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E-Book

Altern wie ein Gentleman

Zwischen Müßiggang und Engagement

AutorSven Kuntze
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641059569
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Lebensbilanz des bekannten und beliebten Journalisten
Der Ernst des Arbeitslebens sitzt uns tief unter der Haut - das merkt man spätestens mit der ersten Rentenrate, meint Sven Kuntze, renommierter Journalist - im Ruhestand. Denn mit dem Ende geregelter Arbeit drohen Verlust des Selbstwertgefühls und Lebensunordnung. Kuntze erinnert sich zu Beginn seiner neuen Zeitrechnung, dass über Jahrhunderte Muße unser Lebensziel war, nicht Arbeit. Wie aus dem Arbeitenden ein Flaneur, ein entschleunigter Genießer wird, verfolgt er an sich und einigen Altersgenossen. Um die Freiheit von Arbeit schätzen zu lernen, muss er sich neu erfinden, dabei alle unerbetenen Ratschläge genauso in den Wind schlagen wie frühes Aufstehen und Tagesplanung. Was Sven Kuntze in drei Jahren Ruhestand mit sich und anderen erlebt, mit Witz, Nachdenklichkeit und Lebensfreude kommentiert, gibt jedem Anlass, lange vor dem Ruhestand das »Schneller Höher Weiter« des Alltags kritisch zu beleuchten.

Zugleich ein weises Buch, das zum Nachdenken über die Werte und Ziele des Lebens anregt.

Sven Kuntze studierte Soziologie, Psychologie und Geschichte an der Universität Tübingen. Er berichtete als TV-Reporter für den WDR aus Bonn, New York und Washington, moderierte ab 1993 das ARD Morgenmagazin und ging mit dem Regierungsumzug nach Berlin, wo er als Hauptstadtkorrespondent arbeitete. Seit 2007 ist Sven Kuntze im Ruhestand, aber immer noch als freier Journalist und Autor tätig. Sein Buch »Altern wie ein Gentleman« (2011 bei C. Bertelsmann) war ein SPIEGEL-Bestseller. Zuletzt erschien von ihm »Alt sein wie ein Gentleman« (2019).

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Leseprobe
"Was tun? (S. 141-142)

»Raus aus dem Leben – rein ins Vergnügen!«
GRAFFITO AN EINEM BERLINER ALTENHEIM

Neunzig Prozent derjenigen, die ins Alter kommen, sind mit ihrer Vergangenheit zufrieden und würden ein nächstes Leben genauso führen wollen. Befragt, was sie anders machen würden, antworten sie schlicht: »Nichts!« Missglückte Leben oder vergeudete Begabungen sind die seltene Ausnahme. Wenn ich zurückblicke, dann kann auch ich nach längerem Nachdenken noch sagen: »Sehr viel mehr war, zumindest beruflich, nicht drin. Ich habe meine Möglichkeiten, die ohnehin begrenzt waren, ausgeschöpft.« Gut, es gab eine Phase in meinem Leben, in der ich gerne Bühnenschauspieler geworden wäre.

Aber meine Mutter, die Frau eines mittelmäßigen Schauspielers, erklärte mir, nachdem sie mich als Erzähler in Thornton Wilders Stück Unsere kleine Stadt gesehen hatte: »Du kannst als durchschnittlicher Rechtsanwalt, Lehrer oder Beamter ein angenehmes Leben führen. Ein mäßiger Schauspieler wird auf Dauer zur Tragödie. Ich weiß, wovon ich spreche. Lass es. Es altert sich ungut.« Das sah im Übrigen auch mein Vater ein und wechselte später erfolgreich in das Fach des Intendanten.

Also spricht nichts dagegen, die wohlgeratene Vergangenheit bedächtig den Gegebenheiten des Alters anzupassen und sie umstandslos in die Zukunft zu verlängern. Wer trotzdem wehmütig nach hinten und sehnsüchtig nach vorne blickt, hat sich in eine unkommode Lage gebracht. Wir Alten sind glücklich befreit vom Wesentlichen, wenn es das je gegeben haben sollte, das schafft uns freien Raum. So einfach ist die Sache indes nicht. Mit Arbeitsende beginnt die Zeit des Rückblicks und der Bilanzierung. Man wäre zwar schlecht beraten, ein ganzes Leben für gescheitert zu erklären, aber jeder von uns hat im Lauf langer Jahrzehnte unerfüllte Pläne, Hoffnungen und Sehnsüchte hinter sich lassen müssen. Die Vorhaben waren ihm entweder misslungen, blieben unerreichbar, oder die berufliche und familiäre Situation erlaubten es nicht, sie in die Tat umzusetzen. Und man beginnt zu ahnen, welche bedeutsame Rolle der Zufall, wir nennen ihn Schicksal, gespielt hat.

Ein Kollege, der zeitgleich mit mir in Rente gegangen war, hatte die ersten Wochen, nachdem die Rentenguillotine auf ihn niedergesaust war, wie er sich ausdrückte, dazu genutzt, sein Leben und dessen entscheidende Weichenstellungen auf einem durchlaufenden Diagramm zu notieren. »Die Idee ist die, das Leben nach hinten aufzurollen. Du bist morgen Gast in einer Talkshow. Warum bist du dort eingeladen? Weil du einst das Morgenmagazin moderiert hast. Warum hast du das getan? Weil du politische Erfahrungen hattest. Wieso das? Weil du in Tübingen Politik studiert hast. Wie bist du dorthin gekommen?"

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