In diesem Kapitel sollen die theoretischen Grundlagen erarbeitet werden, anhand derer die Analyse in den nachfolgenden Kapiteln erfolgt. Zunächst wird das Konstrukt des Geschäftsmodells hergeleitet, und anschließend werden Funktionen und Charakteristika traditioneller Banken näher erläutert.
Trotz der häufigen Verwendung des Begriffs Geschäftsmodell in der Literatur konnte sich bis heute keine allgemeingültige Definition etablieren.[5] So merkt auch Porter (2001) an: „The definition of a business model is murky at best.”[6] Ebenso stellt Teece (2010) fest, dass dem Geschäftsmodell eine theoretische Fundierung fehlt.[7] Jedoch existieren in der Literatur zahlreiche Ansätze zur Definition von Geschäftsmodellen.[8] Im Folgenden sollen ausgewählte Definitionen gegenübergestellt werden.
Teece (2010) sieht den Kern von Geschäftsmodellen in der Festlegung, wie das Unternehmen für den Kunden Wert schafft und den Kunden zu Zahlungen für diese Wertschaffung ermutigt, um daraus Gewinne zu erwirtschaften. Es spiegle daher die Annahmen des Managements über Kundenbedürfnisse und die nötige Organisationsstruktur zur Deckung dieser Bedürfnisse wider.[9] Timmers (1998) definiert ein Geschäftsmodell als Architektur für Produkt-, Service- und Informationsflüsse, in der auch die Aufgaben und Funktionen verschiedener Leistungspartner eine Betrachtung finden. Des Weiteren gehört nach Timmers ebenso eine Erläuterung der Ertragsgenerierung zur Definition des Geschäftsmodells.[10] Auch Osterwalder, Pigneur und Tucci (2005) schreiben dem Geschäftsmodell einen analytischen Charakter zu, wodurch es möglich ist, Beziehungen und Konzepte von Unternehmen in der Weise darzustellen, dass komprimiert ausgedrückt werden kann, welchen Wert das Unternehmen dem Kunden wie anbietet und wie sich daraus finanzielle Konsequenzen ableiten lassen.[11] Ebenso äußert sich Zollenkop (2006), für den das Geschäftsmodell als strategisches Instrumentarium dient, mit dem die Geschäftstätigkeit ganzheitlich analysiert, beschrieben und gestaltet werden kann. Für Wirtz (2010) bildet ein Geschäftsmodell den innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess in abstrakter und gebündelter Weise ab und zeigt somit in stark vereinfachter Form, wie im Unternehmen aus Ressourcen marktfähige Absatzprodukte entstehen. Diese Definition umschließt auch die Umsetzung der Geschäftsstrategie durch entsprechende Ressourcenkombinationen und die Rollenverteilung der am Leistungserstellungsprozess beteiligten Akteure.[12] Stähler (2001) definiert das Geschäftsmodell ebenfalls als eine modellhafte Abbildung des Geschäftskonzepts, das aus den drei Hauptkomponenten der Value Proposition, der Architektur der Wertschöpfung und dem Ertragsmodell besteht.[13] Für Rentmeister und Klein (2003), die mit ihrer Definition im Wesentlichen Timmers (1998) und Stähler (2001) folgen, dient das Geschäftsmodell als strategisches Planungsinstrument und ermöglicht den Austausch zwischen allen beteiligten Akteuren, Investoren, Mitarbeitern und Kunden. Weiter sehen sie die Möglichkeit, das Geschäftsmodell als Analyseinstrument für Innovationen zu verwenden, um damit interne Beziehungen von Unternehmen sichtbar zu machen und so eine Überprüfung und Bewertung von innovativen Ideen und Konstrukten vornehmen zu können.[14] Rentmeister und Klein stellen damit besonders den Analysecharakter des Geschäftsmodells heraus.[15] Für Meinhardt (2002) bietet das Konstrukt des Geschäftsmodells die Möglichkeit, bei sich im Wandel befindlichen Industrien die Chancen und Risiken differenzierter Geschäftsanordnungen herauszuarbeiten und daraus mögliche Zukunftsperspektiven für Unternehmungen abzuleiten.[16] Einem Außenstehenden soll es durch das Konzept des Geschäftsmodells möglich sein, einen überblicksartigen Eindruck über die unternehmensindividuelle Wertschöpfung und die dadurch generierten Wettbewerbsvorteile zu erlangen.[17] Lutz (2014) stellt noch den besonderen Mehrwert der Geschäftsmodellanalyse für die aufsichtliche Prüfung heraus, da das Geschäftsmodell die Möglichkeit bietet, Gefahrenquellen auf Ebene der Geschäftsfelder frühzeitig identifizieren zu können, wodurch dem Geschäftsmodell eine Frühwarnfunktion innewohnt.[18]
Zentrale Bestandteile aller Definitionen und Funktionsbeschreibungen sind die Darstellung des Analyse- und Gestaltungscharakters von Geschäftsmodellen und die Implementierung der Wertschaffung für den Kunden. Ferner kann mit dem Geschäftsmodell in abstrakter Form veranschaulicht werden, wie das Unternehmen durch die Gestaltung von Leistungsbeziehungen und die Erfüllung von Kundenbedürfnissen Erträge erzielt. Des Weiteren können neue Ideen und Konzepte systematisch bewertet werden. Daher scheint das Konstrukt des Geschäftsmodells einen geeigneten Analyserahmen für die sich im Wandel befindliche Finanzdienstleistungslandschaft zu bieten.
Wie aus Kapitel 2.1.1 hervorgeht, sollte ein Geschäftsmodell zwecks einer alle Aspekte umfassenden Betrachtung sowohl interne als auch externe Faktoren berücksichtigen. Zur Erreichung dieses Ziels darf sich ein Geschäftsmodell weder ausschließlich auf die innerbetriebliche Wertschöpfung noch auf die Charakterisierung des Marktumfeldes und die Positionierung in eben diesem beschränken.[19] Um dieser ganzheitlichen Betrachtungsweise gerecht zu werden, soll im Folgenden stellvertretend für die externen Faktoren der Market-based View und für die internen Faktoren der Resource-based View dargestellt werden.
Beim Market-based View (MbV), der im Wesentlichen auf Porter[20] zurückzuführen ist, betrachtet das Unternehmen den umliegenden Markt und nimmt diesen als Ausgangspunkt für die Analyse der Branche und Wettbewerbsintensität, um sich strategisch zu positionieren. Zentral für die Untersuchungen ist dabei das von Bain (1968) und Mason (1939) entwickelte Structure-Conduct-Performance-Paradigma (SCP-Paradigma), wonach ein kausaler Zusammenhang zwischen der Struktur des Marktes, dem Verhalten der Marktakteure und deren Erfolg besteht.[21] So führt Porter Unterschiede in der Performance von Unternehmen maßgeblich auf die Attraktivität der Branche zurück[22], in der das Unternehmen operiert, und auf die Positionierung in dieser Industrie.[23] Um die Wettbewerbsintensität für Unternehmen messbar zu machen, entwickelte Porter das Konzept der fünf Wettbewerbskräfte, die sogenannten Five Forces [24]. Dieses Konzept fußt auf dem Gedanken, dass die Attraktivität einer Branche im Wesentlichen durch die Verhandlungsmacht der Abnehmer, die Verhandlungsstärke der Lieferanten, die Bedrohung durch Substitutionsprodukte, die Bedrohung durch potenzielle Konkurrenten sowie den brancheninternen Wettbewerb determiniert wird.[25] Abhängig vom Intensitätsgrad der Marktmacht dieser fünf Kräfte resultiert die Attraktivität der Branche und damit die Möglichkeit, ökonomische Erfolge zu erzielen. Mit zunehmendem Intensitätsgrad wird es für Unternehmen immer schwieriger, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.[26] Neben der Betrachtung der Struktur des Marktes widmete sich Porter auch dem Verhalten der Wettbewerber. Im Rahmen der Konkurrenzanalyse, in der Strategien und Handlungsoptionen der Wettbewerber betrachtet werden, existieren nach Porter drei Strategien, wie sich Unternehmen langfristig Wettbewerbsvorteile im Markt sichern können. Das Unternehmen kann danach zwischen der Kostenführerschaft, der Differenzierungsstrategie oder der Konzentration auf Schwerpunkte, also einer Nischenpolitik, wählen.[27] Während sich das Unternehmen bei der Kostenführerschaft für eine Abgrenzung von den Wettbewerbern über den Preis entscheidet, strebt es im Rahmen der Differenzierungsstrategie an, sich durch einen einmaligen Kundennutzen von der Konkurrenz abzuheben.[28] Bei der Nischenstrategie konzentrieren sich Unternehmen zumeist auf ein Geschäftsfeld, wobei innerhalb dieser Strategie sowohl eine Kostenführerschaft als auch eine Differenzierungsstrategie denkbar ist. Sie versuchen, durch diese Fokussierung einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.[29] Weiter ist mit der von Porter entwickelten Wertschöpfungskette eine differenzierte Analyse der Leistungserbringung von Unternehmen im Vergleich zu Wettbewerbern möglich. Durch eine isolierte Betrachtung der einzelnen Wertschöpfungselemente ist es möglich, diejenigen Aktivitäten zu identifizieren, die Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen können.[30] Wettbewerbsvorteile können generiert werden, wenn durch eine geschickte Kombination der Wertschöpfungsaktivitäten eine höhere Marge im Vergleich zur Konkurrenz erzielt werden...