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E-Book

Angelus Silesius

Textauswahl und Kommentar von Gerhard Wehr

AutorAngelus Silesius
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783843801980
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Eine Auswahl aus dem 'Cherubinischen Wandersmann' 'Was man von Gott gesagt, genüget mir noch nicht; Die Über-Gottheit ist mein Leben und mein Licht.' 'Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.' 'Mensch, werde wesentlich, denn wenn die Welt vergeht, so fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.' Die berühmten Zweizeiler des 'Cherubinischen Wandersmanns' aus der Feder Johann Schefflers, genannt 'Angelus Silesius' (1624-1677), gehören zu den Perlen mystischer Literatur der Barockzeit. Sie atmen den Geist eines Meister Eckhart, Jakob Böhme und anderer, von der inneren Glut der Gotteserfahrung Ergriffener. In ebenso kühnen wie scharf ausgeprägten Versen bezeugt er dieses Erleben. Einführend und knapp kommentierend bietet Gerhard Wehr eine konzentrierte Auswahl des Buches, das Unzähligen längst zu einem geistlichen Vademecum (Begleitbuch) geworden ist. Er zeichnet den Weg des jungen Arztes nach, der in den Niederlanden auf seinen schlesischen Landsmann Jakob Böhme aufmerksam wurde und nach schweren Auseinandersetzungen mit lutherischen Theologen zu einer Verinnerlichung seiner Spiritualität gelangt ist.

Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit auf verschiedenen Feldern der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet.

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Leseprobe

II. Der cherubinische Wandersmann
(Textauswahl)


Das erste Buch


1. Was fein ist, das besteht

Rein wie das feinste Gold, steif wie ein Felsenstein,

Ganz lauter wie Kristall soll dein Gemüte sein.

2. Die ewige Ruhestätt

Es mag ein andrer sich um sein Begräbnis kränken

Und seinen Madensack15 mit stolzem Bau bedenken,

Ich sorge nicht dafür: Mein Grab, mein Fels und Schrein,

In dem ich ewig ruh, solls Herze Jesu sein.

3. Gott kann allein vergnügen

Weg, weg ihr Serafim, ihr könnt mich nicht erquicken,

Weg, weg, ihr Heiligen und was an euch tut blicken.

Ich will nun eurer nicht, ich werfe mich allein

Ins ungeschaffne Meer der bloßen Gottheit ein.

4. Man muss ganz göttlich sein

Herr, es genügt mir nicht, dass ich dir englisch16 diene

Und in Vollkommenheit der Götter vor dir grüne.

Es ist mir viel zu schlecht und meinem Geist zu klein;

Wer dir recht dienen will, muss mehr als göttlich sein.

5. Man weiß nicht, was man ist

Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß;

Ein Ding und nicht ein Ding, ein Tüpfchen und ein Kreis.

6. Du musst, was Gott ist, sein

Soll ich mein letztes End und ersten Anfang finden,

So muss ich mich in Gott und Gott in mir ergründen.

Und werden das, was er: Ich muss ein Schein im Schein,

Ich muss ein Wort im Wort, ein Gott in Gotte sein.

7. Man muss noch über Gott

Wo ist mein Aufenthalt? Wo ich und du nicht stehen.

Wo ist mein letztes End, in welches ich soll gehen?

Da, wo man keines findt. Wo soll ich denn nun hin?

Ich muss noch über Gott in eine Wüste ziehn.

8. Gott lebt nicht ohne mich

Ich weiß, dass ohne mich Gott nicht ein Nu17 kann leben:

Werd ich zunicht, er muss von Not den Geist aufgeben.

9. Ich habs von Gott und Gott von mir

Dass Gott so selig ist und lebet ohn Verlangen,

Hat er sowohl von mir als ich von ihm empfangen.

10. Ich bin wie Gott und Gott wie ich

Ich bin so groß wie Gott, er ist als ich so klein;

Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.

11. Gott ist in mir und ich in ihm

Gott ist in mir das Feur und ich in ihm der Schein;

Sind wir einander nicht ganz inniglich gemein?

12. Man muss sich überschwenken

Mensch, wo du deinen Geist schwingst über Ort und Zeit,

So kannst du jeden Blick sein in der Ewigkeit.

13. Der Mensch ist Ewigkeit

Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse

Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.

14. Ein Christ so reich als Gott

Ich bin so reich als Gott, es kann kein Stäublein sein,

Das ich – Mensch glaube mir – mit ihm nicht hab gemein.

15. Die Über-Gottheit

Was man von Gott gesagt, das gnüget mir noch nicht,

Die Über-Gottheit ist mein Leben und mein Licht.

16. Die Liebe zwingt Gott

Wo Gott mich über Gott nicht sollte wollen bringen,

So will ich ihn dazu mit bloßer Liebe zwingen.

17. Ein Christ ist Gottes Sohn

Ich auch bin Gottes Sohn, ich sitz an seiner Hand:

Sein Geist, sein Fleisch und Blut ist ihm an mir bekannt.

18. Ich tue es Gott gleich

Gott liebt mich über sich, lieb ich ihn über mich,

So geb ich ihm so viel, als er mir gibt aus sich.

19. Das selige Stillschweigen

Wie selig ist der Mensch, der weder will noch weiß,

Der Gott, versteht mich recht, nicht gibet Lob noch Preis.

20. Die Seligkeit steht bei dir

Mensch, deine Seligkeit kannst du dir selber nehmen,

So du dich nur dazu willst schicken und bequemen.

21. Gott löst sich, wie man will

Gott gibet niemand nichts, er stehet allen frei,

Dass er, wo du nur ihn so willst, ganz deine sei.

22. Die Gelassenheit

So viel du Gott gelässt, so viel mag er dir werden,

Nicht minder und nicht mehr hilft er dir aus Beschwerden.

23. Die geistliche Maria

Ich muss Maria sein und Gott aus mir gebären,

Soll er mir ewiglich die Seligkeit gewähren.

24. Du musst nichts sein, nichts wollen

Mensch, wo du noch was bist, was weißt, was liebst, was hast,

So bist du, glaube mir, nicht ledig deiner Last.

25. Gott ergreift man nicht

Gott ist (ja) lauter Nichts, ihn rüht kein Nun noch Hier:

Je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird er dir.

26. Der geheime Tod

Tod ist ein selig Ding: Je kräftiger er ist,

Je herrlicher daraus das Leben wird erkiest18.

27. Das Sterben macht Leben

Indem der weise Mann zu tausendmalen stirbet,

Er durch die Wahrheit selbst um tausend Leben wirbet.

28. Der allerseligste Tod

Kein Tod ist seliger als in dem Herren sterben

Und um das ewge Gut mit Leib und Seel verderben.

29. Der ewige Tod

Der Tod, aus welchem nicht ein neues Leben blühet,

Der ist’s, den meine Seel aus allen Toden fliehet.

30. Es ist kein Tod

Ich glaube keinen Tod, sterb ich gleich alle Stunden,

So hab ich jedes Mal ein besser Leben funden.

31. Das immerwährende Sterben

Ich sterb und lebe Gott: Will ich ihm ewig leben,

So muss ich ewig auch für ihn den Geist aufgeben.

32. Gott stirbt und lebt in uns

Ich sterb und leb auch nicht: Gott selber stirbt in mir,

Und was ich leben soll, lebt er auch für und für.

33. Nichts lebet ohne Sterben

Gott selber, wenn er dir will leben, muss er sterben;

Wie, denkst du, ohne Tod sein Leben zu ererben?

34. Der Tod vergottet dich

Wenn du gestorben bist und Gott dein Leben worden,

So trittst du erst recht ein in der hohen Götter Orden.

35. Der Tod ist das beste Ding

Ich sage, weil allein der Tod mich machet frei,

Dass er das beste Ding aus allen Dingen sei.

36. Kein Tod ist ohne ein Leben

Ich sag, es stirbet nichts; nur dass ein ander Leben,

Auch selbst das peinliche, wird durch den Tod gegeben.

37. Die Unruh kommt von dir

Nichts ist, das dich bewegt, du selber bist das Rad,

Das aus sich selber läuft und keine Ruhe hat.

38. Gleichschätzung macht Ruh

Wenn du die Dinge nimmst ohn allen Unterscheid,

So bleibst du still und gleich in Lieb und auch in Leid.

39. Die unvollkommne Gelassenheit

Wer in der Hölle nicht kann ohne Hölle leben,

Der hat sich noch nicht ganz dem Höchsten übergeben.

40. Gott ist das, was er will

Gott ist ein Wunderding: Er ist das, was er will,

Und will das, was er ist, ohn alle Maß und Ziel.

41. Gott weiß sich selbst kein Ende

Gott ist unendlich hoch, Mensch, glaube das behende.

Er selbst findt ewiglich nicht seiner Gottheit Ende.

42. Wie gründet sich Gott?

Gott gründt sich ohne Grund und misst sich ohne Maß;

Bist du ein Geist mit ihm, Mensch, so verstehst du das.

43. Man liebt auch ohne Erkennen

Ich lieb ein einzig Ding und weiß nicht, was es ist,

Und weil ich es nicht weiß, drum hab ich es erkiest19.

44. Das Etwas muss man lassen

Mensch, so du etwas liebst, so liebst du nichts fürwahr,

Gott ist nicht dies und das, drum lass das Etwas gar.

45. Das vermögende Unvermögen

Wer nichts begehrt, nichts hat, nichts weiß, nichts liebt, nichts will,

Der hat, der weiß, begehrt und liebt noch immer viel.

46. Das selige Unding

Ich bin ein seligs Ding, mag ich ein Unding sein,

Das allem, was da ist, nicht kund wird noch gemein.

47. Die Zeit ist Ewigkeit

Die Zeit ist Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit,

So du nur selber nicht machst einen Unterscheid.

48. Gottes Tempel und Altar

Gott opfert sich ihm selbst: Ich bin in jedem Nu

Sein Tempel, sein Altar, sein Betstuhl, so ich ruh.

49. Die Ruh ists höchste Gut

Ruh ist das höchste Gut: Und wäre Gott nicht Ruh,

Ich schlösse vor ihm selbst mein Augen beide zu

50. Der Thron Gottes

Fragst du, mein Christ, wo Gott gesetzt hat seinen Thron?

Da, wo er dich in dir gebieret, seinen Sohn.

51. Die Gleichheit Gottes

Wer unbeweglich bleibt in Freud, in Leid, in Pein,

Der kann nunmehr nicht weit von Gottes Gleichheit20 sein

52. Das geistliche Senfkorn

Ein Senfkorn21 ist mein Geist: Durchscheint ihn seine Sonne,

So wächst er Gotte gleich mit freudenreicher Wonne.

53. Die Tugend sitzt in Ruh

Mensch, wo du Tugend wirkst mit Arbeit und mit Müh,

So hast du sie...

Blick ins Buch

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