Die Einführung der Teamarbeit in der Produktion wird aufgrund veränderter Bedingungen für die Teammitglieder langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn dabei auch eine Neugestaltung des Entgeltsystems vorgenommen wird. Neben den allgemeinen Anforderungen an ein Anreizsystem sind hier noch einige zusätzliche Besonderheiten zu berücksichtigen. So gilt es, ein kooperatives Verhalten der Teammitglieder zu fördern, ohne allerdings die individuelle Leistungsbereitschaft zu schwächen.[73] Deshalb ist es sinnvoll, sowohl die Teamleistungen als auch die Einzelleistungen zu honorieren. Das Entgeltsystem ist stets tarifvertragskonform zu gestalten. Es soll ferner das Führen mit Zielen unterstützen und den kontinuierlichen Verbesserungsprozeß fördern.[74] Zudem müssen Anreize geschaffen werden, die die Ziele der Teamarbeit zu verwirklichen helfen. Die materiellen Anreize betreffen die Gestaltung des Entgeltsystems, von dem aufgrund verschiedener Motivstrukturen der einzelnen Mitarbeiter sehr unterschiedliche Anreizwirkungen ausgehen können. Allerdings erzielt nur ein als gerecht empfundenes Entgelt auch die gewünschten Anreizwirkungen. Die Entgeltgerechtigkeit läßt sich unterteilen in eine Anforderungs-, Leistungs- und Marktgerechtigkeit, wobei sich das Bemühen um ein anforderungs- und leistungsgerechtes Entgelt in den Methoden der Entgeltfindung widerspiegelt.[75]
5.2.1 Anforderungsorientiertes Grundentgelt
Von einer anforderungsorientierten Entlohnung spricht man, wenn die Höhe des Entgelts die Anforderungen der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitbedingungen berücksichtigt, die ein geübter und eingearbeiteter Mitarbeiter zu erfüllen hat.[76] Bei der Berücksichtigung der Arbeitszeitbedingungen erfolgt eine Entgeltdifferenzierung nach Dauer und zeitlicher Lage der Arbeit für den Fall, daß die individuelle Arbeitszeit über die Normalarbeitszeit, die durch den tariflichen Mindestlohn beglichen wird, hinausgeht.[77] Die Differenzierung des Entgelts entsprechend der zeitlichen Lage der Arbeit findet vor allem bei der Teamarbeit im Mehrschichtbetrieb Anwendung.[78] Auf die besonderen Anforderungen, die aus der Arbeitszeit resultieren, soll nicht weiter eingegangen werden. Im folgenden gilt es, die arbeitsplatzbezogenen Anforderungen zu untersuchen.
Mit Hilfe der Arbeitsbewertung sollen die Unterschiede in den Arbeitsschwierigkeiten erfaßt, gemessen und beurteilt werden. Aufbauend auf der Stellenbeschreibung lassen sich summarische und analytische Verfahren der Arbeitsbewertung unterscheiden. Bei dem summarischen Verfahren erfolgt eine Gesamtbeurteilung der Arbeitsschwierigkeiten, so daß jeder Arbeitsplatz nur durch einen Arbeitswert repräsentiert wird. Dagegen werden bei der analytischen Methode die einzelnen Anforderungsarten je Arbeitsplatz zunächst getrennt bewertet und gewichtet. Die Summe dieser Einzelwerte ergibt den Arbeitswert der Stelle. Die Bemessung der Anforderungen kann bei beiden Verfahren durch eine Reihung oder Stufung erreicht werden. Im Falle der Reihung werden die Gesamtanforderungen bzw. die einzelnen Anforderungen getrennt entsprechend ihrem Schwierigkeitsgrad in eine Reihenfolge gebracht. Bei der Stufung erfolgt eine Festlegung von Anforderungsstufen und eine Zuordnung der Arbeitstätigkeiten mit gleicher Schwierigkeit in die gleiche Stufe. Bei den analytischen Verfahren der Arbeitsbewertung kann das 1950 entwickelte Genfer Schema angewendet werden. Es unterscheidet vier Anforderungsarten: geistige Anforderungen, körperliche Anforderungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen. Eine etwas differenziertere Betrachtung der Anforderungsarten stellt das REFA-Schema dar, das die körperlichen und geistigen Anforderungen näher unterteilt. Für beide Schemata gilt, daß ein zu starres Festhalten an diesen Anforderungsarten nicht sinnvoll ist. Es empfiehlt sich in der Praxis, den Wandel des Anforderungsspektrums an die Teammitglieder entsprechend zu berücksichtigen. So erfordert die Teamarbeit ein erhöhtes Maß an Verantwortung, nicht nur für die eigene, sondern auch für die Gesamtheit der dem Team übertragenen Aufgaben. Darüber hinaus sind bei der Teamarbeit das eigenverantwortliche Handeln, die Kooperationsbereitschaft sowie die fachliche, räumliche und zeitliche Flexibilität als besondere Anforderungen zu beachten. Die summarischen Verfahren der Arbeitsbewertung sind für die Teamarbeit nicht geeignet, denn durch die Bewertung der Arbeitstätigkeit als Ganzes werden die Anforderungen an die Teammitglieder bzgl. ihrer hohen fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenz nur bedingt erfaßt. Es bieten sich daher die analytischen Verfahren der Arbeitsbewertung oder die sog. Profilbewertungen an. Bei der Profilbewertung erfolgt eine Erfassung des Anforderungsprofils aller dem Teammitglied übertragenen Aufgaben.[79]
Je nach Art der Arbeitsteilung im Team unterscheidet man das Prinzip der Mengenteilung und das Prinzip der Artenteilung. Bei der Mengenteilung beherrscht jedes Teammitglied jede Funktion der zu erfüllenden Gesamtaufgabe. Das Team kann hier sehr flexibel reagieren, und aufgrund des hohen Anforderungsniveaus wird eine Zuordnung zu einer hohen Entgelt- bzw. Arbeitswertgruppe vorgenommen. Im Gegensatz dazu beherrscht bei dem Prinzip der Artenteilung jedes Teammitglied nur wenige Funktionen, die kein anderes Mitglied ausführen kann. Aus Unternehmungssicht vorteilhaft erfolgt hier zwar eine Einstufung in eine niedrigere Entgelt- bzw. Arbeitswertgruppe, das Team ist aber nicht in der Lage, flexibel auf veränderte Situationen zu reagieren. Das Fehlen eines Teammitglieds kann nicht durch die Teamkollegen ausgeglichen werden, sondern es muß sofort ein Ersatz aus einem Springer-Pool angefordert werden. Ziel ist es, ein Optimum zwischen Flexibilität und Entgeltsumme zu erreichen, welches eine Mischung aus Mengen- und Artenteilung bedingt. So wird es Teammitglieder geben, die alle Funktionen der Gesamtaufgabe beherrschen und solche, die einige Funktionen ständig und zusätzlich andere Funktionen nur gelegentlich ausführen. Die Summe dieser Funktionen ergibt die individuelle Arbeitsaufgabe des Teammitglieds.[80]
Die Erkenntnis, daß die Bewertung einzelner Arbeitsplätze der Tendenz der Zunahme der Teamarbeit nicht mehr gerecht wird, veranlaßte die Volkswagen AG im sog. Tarifvertrag zur Lohndifferenzierung (LoDi), eine Form der Bereichsbewertung zu vereinbaren. Man ersetzte das analytische Arbeitsplatzbewertungsverfahren durch die Bewertung von Arbeitssystemen. Unter einem Arbeitssystem versteht man eine Anzahl von Arbeitsplätzen mit ähnlichen Anforderungen. Die Tätigkeiten innerhalb des Systems werden in ihrer Gesamtheit bewertet, und das Arbeitssystem wird einer Lohngruppe zugeordnet.[81]
Die qualifikationsorientierte Grundentgeltfindung folgt nicht dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, sondern ersetzt diesen durch „Gleicher Lohn für gleiche Befähigung“. An die Stelle der Grundlohnermittlung ad rem tritt die Ermittlung ad personam. Die Entlohnung bestimmt sich nach dem vorhandenen Leistungspotential der Mitarbeiter, das man aus ihrer Qualifikation ableitet. Es richtet sich damit nach der Anzahl der Arbeitsaufgaben, die ein Mitarbeiter potentiell ausführen kann. Man spricht hier auch von einem Polyvalenzlohn. Diese Art der Entlohnung bietet einen Anreiz zur Verbesserung der Qualifikation – Voraussetzung für einen flexiblen Personaleinsatz und ein Ziel der Teamarbeit.[82]
Die qualifikationsorientierte Entlohnung kann in Form des Skill-based-pay- oder Knowledge-based-pay-Ansatzes auftreten. Bei dem Skill-based-pay-Ansatz wird der Mitarbeiter für die Anzahl seiner unterschiedlichen Fähigkeiten entlohnt, die ihn auch tatsächlich befähigen, eine weitere Tätigkeit auszuführen. Ziel ist es, eine breite Qualifikation der Mitarbeiter zu erlangen, um sie durch ihre Mehrfachqualifikation als Generalisten einsetzen zu können. Dieser Ansatz findet deshalb zunehmend Anwendung bei einer teamorientierten Arbeitsorganisation. Beim Knowledge-based-pay-Ansatz erfolgt eine Differenzierung des Grundentgelts entsprechend der formalen Qualifikation. Das bedeutet, daß nur die formalen Kriterien des Ausbildungsweges unabhängig von dem fachlichen Ausbildungsinhalt berücksichtigt werden. Ziel ist es hier, einen Anreiz für die Erlangung von Expertenwissen zu schaffen. Die Entgeltdifferenzierung erfolgt also aufgrund der erreichten Qualifikation, d.h. unabhängig davon, ob für diese Kenntnisse und Fähigkeiten in der Unternehmung Einsatzmöglichkeiten bestehen. Auch ist es möglich, nach der verwertbaren Qualifikation zu entlohnen, für die eine grundsätzliche Einsatzmöglichkeit in der Unternehmung existiert. Die IG Metall präsentierte bereits 1991 einen Vorschlag zur Einteilung von Entgeltgruppen, wobei man sich bei den Einstufungen ausschließlich an der formalen Qualifikation orientierte. Schon 1983 führte die Vögele AG ein qualifikationsorientiertes Grundentgelt...