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Anmerkungen zur psychopathologischen Dynamik serieller Sexual- und Tötungsdelikter

AutorManfred J. Foerster
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783961461851
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Sich mit den dunklen seelischen Abgründen serieller Sexual- und Tötungsdelikter zu beschäftigen, deren Persönlichkeitsprofil zu analysieren bedeutet, über die kriminologischen Ermittlungen hinaus, in präventiver Absicht den potentiellen Täterkreis in strafrechtlicher Hinsicht realistisch einzuschätzen, vor allem in Bezug auf Tatbegehung und Wiederholungsgefahr. Die hier vorliegende Vorlesungsreihe, gehalten an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und an der Hessischen Justizvollzugsakademie Wiesbaden folgt in ihren Einschätzungen und Analysen dieses höchst problematischen Personenkreises weitgehendst den empirischen Erkenntnissen und Erfahrungen des Schweizer Modells nach Urbaniok et.al. 'Im Zweifelsfall für die Sicherheit der Bevölkerung', und leistet somit einen fachspezifischen Beitrag zur Prävention solch schwerwiegender strafrechtlicher Tatbestände und darüber hinaus auch eine Form des Opferschutzes.

Dr. phil. Manfred J. Foerster studierte Soziologie, Psychologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften in Aachen und an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und promovierte bei Micha Brumlik in Heidelberg über die Analytische Psychologie und Archetypenlehre C.G. Jungs. Außerdem machte er eine Gesangsausbildung als Operntenor in Aachen, Wiesbaden und Mainz. Er leitete über 20 Jahre die Beratungs- und Fortbildungsstelle für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen des Hessischen Strafvollzuges und war als Lehrbeauftragter an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Fachbereich Erziehungswissenschaft, an der Hessischen Justizvollzugsakademie Wiesbaden sowie an der Thüringischen Justizvollzugsschule Suhl-Goldlauter tätig, mit den Schwerpunkten: Frühkindliche Bindungserfahrungen und Sozialisation, Ursachen und Auswirkungen von Persönlichkeitsstörungen sowie Persönlichkeitsprofile serieller Sexual- und Gewaltdelikter.

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Leseprobe
Narzißmus und Pathogenese von Gewalt- und Sexualdeliktern Frühkindliche Entwicklung und primärer Narzißmus Die Beziehung zwischen Kind und Mutter während der ersten Lebensphasen spielt im menschlichen Leben eine entscheidende Rolle. Sie ist gewissermaßen die Urerfahrung aller späteren mitmenschlichen Beziehungen und somit die Voraussetzung zu stabilen und ganzheitlichen Objektbeziehungen. In der Entwicklung des Kindes wird die mütterliche Bezugsperson aus Gründen lebensnotwendiger, Abhängigkeit unabdingbar benötigt. Darüberhinaus bedarf es ebenso eines beschützenden Umfeldes, in der Regel die Familie. Durch die Art und Weise einer mütterlichen Beziehung, die Qualität ihrer versorgenden, beschützenden und emotionalen Intervention sowie die des familialen Umfeldes, entscheidet sich relativ frühzeitig, welche Möglichkeiten und Instrumente dem erwachsenen Menschen späterhin zur Bewältigung seiner Lebensaufgaben zur Verfügung stehen, und wie er aufgrund seiner erworbenen Handlungskompetenz Konfliktsituationen bewältigen kann. Außerdem scheint ebenso die Entfaltung einer positiven Emotionalität, die Entwicklung einer stabilen Ich-Struktur sowie die Präsenz kognitiver (d.h. vom Verstand her) und sozialer Intelligenz im wesentlichen vom dauerhaften Familien- und Erziehungsklima abzuhängen und wie sich innerhalb dieses familiären Umfeldes Urvertrauen entwickeln konnte. Erst wenn diese Voraussetzungen dauerhaft erfüllt sind, kann sich eine unverwechselbare positiv getönte Identität des Kindes entfalten. Der Weg dahin führt entwicklungspsychologisch und pädagogisch über die schrittweise Überwindung des kindlichen primären Narzißmus. Erst die Überwindung des primären Narzissmus und seine Transformation in reifere Formen eines gesicherten, positiven Selbstkonzeptes im Erwachsenenalter, ermöglichen die Entfaltung von Autonomie und Selbstverantwortung. Unter Selbstkonzept verstehen wir jenes Eigenbild, welches wir über uns selbst besitzen und die Art und Weise, wie wir gemäß diesem Eigenbild unsere sozialen Beziehungen gestalten, unsere Stärken erkennen und unser Schwächen und Grenzen akzeptieren lernen. Dieses positiv besetzte Eigenbild oder auch genauer gesagt, unser Selbstverständnis übernimmt im Erwachsenenalter gewissermaßen eine 'elterliche' Schutzfunktion um uns vor riskanten Aktionen zu bewahren und unsere Identität zu stabilisieren, so daß wir auch an unvermeidlichen Krisen nicht zerbrechen. Der Familientherapeut und Psychoanalytiker Helm Stierlin ist der Auffassung, daß das Beziehungsmuster zwischen dem Säugling/Kind und seiner Mutter, bzw. der mütterlichen Bezugsperson, anderen Regeln und Gesetzen unterliegt und spezifisch anderen Bedingungen folgt als jede andere Art der menschlichen Beziehung. Die mütterliche Beziehung deckt die grundsätzliche Verlorenheit und Bedingtheit der menschlichen Existenz auf, die vor jeder Eigenverantwortung steht und deren Bewältigung und Überwindung erst die Voraussetzung zur Selbstständigkeit schafft. Die Eigentümlichkeit jedweder menschlichen Beziehung nach gegenseitiger Anerkennung, Wertschätzung und Bedürfnisbefriedigung scheint hier reduziert auf eine elementare einseitige Abhängigkeit in der Form eines gewissermaßen 'autistisch anmutenden Narzißmus' des Säuglings, welcher zu diesem Zeitpunkt das Objekt der Mutter als ein eigenständiges Wesen noch nicht erkennen und sich selbst noch nicht als handelndes Subjekt wahrnimmt. Seine Wahrnehmungsfähigkeit zu diesem frühen Zeitpunkt scheint auf den bloßen Zustand grenzenloser Zufriedenheit oder im negativen Fall existenzbedrohlicher Vernichtungsangst ausgerichtet zu sein, wenn seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht dauerhaft befriedigt werden. In der Beziehung zwischen Mutter und Kind treten von Seiten des Kindes soziale und psychische Faktoren in Erscheinung, welche seinen narzißtischen Zustand betonen, der sich durch die bereits erwähnte große Abhängigkeit des Kindes von seiner Mutter bemerkbar macht. Hierdurch wird die Mutter in einem Maße zum stärkeren und omnipotenten Partner gemacht, wie dies kaum in einer anderen Beziehung der Fall ist. Gleichwohl wirken die kindlichen Triebregungen, Bedürfnisse und Emotionen in einer vergleichsweise primitiven Weise, die zugleich mächtig und polymorph- perverse Wesenszüge aufweisen, d.h. archaisch und ungerichtet sind, jedoch der Differenzierung durch Sprache und verschiedenen Ich-Funktionen, wie etwa reifere Formen von Abwehrmechanismen oder ihrer Beherrschung durch Denken entbehren. Demgegenüber besitzt die Mutter bereits eine Sprache und somit Werkzeuge und die Möglichkeit, die psychische Realität zu bestimmen und zu manipulieren. Am Beispiel einer narzißtischen Besetzung des Kindes durch die Mutter, die eine pathologische Qualität besitzt zeigt sich, daß das Kind gezwungen wird, jede mütterliche Definition der psychischen Realität anzunehmen und zwar um seiner selbst willen und um in den frühesten Stadien seiner Kindheit überleben zu können. Und dies ist vornehmlich während der oralen Phase der Fall. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch darin, daß selbst bei Vernachlässigung und körperlicher Mißhandlung, das Kind dennoch untrennbar mit der Mutter verbunden bleibt und stets ihre Nähe sucht. Zur Überwindung des primären Narzißmus ist von entscheidender Bedeutung, in welcher Art und Weise sich die sogenannten Über-Ich-Vorläufer dem Kinde gegenüber unbewußt präsentierten. Die Über-Ich-Vorläufer wirken in jenem Stadium der kindlichen Entwicklung, wo dieses weder über Sprache, noch ein Subjekt-Objekt-Verständnis besitzt, also während der ersten frühen oralen Phase. Die sogenannten Über-Ich-Vorläufer, wie Kernberg sie formuliert, sind die Summe jener frühkindlichen Erfahrungen auf der oralen Versorgungsebene, sie prägen die Qualität des späteren individuellen Über- Ichs und tragen somit zur Gewissensbildung bei. Die Qualität der Über- Ich- Vorläufer, so wie das Kind diese erlebt, ist wesentlich davon abhängig, wie seine existentielle Grundversorgung stattfindet oder auch nicht stattfindet, bzw. mit traumatischen Ereignissen einhergeht. Struktur der sogenannten Über-Ich-Vorläufer Eltern repräsentieren in den ersten Lebensmonaten ihres Kindes durch die Art und Weise ihrer ständigen elterlichen Handlungen und Verhaltensweisen ein System psychischer und körperlicher Erfahrung, welches in den unbewußten und späterhin bewußten Wahrnehmungen des Kindes als Erfahrung von Gewißheit versus Ungewißheit; Vertrauen versus Mißtrauen; Lusterfüllung versus Vernichtungsempfindungen als existentiell bedeutsame 'Begegnung' mit der 'Welt da draußen' empfunden wird. Hierbei spielt auch eine entscheidende Rolle wie die Eltern miteinander umgehen und in welcher Art und Weise sie ihre täglichen Probleme und Konflikte lösen. Geschieht dies unter den destruktiven Bedingungen von Gewalt und Streß, so wird sich dieses ebenso auf die psychische und physische Entwicklung des Kindes mit Sicherheit negativ auswirken. Von einem regelrechten Über-Ich (Gewissen) kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesprochen werden, da die Regeln und Normen als solche noch nicht wahrgenommen werden können. Insofern existiert auch noch kein moralisches Gewissen als Regulativ gegen Normenverstöße. Auch ist der Säugling in diesem Stadium seiner Entwicklung noch nicht in der Lage diese Regeln und Normen in seinem familialen Umfeld zu verknüpfen und entsprechende sozial angepaßte Verhaltensweisen zu produzieren. Außerdem verfügt das Kind in dieser Phase noch nicht über eine gesicherte Ich-Identität, die im Spannungsfeld von Es (Triebe und deren Bedürfnisse) und einer anerkannten Über-Ich-Instanz, sich im Konflikt zwischen Trieberfüllung und Triebaufschub mittels Verdrängung und/oder Sublimierung behaupten müßte. Mit anderen Worten, der Säugling kann noch nicht entscheiden, ob seine Triebbedürfnisse und deren Befriedigung sich im Einklang mit den sozialen Normen des jeweiligen kulturellen Umfeldes befinden. Es ist daher auf Erziehung durch die elterlichen Bezugspersonen angewiesen, bzw. wie diese die Befriedigung, Steuerung d.h. Sublimierung oder auch zeitweise Versagung dieser Bedürfnisse vermitteln. Dennoch besitzen die Über-Ich-Vorläufer eine verbindliche und weitgehend bestimmende Funktion in Bezug auf künftige Erwartungshaltungen und Bindungsbedürfnisse von Seiten des Kindes sowie der moralischen Standards, die im späteren Leben des Jugendlichen und Erwachsenen an Bedeutung gewinnen. Da im Falle einer negativen Besetzung der Über-Ich-Vorläufer die traumatischen Bilder und Ereignisse im Unterbewußtsein verbleiben, sind sie hinsichtlich für die Qualität und Ausformung späterer Über-Ich Strukturen (d.h. eben auch für die Gewissensbildung), die sich allmählich während des Sozialisations- und Erziehungsprozeß des Kindes herausbilden, entscheidend. Dies ist vor allem im negativen Sinne bedeutsam, etwa bei psychischer und körperlicher Vernachlässigung, Mißbrauch und Mißhandlung. Die Über-Ich-Vorläufer, bzw. deren elterliche Instanzen werden dann als aggressiv und bedrohlich erlebt und mit bösartigen Attributen besetzt. Im Hinblick auf die spätere Gewissensbildung führen solche Erfahrungen während dieser frühkindlichen Phase erfahrungsgemäß zur Ausbildung eines sogenannten 'pathologischen Über-Ich', wie wir dieses bei antisozialen Persönlichkeiten beobachten können, die grundsätzlich Regel, Normen und die Grenzen anderer mißachten. Wurden die Über-Ich-Vorläufer, bzw. die sie vermittelnden Bezugspersonen vom Kind als bspw. versorgend, empathisch, beschützend und haltend erlebt, bildet sich Vertrauen in die 'Welt da draußen' aus und ein gutes befriedigendes Gefühl zu sich selber und den Bezugspersonen stellt sich ein. Die Eltern als 'Über-Ich-Instanzen' werden positiv wahrgenommen und somit die Bildung eines moralischen Bewußtseins unterstützt. Bei entsprechenden Versagungen, Traumatisierungen jeglicher Art und permanenter Vernachlässigung elementarer Bedürfnisse, werden die elterlichen Über-Ich -Vorläufer als 'oral aggressiv' (Kernberg) erlebt. Oral deswegen, weil das Kind zu diesem Zeitpunkt die Objekte oral wahrnimmt, bzw. sich über Mundkontakte aneignet (Orale Phase). Kernberg zufolge bildet sich ein aggressiv-oral besetzter Kernkonflikt heraus, der wesentlich zu späteren narzißtischen Persönlichkeitsstörungen im Sinne von Borderline-Persönlichkeiten bis hin zu antisozialen Persönlichkeitsstörungen führen kann. Spätere Erwartungs- und Bindungshaltungen sind daher mit Angst, Mißtrauen und durch ein unsicheres Selbstkonzept (selbstunsichere Persönlichkeit) belastet. Nicht nur das eigene Selbst wird als unwert erlebt, sondern auch die umgebende Welt und ihre Objekte erscheinen durch die dauerhaft erlebten schlechten frühkindlichen Erfahrungen feindlich und daher bedrohlich und angstauslösend, was im ungünstigsten Falle zu der borderline-typischen frei 'flottierenden Angst' führen kann. Diese frei flottierende Angst ist nicht an bestimmte Personen oder Ereignissen gebunden, sondern ist als dauerhaftes Gefühl von Selbstunsicherheit, Depressivität, Mißtrauen und innerer Leere einfach 'da'. Zur Reduzierung dieser frei flottierenden Angst, die es dem Individuum unmöglich macht, seine Objektwelt differenziert und ohne extremen Streß wahrzunehmen und sich mit ihr konstruktiv auseinanderzusetzen, werden daher primitive Abwehrmechanismen eingesetzt, die die archaischen Sequenzen der frühen Kindheit widerspiegeln und in denen die weitgehend negativen Erfahrungen mit den frühen Bezugspersonen auftauchen und die gegenwärtigen Beziehungen belasten. Auf der unbewußten Verhaltensebene werden sie daher rekonstruiert, so daß der persönlichkeitsgestörte Erwachsene in seinen interpersonalen Beziehungen die frühen traumatischen Erfahrungen als innerpsychisch präsente Dramen ausagiert. Er inszeniert gewissermaßen auf einer unbewußten Ebene seine introjizierten archaischen Eltern-Bilder, bzw. die traumatischen Erfahrungen mit ihnen, auf die ihn umgebende Welt und deren Personen, bzw. Objekte. Im Kontakt mit anderen Menschen, vor allem in Streßsituationen, wie wir sie des öfteren unter den Bedingungen des geschlossenen Strafvollzuges vorfinden, wird er dann jene traumatischen Erfahrungen in der Art und Weise ausagieren wie er diese mit seinen elterlichen Bezugspersonen gemacht hat. Da sein Selbstkonzept aufgrund dieser entwicklungspsychologisch bedingten Schwächung dem mehr oder weniger ausgeliefert ist, kann es auch kaum zu einer reifen und ganzheitlichen Form der Objektbeziehungen kommen. Die Bezugspartner werden dann in Form von 'Märchenfiguren' in ein schwarz-weiß- Schema eingeordnet innerhalb dessen Pole, extreme Idealisierungen oder radikale Entwertungen vorgenommen werden. Entweder sind sie idealisierte Feen oder schützende Ritter, oder im negativen Fall bösartige Hexen und vernichtende Zauberer oder sonstige Dämonen vor denen man sich in Acht nehmen muß. D. h. diesen Personen wird mit permanentem Mißtrauen und Feindseligkeit begegnet. Dem Individuum fehlt es somit an einer tragenden und verbindlichen Dauerhaftigkeit seiner mitmenschlichen Beziehungen, sowie der Fähigkeit sich in die Gefühle und Interessen anderer hineinzuversetzen und an einem gesicherten und verläßlichen positiv besetzten Über-Ich-Ideal, welches den Handlungen und Beziehungen eine sozial vernünftige Gestaltung gibt. Persönlichkeitsstörungen sind daher immer auch weitgehend Störungen der Ich-Strukur eines Menschen, d.h. seiner emotionalen Steuerungsmöglichkeiten zur Lösung von Konflikten und seiner sozialen Handlungskompetenz. Zur Bewältigung der bedrohlich erscheinenden Objektbeziehungen setzt der persönlichkeitsgestörte Jugendliche oder Erwachsene durchgängig primitive (archaische) Abwehrmechanismen ein, vorzugsweise die der Spaltung. Die Spaltung dient der Reduzierung seiner frei flottierenden Angst gegenüber anderen Menschen und Ereignissen.
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