wagner ist Professor für Soziologie am Institut für Grundlagen der Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt.

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Leseprobe
Tocqueville: Moralist und Soziologe (S. 81-82)

Im Januar 1935 ist ein Jahrhundert vergangen, seit der erste Band von Tocquevilles Über die Demokratie in Amerika erschienen ist. Der außergewöhnliche Erfolg des Buches, das dem jungen Schriftsteller Lob und Ehre einbrachte und den Weg bereitete für seine politische Karriere, war darauf zurückzuführen, dass sich das Werk auf die damaligen Verhältnisse konzentrierte. Die theoretische und praktische Ausbildung einer modernen demokratischen und liberalen Gesellschaft war das brennende Problem seiner Epoche. Es ist deshalb kein Zufall, dass Thibaudet in einem Aufsatz über Tocqueville und Gobineau das gegenwärtig geringe Interesse an Montesquieu und Tocqueville auf den Zusammenbruch des westlichen Liberalismus zurückführt. Eine Konsequenz dieses Zusammenbruchs, so behauptet er, sei es, dass sich die jüngere Generation nur noch für jene neuen Formen politischer Organisation interessiert, die jenseits der Traditionen der angelsächsischen und französischen Zivilisation liegen. Diese Bemerkungen eines so aufrichtigen und skrupulösen politischen Philosophen wie Thibaudet sind für uns Anlass, uns näher mit Tocquevilles Jahrhundert auseinanderzusetzen, um dessen Bedeutung jenseits etablierter kultureller Konventionen herauszufinden. Trifft es zu, dass sein Werk wirklich nur seine eigene historische und politische Situation zum Ausdruck bringt? Hat es deshalb für eine über diese Epoche hinausgehende Zeit an Bedeutung verloren?

Wir mögen die gängige Auffassung, dass Tocqueville ein exponierter Vertreter des Liberalismus sei, in Frage stellen, angesichts der Tatsache, dass sein Buch von Liberalen und Konservativen gleichermaßen geschätzt wurde, worauf Gustave de Beaumont hingewiesen hat. Es scheint eher, dass sich Tocquevilles Denken nicht darin erschöpft, bloßer geistiger Ausdruck einer bestimmten politischen Richtung des 19. Jahrhunderts zu sein. Selbst wenn er bestrebt war, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen seiner Zeit zu erzielen, übersteigt sein geistiges Streben jeden unmittelbaren politischen Zweck.

Bezeichnet man Tocqueville als einen Moralisten, so meint man damit zweierlei. Erstens, dass es ein rein persönliches Bedürfnis war, das ihn als denkenden Menschen antrieb, befreit von wissenschaftlichen und akademischen Traditionen zu einem Verständnis der gesellschaftlichen und politischen Situation zu gelangen, um darin seinen eigenen Platz zu finden. Zweitens legt es die Vermutung nahe, dass Tocqueville, als er den Ergebnissen seiner Forschungsarbeiten folgte, unweigerlich mit der Frage der menschlichen Natur konfrontiert wurde, was ihn dazu veranlasste, fortan seine spezifische Auffassung vom Wesen des Menschen ins Zentrum seines Werkes zu stellen, ähnlich wie es bei Montaigne, Pascal, Hobbes und Shaftesbury zu beobachten ist. Aufgrund dieser philosophischen Haltung, die im 17. und 18. Jahrhundert als die eines Moralisten bezeichnet wurde, durchbricht Tocquevilles Werk die engen Grenzen politischer Gegebenheiten. So schmerzte ihn nicht nur der politische und gesellschaftliche Niedergang des Adels. In noch viel stärkerem Maße trafen ihn die Schwierigkeiten, die aus der neuen gesellschaftlichen Ordnung für die Vervollkommnung des persönlichen Lebens in moralischer, geistiger und seelischer Hinsicht folgten.

Der Wandel der alten Ständegesellschaft in eine demokratische Ordnung und die hieraus resultierenden Veränderungen des Menschen und seiner sozialen Beziehungen wurden für ihn denn auch zur Leitfrage seines Denkens. Während Menschen mit seelischer Größe Tocquevilles vorrangiges Interesse galt, ermöglichte ihm seine historische Erfahrung, die grundlegende Verbindung zwischen sozialen und persönlichen Lebensformen einerseits und der Totalität der sozialen Struktur andererseits wahrzunehmen. Deshalb bezeichnen wir Tocqueville als Moralisten und Soziologen. In seiner Erfahrung waren die Elemente einer neuen Denkungsart angelegt: das historische und soziologische Bewusstsein.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis5
Vorwort: Geschichtlichkeit und Menschlichkeit.6
Albert Salomon an der6
Zum intellektuellen Profil6
Geschichte als Selbstverwirklichung6
Konkrete Soziologie7
Totale Geschichte – Totale Interpretation – Krise7
Philosophische Anthropologie9
Die New School10
Max Webers Methodologie14
I.14
II.20
Tocqueville34
Max Webers Soziologie49
I.49
II.55
Max Webers politische Ideen62
I.62
II.70
Tocqueville: Moralist und Soziologe78
II.81
III.83
IV.86
V.88
VI.89
VII.91
VIII.94
IX.96
In memoriam Ferdinand Tönnies (1855-1936)100
Zur Stellung von Alfred Webers Kultursoziologie im sozialen Denken115
Soziologie und Soziologismus123
I.123
II.130
III.132
Führerschaft in der Demokratie138
Hochschulbildung und Humanismus148
I.149
II.153
III.157
IV.163
Tocquevilles Philosophie der Freiheit167
Die Philosophie der Macht200
I.200
II.204
Emil Lederer 1882-1939Ü210
I.210
II.212
Krise – Geschichte – Menschenbild218
I.220
II.227
III.233
IV.237
V.238
VI.240
Einige Schriften über den Humanismus242
Personenregister249

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