WARREN BUFFETT: EINE ERFOLGSGESCHICHTE
Am 30. August 1930 erblickte Warren Edward Buffett in Omaha/Nebraska das Licht der Welt. Omaha ist mit gut 400.000 Einwohnern die größte Stadt Nebraskas und liegt im Mittleren Westen, weitab von den Wirtschaftszentren an der Ost- und Westküste der USA. Bekannt ist Omaha allenfalls durch seine Lage am Missouri River, als Hauptsitz der Union Pacific Railroad oder wegen seiner vielen Golfplätze. Aber einmal im Jahr fallen Zehntausende von Aktionären in die Stadt ein. Sie pilgern nach Omaha, um ihrem Idol Warren Buffett, dem Superinvestor und »Orakel von Omaha«, auf der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway zuzuhören.
Der Grund für die Begeisterung: Warren Buffett, der mit einem bescheidenen Startkapital angefangen hatte, hält sich seit vielen Jahren in der Top-Ten-Liste der reichsten Menschen der Welt. Er hat zahlreiche Berkshire-Aktionäre in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls reich gemacht. Daher ist es verständlich, dass Anleger aus aller Herren Länder von dieser Börsen-Legende lernen möchten.
Und Buffett nimmt sich die Zeit: Zusammen mit seinem kongenialen Partner Charlie Munger beantwortet er nach der kurzen offiziellen Hauptversammlung mehrere Stunden lang ausführlich die Fragen der Aktionäre, Analysten und Journalisten. Dieser spezielle Service für die treuen Berkshire-Aktionäre hat den Legendenstatus von Buffett noch weiter verstärkt. Die Hauptversammlung von Berkshire Hathaway, die seit vielen Jahren zum Pflichtprogramm der Buchautoren gehört, hat in Insiderkreisen den Spitznamen »Woodstock der Kapitalisten«.
Doch wie ist es dazu gekommen? Wurde Warren Buffett das Investor-Gen schon in die Wiege gelegt? Hatte er gute Lehrer und Mentoren, die ihm den Weg zum Investorengenie geebnet haben? Oder hatte er einfach nur das sprichwörtliche »Glück des Tüchtigen«? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie in diesem Buch. Sie können nach der Lektüre entscheiden, ob auch Sie mit der verblüffend einfachen und verständlichen Anlagestrategie von Buffett Ihre Anlageergebnisse verbessern wollen und können.
DIE KINDHEIT IN OMAHA (1930 – 1942)
Warren Buffett stammt aus einer Kaufmannsfamilie. Seit Generationen betrieben die Buffetts ein Lebensmittelgeschäft in Omaha. Wichtiger für die spätere Entwicklung von Warren Buffett war aber die Tatsache, dass sein Vater Howard mitten in der Weltwirtschaftskrise eine Brokerfirma (Wertpapierhändler) in Omaha gegründet hatte. Bei seinen regelmäßigen Besuchen in der Brokerfirma kam Warren schon sehr früh mit dem Aktiengeschäft in Kontakt.
Bereits im Alter von fünf Jahren »drehten sich seine Hobbys und Interessen um Zahlen«.1 So berechnete er in den Gottesdiensten, zu denen ihn seine Eltern mitnahmen, die Lebenszeiten von Kirchenmusikern anhand der im Liederbuch genannten Geburts- und Sterbejahre. Gemeinsam mit seinem Schulfreund notierte er ellenlange Seiten mit den Autokennzeichen der Wagen, die an der Veranda seines Freundes Bob Russel vorbeifuhren. Gemeinsam mit Russ, wie er seinen Freund nannte, lernte er die Einwohnerzahlen von Großstädten auswendig, und sie machten sich einen Spaß daraus, sich gegenseitig danach zu befragen. »Ich sagte ihm zehn Städte und er wusste sie alle«,2 so Russ.
Auch sein Spielzeug hatte mit Zahlen zu tun. Seine Tante Alice hatte ihm schon in frühen Jahren eine Stoppuhr geschenkt. Mit dieser stoppte er die Zeit, die eine in die Badewanne geworfene Murmel bis zum Stöpsel benötigte. Die Werte wurden natürlich sorgfältig notiert. Sein Lieblingsspielzeug war aber ein vernickelter Münzwechsler, den er zu Weihnachten bekommen hatte. Diesen trug er ständig bei sich und nutzte ihn bei seinen kleinen Verkaufsgeschäften.3
Ausgerüstet mit dem Münzwechsler klapperte er die Häuser in der Nachbarschaft ab und verkaufte Coca-Cola für 5 Cent die Flasche.
Mit Kaugummis machte er ähnliche Geschäfte. Als Zehnjähriger erhielt er einen Job als Popcorn- und Erdnussverkäufer im Football-Stadium der University of Omaha. Auch auf den zahlreichen Golfplätzen Omahas tummelte sich Warren mit seinen Freunden. Sie suchten dort nach verloren gegangenen Golfbällen, sortierten diese und verkauften sie gewinnbringend weiter.
Wenn die Kinder der Familie Buffett das zehnte Lebensjahr erreicht hatten, fuhr ihr Vater mit ihnen an die Ostküste. Was die Kinder sich dort anschauen wollten, konnten sie selbst entscheiden. Diese Auswahl fiel Warren nicht schwer. »Ich sagte meinem Vater, dass ich drei Dinge sehen wollte: die Münzen-und Briefmarken-Firma Scott, die Lionel Train Company und die New York Stock Exchange«4 [Anm. d. Redaktion: die New Yorker Börse].
Mit elf Jahren stieg Warren dann in das Aktiengeschäft ein. Er überredete seine Schwester Doris, mit ihm zusammen jeweils 114,75 Dollar in drei Vorzugsaktien von Cities Service Company anzulegen – einem Mineralöl- und Erdgasunternehmen aus Oklahoma. Warren hatte sich zuvor die Kursentwicklung von Cities Service intensiv angeschaut. Er wusste auch, dass sein Vater die Cities-Aktie seinen Kunden empfohlen hatte. Da lag die Entscheidung nahe, sein mühsam erarbeitetes Geld in diese Aktie zu investieren. Aber leider gingen die Börsenkurse im Sommer 1941 in den Keller und folglich sank auch der Kurs der Cities-Aktie. Sie verlor in kurzer Zeit 30 Prozent. Als sich die Börse danach wieder erholte, verkauften die Geschwister Buffett mit einem kleinen Gewinn von jeweils fünf Dollar. Hätten die jungen Buffetts ein wenig mehr Geduld gezeigt, hätte aus dem kleinen Gewinn ein wesentlich größerer werden können: Die Cities-Aktie erholte sich weiter und stieg nach dem voreiligen Verkauf auf über 200 Dollar.
Auch wenn seine erste Erfahrung mit der Börse keine ruhmreiche war, das Leben ging weiter. Und so verlagerte Warren seine »geschäftlichen Aktivitäten« einfach. Er und seine Freunde wurden Stammgäste der Pferderennbahn mit dem arabisch klingenden Namen Ak-Sar-Ben (rückwärts gelesen: Nebraska). Dort sammelten sie die weggeworfenen Tippzettel, auf denen noch so manch übersehener Gewinn zu finden war.
Eine weitere Geschäftsidee, die Warren zusammen mit seinem Freund Russ auf der Rennbahn umsetzte, war eine Tippliste. Die beiden hatten ein Tippsystem entwickelt und veröffentlichten diese Tipps in einer Liste, die sie an die Rennbahnbesucher unter dem Titel »Stable Boys Collections« anboten. »Aber wir hatten keine Konzession und die haben uns das verboten«5, so Bob Russel alias Russ.
DIE JUGEND AN DER OSTKÜSTE (1942 – 1947)
Im Jahr 1942 fanden in den USA Kongresswahlen statt. Howard Buffett, der für die Republikaner aktiv war, ließ sich als Kandidat aufstellen. Eine Familienlegende besagt sogar, dass er sich selbst aufstellte, »weil er kein anderes Opfer finden konnte, das bereit war, gegen den hochfavorisierten Demokraten anzutreten.«6 Warren unterstützte seinen Vater im Rahmen seiner Möglichkeiten im Wahlkampf, hatte aber wenig Hoffnung auf einen Wahlsieg. Dasselbe galt auch für seinen Vater, denn am Wahltag »gestand mein Vater seine Niederlage schriftlich ein. Dann gingen wir alle um halb neun oder neun zu Bett, weil wir nie lange aufblieben. Und als er am nächsten Tag aufstand, stellte er fest, dass er gewonnen hatte.«7
Der Wahlsieg seines Vaters bedeutete einen großen Bruch im Leben des zwölfjährigen Warren: Die Familie musste ihrem Vater, dem frisch gewählten Kongressabgeordneten, nach Washington folgen. Aber Warren Buffett war in der neuen, ungewohnten Umgebung so unglücklich, dass ihm seine Eltern erlaubten, für einige Monate zu seinem Großvater und zu seiner Tante Alice nach Omaha zurückzukehren. Dort nahm er seine »Geschäftstätigkeiten« wieder auf. »Ich sammelte in der Nachbarschaft Abfallpapier und Zeitschriften, die ich dann als Altpapier verkaufte. Meine Tante Alice fuhr mich zur Sammelstelle. Dort bekam man für 100 Pfund Altpapier 35 Cent oder so.«8 An den Wochenenden arbeitete er im Lebensmittelladen seines Großvaters Ernest.
Nach den Sommerferien musste er dann aber endgültig nach Washington umziehen. Dort hatte er zunächst Probleme, Anschluss zu finden. Als er endlich zwei neue Freunde gefunden hatte, überredete er sie, mit ihm auszureißen. Nach einem Tag wurde diese »Exkursion« jedoch durch die Polizei beendet und die Jungs kehrten zu ihren Eltern zurück. In der Schule lief es auch nicht gut. Warren bekam schlechte Noten und bezeichnete sein Benehmen in dieser Phase wie folgt: »Ich war ein echter Rebell. Einige Lehrer sagten, ich würde als schrecklicher Versager enden.«9
Warren besann sich wieder auf seine geschäftlichen Fähigkeiten und ergatterte einen Job als Zeitungsbote für die Washington Post und den Times Herald. Nebenbei...