1 Gelassenheit und Stress-Management
„Suche redlich die Wahrheit im Stillen,
bevor Du den Marktplatz betrittst und redest.
Du weißt, dass Du kein Wort zurückholst?“
Chinesische Weisheit
In diesem Kapitel werden im Einzelnen behandelt:
Wer Techniken und schlagfertige Reaktionsmöglichkeiten für Verbalattacken und andere Varianten boshafter Rhetorik kennt, beherrscht damit eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für den erfolgreichen Umgang mit Stress-Situationen. Wünschenswert ist eine innere Haltung, die Selbstzweifel und Unterlegenheitsgefühle überwindet und von ausreichendem Selbstvertrauen und Gelassenheit geprägt ist. In diesem Kapitel lernen Sie bewährte Wege zur Kontrolle des erlebten Stress-Niveaus kennen. Diese schaffen die Voraussetzung für eine erfolgreiche Disputation und für den gezielten Einsatz des dialektischen Arsenals. Die folgende Abbildung zeigt die wichtigen Ansatzpunkte zu mehr innerer Gelassenheit:
Abbildung 2: Wege zur Gelassenheit auf einen Blick
Gelassenes Handeln ist dadurch gekennzeichnet, dass man die betreffende Situation unter Kontrolle hat und in der Lage ist,
• | sicher, konzentriert und zielgerichtet seine Argumentation vorzutragen, |
• | mit kritischen Fragen und Einwänden souverän und wertschätzend umzugehen und |
• | auch dann die Übersicht zu behalten, wenn dialektische und manipulative Tricks eingesetzt werden. |
Gelassenheit zeigt sich nicht nur in der Art und Weise, wie Sie sich in Rede und Gegenrede behaupten, sondern drückt sich vor allem in Ihrer Körperhaltung, Gestik, Mimik und Sprache aus. Gelassenheit bedeutet nicht, ohne Anspannung in wichtige Gespräche und Diskussionen zu gehen. Im Gegenteil: Eine gewisse Anspannung ist ein wichtiger Sensor, um bedrohliche Signale früh wahrnehmen und das eigene „Überleben“ sichern zu können. Nehmen Sie als Beispiel eine Präsentation, bei der sich Unruhe im Auditorium breitmacht. Weil Sie sich um den Erfolg der Veranstaltung ängstigen, intervenieren Sie früh genug in geeigneter Weise: Sie fragen nach dem Verständnis der Ausführungen, eröffnen eine kleine Diskussionsrunde oder verdeutlichen noch einmal den Nutzen des vorgestellten Konzepts für die Zuhörer.
Der Dreh- und Angelpunkt sicheren Auftretens und überzeugender Argumentation liegt nicht so sehr in der mechanischen Anwendung dialektischer (äußerer) Techniken, so wichtig diese auch sind. Viel ausschlaggebender ist eine positive Einstellung zur eigenen Person, zum Thema und zum Gegenüber. Dies ist der Schlüssel zu einer selbstbewussten, gelassenen Grundhaltung.
Abbildung 3: Die Voraussetzung für Gelassenheit und Stress-Abbau
Anhand der drei Dimensionen eigene Person, Thema und Zuhörer werden im Folgenden Anregungen gegeben, wie Sie Ängste und negative „innere Dialoge“ überwinden und Selbstvertrauen und Gelassenheit fördern können.
1 Positive Einstellung zur eigenen Person
Ängste und Stress-Situationen werden in vielen Fällen dadurch verursacht, dass man innere Dialoge („Glaubenssätze“) für sich selbst formuliert, die Selbstzweifel und Unterlegenheitsgefühle verursachen. Hier einige Beispiele für belastende Gedanken, die häufig mit überzogenen Ansprüchen an die eigene Person zu tun haben:
• | „Ich muss perfekt sein. Ich darf mir keine Blöße geben.“ |
• | „Ich fühle mich meinem Gegenüber unterlegen.“ |
• | „Ich tue alles, um die Anerkennung der anderen zu bekommen.“ |
• | „Ich habe Angst, den Faden zu verlieren und einen Blackout zu haben.“ |
• | „Ich sage besser nichts, sonst könnte ich mich vor der ganzen Gruppe blamieren.“ |
• | „Ich habe Angst, von den erfahrenen Kollegen nicht ernst genommen zu werden.“ |
• | „Ich sehe heute wieder unmöglich aus und dazu noch mein schrecklicher Dialekt!“ |
In meinen Seminaren bestätigt sich immer wieder die These, dass sich diese und ähnliche Gedanken umso eher und extremer einstellen, je stärker die Teilnehmer mit Ängsten beim Argumentieren zu kämpfen haben.
Inwieweit kommen Ihnen negative „innere Dialoge“ in den Sinn, wenn Sie an konkrete dialektische Herausforderungen Ihres Alltags denken, zum Beispiel an eine Diskussion mit einem Entscheidungsgremium, eine schwierige Preisverhandlung beim Kunden oder etwa an die Abwehr eines persönlichen Angriffs?
Wer sich von den erwähnten einschränkenden Glaubenssätzen beherrschen lässt, macht sich selbst klein und verliert an Souveränität. Er verkrampft, agiert ängstlich und wird eine Disputation als stressig erleben. Und weil sich Ängste und Selbstzweifel in Haltung, Gestik und Mimik zeigen, signalisiert er dem Gesprächspartner auch durch seine Körpersprache, dass er sich unterlegen fühlt.
Glücklicherweise ist eine negative Selbsteinstellung kein Naturgesetz. Wir haben die Chance, in einem Lernprozess und durch gleichgerichtetes Handeln eine positive Grundhaltung und ein positives Selbstkonzept zu entwickeln: Dies kann damit beginnen, dass Sie ein negatives Skript durch ein motivierendes, positives Denkmuster ersetzen, das dann dem konkreten Handeln zugutekommt. Suchen Sie sich ein Motto oder eine Formulierung, die zu Ihnen passt und von der ein motivierender, auf Agieren gerichteter positiver Schub ausgeht. Beispielsweise:
• | „Ich genieße entspannt meinen Auftritt.“ |
• | „Ich habe Freude daran, in Diskussionen meine Dialektik weiterzuentwickeln.“ |
• | „Ich übernehme Verantwortung für meine Ideen und für mein Handeln.“ |
• | „Ich bin gut – daran besteht kein Zweifel.“ |
• | „Ich bin o.k. – meine Meinung ist wichtig.“ |
• | „Ich mache mit Begeisterung neue Erfahrungen.“ |
Derartige unterstützende Glaubenssätze helfen uns...