1. KAPITEL
Warum eigentlich Junggesellenabschied?
Wenn man am Wochenende ausgeht, sieht man sie oft durch die Amüsiermeilen der Städte ziehen: Gruppen von jungen Menschen, die in der Regel meist nur aus Frauen oder Männern bestehen und die alle irgendwie seltsam verkleidet sind, wobei einer von ihnen immer ganz besonders auffällt. Begegnet man ihnen zu vorgerückter Stunde sind meist alle etwas angeheitert und beinahe immer gut gelaunt. Ist nun gerade nicht Karneval, dann kann man mit ziemlicher Gewissheit davon ausgehen, dass es sich um eine Junggesellen- beziehungsweise Junggesellinnenabschiedsparty handelt.
Eine alte Tradition
Woher die Tradition des Junggesellenabschieds ursprünglich stammt, ist nicht ganz gewiss, denn verschiedene Quellen geben unterschiedliche Auskunft. Zum einen wird berichtet, dass der Brauch bereits im Griechenland der Antike, genauer gesagt in Sparta, existierte. Dort soll es unter den Soldaten Usus gewesen sein, für ihre Kameraden, die in den Hafen der Ehe einliefen, ein großes Fest zu geben, mit allem, was dazugehört.
An anderen Stellen lässt sich lesen, dass der Junggesellenabschied, wie wir ihn heute kennen, seinen Ursprung in England hat. In der so genannten Stag-Night, die traditionell am Vorabend der Hochzeit begangen wurde, traf man sich festlich bekleidet beim Vater der Zukünftigen. Neben feierlichen Ansprachen über die Bedeutung der Ehe, musste der Bräutigam auch noch allerlei weise Ratschläge über sich ergehen lassen. Zudem wurde er von den Familienoberhäuptern auf Herz und Nieren geprüft, was die ehelichen Pflichten betrifft. Parallel dazu gab und gibt es bis heute – ebenfalls im englischsprachigen Raum – die so genannte Hen-Night, den »Hennenabend«, der üblicherweise ein bis zwei Tage vor der Hochzeit stattfindet. Dazu werden alle weiblichen Verwandten beider Familien eingeladen, um in munterer Runde bei Kaffee oder Tee sowie einer rosa Torte wichtige Details des anstehenden Hochzeitsfestes zu erörtern, wie zum Beispiel die Frage, was die Braut am Tag der Hochzeit unter dem Brautkleid trägt, um ihren frisch Vermählten in der Hochzeitsnacht zu verzücken. Die Feier beginnt bereits am frühen Nachmittag und dauert mitunter bis spät in die Nacht. Unentbehrlich für die Hen-Night sind neben rosa Torte und rosa Girlanden, mit denen das Wohnzimmer der Brauteltern geschmückt wird, die aufwändig – ebenfalls in Rosa – verpackten Geschenke: Kochbücher, Babywäsche, Tipps zur Babypflege und Ähnliches, und obligatorisch ein Negligé. Die Hen-Night ist eine reine Frauenveranstaltung. Männern bleibt die Tür verschlossen.
Nicht zu verwechseln mit dem »Hennenabend« ist der Henna-Abend oder die Henna-Nacht, die bei den Muslimen gefeiert wird. Am Vorabend der Hochzeit trifft sich die angehende Braut mit ihren weiblichen Verwandten und Freundinnen. Handflächen und Finger werden mit Henna rot gefärbt. Die Farbe Rot steht für die große Liebe, für Fruchtbarkeit und Wohlstand. Das Thema des Abends ist der Abschied aus dem Elternhaus und von der Kindheit. Der Abschied darf und soll betrauert werden. Deshalb werden an diesem Abend traurige Lieder gesungen und Geschichten erzählt, die die Braut zum Weinen bringen. Sobald sie dann weint, wird alles unternommen, um sie wieder aufzuheitern. Im weiteren Verlauf des Abends wird die Atmosphäre zunehmend fröhlicher und nach einem guten Essen bei Musik und Tanz wird schließlich fröhlich in die Hochzeit hinein gefeiert.
In Deutschland wird der Abschied vom Junggesellendasein traditionell mit dem Polterabend begangen. Im Unterschied zu den vorher genannten Bräuchen wird der Polterabend von beiden Brautleuten gemeinsam ausgerichtet. Man trifft sich in fröhlicher Runde gemeinsam mit Verwandten, Freunden und Bekannten zu einer ausgelassenen Feier. Ursprünglich war der Termin für den Polterabend am Donnerstag oder Freitag, ein oder zwei Tage vor der kirchlichen Trauung. Heutzutage nimmt man es damit aber nicht mehr ganz so genau. Eine förmliche Einladung gibt es meist nicht und auch keine Kleiderordnung. Die Freunde werden lediglich über den Termin informiert und um Zu- oder Absage gebeten, damit man die Einkäufe planen kann. Der Verlauf des Polterabends ist fröhlich bis ausgelassen, Einlagen und Spiele sind eher die Ausnahme, reichlich Alkoholkonsum dagegen die Regel. Höhepunkt des Abends ist das Poltern. Dabei werden von den Gästen mitgebrachte Gegenstände aus Porzellan, Steingut oder Keramik auf den Boden geworfen und dabei zerbrochen. Anschließend muss das Brautpaar die Scherben gemeinsam aufsammeln, um symbolisch zu demonstrieren, dass auch in der Ehe schwierige Aufgaben gemeinsam gemeistert werden können.
Hintergrund des Polterabends ist heutzutage das Sprichwort »Scherben bringen Glück«, das ursprünglich zwar etwas anderes bedeutete – als Scherben bezeichnete man früher Töpferwaren allgemein, nicht nur die zerbrochenen – aber im Laufe der Zeit umgedeutet wurde. Allerdings dürfen es keine Glasscherben sein und schon gar kein Spiegel, denn das bringt laut Aberglaube Pech. Wie alt die Tradition des Polterns genau ist und seit wann sie in Verbindung mit der Hochzeit steht, lässt sich nicht ohne weiteres ermitteln. Gleiches gilt für den Henna-Abend und auch für die Stag-Night beziehungsweise Hen-Night. Eines aber ist sicher: Die Tradition, kurz vor der Hochzeit ein freudiges Fest zu veranstalten, ist über alle Kulturkreise hinweg weit verbreitet. Warum also mit einer Tradition brechen, wenn sie sich so gut bewährt hat?
Ein neuer Lebensabschnitt beginnt
Das Leben verläuft in verschiedenen Etappen, und jede dieser Etappen beginnt mit einem einschneidenden Erlebnis: Man lernt laufen, kommt in die Schule, tritt ins Berufsleben ein, heiratet … Am Ende einer Etappe gibt es dann ausreichend Grund zu feiern, weil man einen Lebensabschnitt erfolgreich hinter sich gebracht hat und nun etwas Neues beginnt. Und das Feiern hat durchaus seine positiven Seiten. Es gehört zu den Ritualen, auf die man am allerwenigsten verzichten möchte, bietet eine Feier doch immer die Möglichkeit, Abstand vom Alltag zu nehmen und sich völlig losgelöst den Dingen hinzugeben, die da kommen mögen. Sieht man einmal davon ab, dass der nächste Morgen nach einer Junggesellenabschiedsparty oft sehr beschwerlich ist, bleibt einem auf lange Sicht etwas sehr Wertvolles: die Erinnerung. Es ist nun einmal so, dass die besonderen Erlebnisse am nachhaltigsten im Gedächtnis haften bleiben, und ausgelassene Feiern gehören ganz bestimmt dazu. Falls Sie also noch ein Argument benötigen, um den zukünftigen Ehemann beziehungsweise die zukünftige Ehefrau von der Notwendigkeit einer solchen Party zu überzeugen – vor allem dann, wenn diese keine derartige Feier wollen, Sie aber schon alles geplant haben -, dann versuchen Sie ihn oder sie doch einfach auf charmante Weise zu überzeugen: »Du wirst es nicht bereuen und später noch deinen Enkelkindern von diesem Abend erzählen.«
Sollte dies die Wirkung verfehlen, dann bleibt Ihnen mindestens noch ein weiterer Ansatzpunkt. Die Junggesellenabschiedsparty ist nicht nur ein Ritual mit langer Tradition. Sie bietet auch die Chance für die Freunde, sich auf ihre Weise zu verabschieden. Ein Abschied, der allen nicht leicht fällt, aber durch einen amüsanten Abend am Ende doch noch versüßt werden kann, also: »Wenn du schon keine große Lust hast, dann feiere wenigstens für uns, deine besten Freunde, die immer treu zu dir gestanden haben.« So eine bescheidene Bitte wird Ihnen Ihre Busenfreundin, Ihr bester Freund bestimmt nicht ausschlagen, denn immerhin – so sah es zumindest der amerikanische Schriftsteller Henry Wadsworth Longfellow – leiden bei einem Abschied nicht diejenigen, die gehen, sondern jene, welche zurückbleiben.
Um mit Johann Wolfgang von Goethe noch einen obendrauf zu setzen: »Unvorbereitetes Wegeilen bringt unglückliche Wiederkehr.« Und Unglück kann nun wirklich niemand gebrauchen.
Wichtige Aspekte des Junggesellenabschieds
Wenn man verschiedene Festgesellschaften auf ihrer jeweiligen Abschiedstour beobachtet, dann lässt sich erstaunlicherweise feststellen, dass nach wie vor Elemente der alten Brauchtümer in ihrer lang überlieferten Tradition enthalten sind, wenn auch nicht mehr ganz in ihrer ursprünglichen Form. Im Wesentlichen sind es vier Grundelemente.
Erstens soll, wie bereits erwähnt, der angehenden Braut beziehungsweise dem zukünftigen Bräutigam die Gelegenheit gegeben werden, sich von einem abgeschlossenen Lebensabschnitt zu trennen. Diese Trennung ist zwar in erster Linie etwas Schönes, weil die Zukunft noch verheißungsvoller erscheint als die Vergangenheit, ganz ohne Schmerzen geht es aber nie ab, denn irgendwie hängt jeder an den schönen Erinnerungen vergangener Tage. Das Grundmotiv ist also das Leid, der Schmerz und die Trauer, übrigens ähnlich wie bei diversen Initiationsriten, bei denen junge Menschen auf der Stufe vom Kind zum Erwachsenen mitunter große Schmerzen erdulden müssen. Und das alles nur, um ihnen ins Gedächtnis zu schreiben: »Die fröhlichen Zeiten der Jugend sind vorbei. Ab jetzt beginnt der Ernst des Lebens.« Sie als Veranstalter eines Junggesellenabschieds haben es in der Hand, wie sehr und auf welche
Weise Sie Ihren besten Freund, Ihre beste Freundin leiden lassen, wenn auch nur symbolisch.
Zweitens gibt das Fest den guten Freunden die Gelegenheit, ihre Freundschaft noch einmal zu bekräftigen. »Auch wenn es einmal hart auf hart kommen sollte: auf uns kannst du zählen. Auch wenn wir nicht mehr so viel Zeit miteinander verbringen werden, sind wir weiterhin für dich da.« In den meisten Fällen...