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Arzthaftungsrecht

Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung

AutorBurkhard Pauge
VerlagRWS Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783814554426
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis64,00 EUR
Das bewährte RWS-Skript erläutert den Stand und die Entwicklungstendenzen der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht und berücksichtigt dabei das Patientenrechtegesetz. Im Mittelpunkt stehen dabei Behandlungsfehler und Fragen der Patientenaufklärung. Weitere Themen sind die Dokumentations- und Einsichtgewährungspflicht, die Verjährungsprobleme, das Beweißmaß und die Beweislasten sowie prozessuale Besonderheiten des Arzthaftungsprozesses.

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Leseprobe

II.  Behandlungs-, Haftungsverpflichtete


1.  Vertragliche Verantwortung


86  Vertragliche Haftungsverantwortung trifft den Behandlungsträger, der die Behandlungsaufgabe vertraglich übernommen oder zu übernehmen hat (c. i. c.): den niedergelassenen Arzt; den Chefarzt für seine Privatpraxis und die Krankenhausambulanz (ausgenommen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung des Kassenpatienten durch „ermächtigte“ Einrichtung sowie seit dem 1.1.1993 für das vor- und nachstationäre Behandeln i. S. v. § 115a SGB V und das ambulante Operieren bei Übernahme durch das Krankenhaus nach Maßgabe von § 115b SGB V); den Krankenhausträger (eingeschränkt für Belegkrankenhäuser) und den selbstliquidierenden Krankenhausarzt für die stationäre sowie die vor- und nachstationäre (§ 115a SGB V) Behandlung; den Krankenhausträger für das ambulante Operieren nach Übernahme gem. § 115b SGB V.
87  Die vertragliche Haftung deckt für die Behandlungsaufgabe auch fremde Fehler der beteiligten Gehilfen ab (§ 278 BGB) – gleichgültig, ob der Arzt bzw. Krankenhausträger ihnen gegenüber weisungsbefugt ist oder nicht –, wenn und soweit die Mitbeteiligten nicht selbst liquidierungsberechtigte Vertragspartner des Patienten sind.
Niedergelassener, frei praktizierender Arzt, Konsiliararzt:
88  Er haftet für Arzthelferin, Labor, Konsiliararzt desselben Fachbereichs, assistierenden Arzt jedenfalls desselben Fachbereichs.
BGH, Urt. v. 20.6.1989 – VI ZR 320/88, NJW 1989, 2943 = VersR 1989, 1051 – Laborleistungen des selbständigen Instituts ohne eigene Abrechnung gegenüber dem Patienten;
BGH, Urt. v. 21.1.2014 – VI ZR 78/13, VersR 2014, 374 – Schlaganfalleinheit;
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1997 – 8 U 80/97, VersR 1998, 1282 – angestellter Arzt als Erfüllungsgehilfe des Praxisinhabers;
OLG Koblenz, Urt. v. 15.1.2004 – 5 U 1145/03, VersR 2004, 1323 – vom Zahnarzt hinzugezogener Anästhesist Erfüllungsgehilfe des Zahnarztes;
OLG Naumburg, Urt. v. 14.9.2004 – 1 U 97/03, VersR 2005, 1401 – vom Chirurg hinzugezogener Anästhesist kein Erfüllungsgehilfe des Chirurgen.
89  Regelmäßig beschränkt für den niedergelassenen Arzt die Überweisung des Patienten an das andere Fach die eigene Behandlungsaufgabe vertraglich, wo sie eigene Vertrags- (und Honorar-)Beziehungen des Patienten zu dem Kollegen eröffnet, für den Patienten also als wirkliche Überweisung in fremde Hände offenbart wird.
Vgl. auch BGH, Urt. v. 12.3.1987 – III ZR 31/86, VersR 1987, 1191;
BGH, Urt. v. 14.7.1992 – VI ZR 214/91, NJW 1992, 2961 = VersR 1992, 1263;
BGH, Urt. v. 17.9.1998 – III ZR 227/97, NJW 1999, 868 = VersR 1999, 367;
OLG Jena, Urt. v. 23.5.2007 – 4 U 437/05, VersR 2008, 401 – konsiliarische Hinzuziehung eines Onkologen durch den Frauenarzt.
90  Entsprechendes gilt für die Hinzuziehung eines Instituts, etwa eines Großgerätezentrums oder eines pathologischen Instituts.
BGH, Urt. v. 29.6.1999 – VI ZR 24/98, BGHZ 142, 126 = NJW 1999, 2731 = VersR 1999, 1241 – von niedergelassenem Gynäkologen hinzugezogenes pathologisches Institut ist nicht Erfüllungsgehilfe des Gynäkologen.
Ein niedergelassener Pathologe haftet nicht für eine Präparatverwechslung und eine hieraus resultierende Fehldiagnose des behandelnden Arztes, wenn Organisationsmängel nicht festgestellt werden können und eine Verwechslung der Probeentnahmen im Krankenhaus nicht gänzlich auszuschließen ist.
LG Essen, Urt. v.12.9.2012 – 1 O 247/11, MedR 2013, 183 – Verwechslung einer Gewebeprobe.
91  Für Versagen in der Zusammenarbeit mit einer anderen Stelle kann den Arzt bzw. Krankenhausträger eine vertragliche Haftungsverantwortung wegen eigener Koordinations- oder Kooperationsfehler auch dann treffen, wenn jene Stelle nicht als sein Erfüllungsgehilfe anzusehen ist.
BGH, Urt. v. 8.5.1990 – VI ZR 227/89, VersR 1990, 1010 = MDR 1990, 808;
BGH, Urt. v. 16.4.1996 – VI ZR 190/95, NJW 1996, 2429 = VersR 1996, 976 – Belegkrankenhaus gemeinsam mit dem Belegarzt;
BGH, Urt. v. 26.1.1999 – VI ZR 376/97, BGHZ 140, 309 = NJW 1999, 1779 = VersR 1999, 579 – Zusammenarbeit von Anästhesist und Ophtamologen bei Schieloperation;
BGH, Urt. v. 16.5.2000 – VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296 = NJW 2000, 2737 = VersR 2000, 1146 – Haftung des Belegkrankenhauses für Lücken in der ärztlichen Überwachung des Geburtsvorgangs.
92  Der Urlaubsvertreter des niedergelassenen Arztes haftet dem Patienten prinzipiell nur deliktisch, nicht vertraglich, sofern es um wirkliche Stellvertretung und nicht, wie regelmäßig, um Weiterverweisung des Patienten an die andere Praxis geht; vertraglich trifft den vertretenen Arzt eine Gehilfenhaftung (§ 278 BGB). Geschäftsherr des Urlaubsvertreters ist er nicht.
BGH, Urt. v. 13.1.1998 – VI ZR 242/96, NJW 1998, 1780 = VersR 1998, 457;
BGH, Urt. v. 16.5.2000 – VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296 = NJW 2000, 2737 = VersR 2000, 1146;
BGH, Urt. v. 20.3.2007 – VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 = NJW 2007, 1682 = VersR 2007, 847;
OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.1984 – 8 U 26/84, VersR 1985, 370;
OLG Hamm, Urt. v. 29.5.1985 – 3 U 176/84, NA-Beschl. v. 28.1.1986 – VI ZR 203/85, VersR 1987, 106;
OLG Oldenburg, Urt. v. 14.8.2001 – 5 U 36/01, VersR 2003, 375.
93  Im Ergebnis stellt der BGH dem Gehilfenversagen das Versagen technischer Apparate (OP-Instrumente, Beatmungs- und Bestrahlungsgeräte, Dialyseeinrichtungen) gleich.
Anstaltskrankenhaus
94  Der Krankenhausträger haftet aufgrund eines totalen Krankenhausvertrages oder eines Krankenhausvertrages mit Arztzusatzvertrag (vgl. Rz. 30 ff) für den ärztlichen und nichtärztlichen Dienst einschließlich des Chefarztes als seine Erfüllungsgehilfen.
BGH, Urt. v. 18.6.1985 – VI ZR 234/83, BGHZ 95, 63, 67 ff = NJW 1985, 2189 = VersR 1985, 1043, 1045;
BGH, Urt. v. 19.2.1998 – III ZR 169/97, BGHZ 138, 91 = NJW 1998, 1778 = VersR 1998, 728;
BGH, Urt. v. 15.2.2000 – VI ZR 135/99, BGHZ 143, 389 = NJW 2000, 1782 = VersR 2000, 634 – für vom Krankenhaus hinzugezogenen niedergelassenen Consiliarius offengelassen;
OLG Oldenburg, Urt. v. 12.10.1988 – 3 U 86/88, NA-Beschl. v. 4.7.1989 – VI ZR 318/88 = VersR 1989, 1300 – frei praktizierender Kinderarzt als Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses;
OLG Stuttgart, Urt. v. 15.3.1990 – 14 U 38/87, NA-Beschl. v. 23.10.1990 – VI ZR 130/90, VersR 1992, 55 – frei praktizierender Augenarzt als Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses;
OLG Hamm, Urt. v. 1.2.2006 – 3 U 182/05, VersR 2007, 1525 – Mitarbeiter eines Transportunternehmens sind Erfüllungsgehilfen des Krankenhauses beim Transport des Patienten in ein anderes Krankenhaus zur konsiliarischen Untersuchung;
anders bei endgültiger Verlegung des Patienten in ein anderes Krankenhaus.
95  Der selbstliquidierende Arzt hat in der stationären Krankenhausbehandlung für die ihm nachgeordneten Ärzte einzustehen, die ihm bei der Operation assistieren oder auf die er seine Aufgaben delegiert.
BGH, Urt. v. 30.11.1982 – VI ZR 77/81, BGHZ 85, 393 = NJW 1983, 1347 = VersR 1983, 244.
96  Die ärztliche Assistenz fremder Fächer dagegen erfüllt nicht die Vertragsaufgabe des selbstliquidierenden Arztes. Sie steht im Dienst des Krankenhausträgers und/oder der regelmäßig ebenfalls selbstliquidierungsberechtigten Abteilungsärzte des jeweils betroffenen Fachs (§ 22 BPflV a. F. = § 22 BPflV n. F. i. V. m. § 17 KHEntgG). Für die Fehler des fremden Fachs haftet er nur, wenn sie durch eigene Fehler in der Koordination, Kommunikation, Information gesetzt worden sind, für die er mitverantwortlich ist (vgl. Rz. 284).
97  Der nichtärztliche Pflegedienst ist im Bereich der Grund- und Funktionspflege nicht Gehilfe des liquidierungsberechtigten Arztes, sondern des Krankenhausträgers. Das gilt prinzipiell auch für die Behandlungspflege; die Durchführung seiner Anweisungen erfüllt Aufgaben des Krankenhausträgers. Anderes sollte für Tätigkeiten gelten, die, wie diejenigen der OP-Schwester, derart eng mit der ärztlichen Tätigkeit verzahnt sind, dass zuallererst der Arzt die Anweisungs- und Kontrollzuständigkeit haben muss. Ebenfalls kann die Koordination der Behandlungspflege, wo die ärztliche Behandlungsmaßnahme an sie besondere Anforderungen stellt, zur Aufgabe auch des selbstliquidierenden Arztes gehören. Ebenso haftet er für Pflegefehler, die auf eigene Versäumnisse bei der Anweisung des Pflegedienstes zurückgehen.
BGH, Urt. v. 10.1.1984 – VI ZR 158/82, BGHZ 89, 263 = NJW 1984, 1400 = VersR 1984, 356 – Subklavia-Verweilkanüle bei Säugling;
BGH, Urt. v. 18.3.1986 – VI ZR 215/84, NJW 1986, 2365 = VersR 1986, 788 – Dekubitus;
BGH, Urt. v. 2.6.1987 – VI ZR 174/86, NJW 1988, 762 = VersR 1987, 1238;
BGH, Urt. v. 1.2.1994 – VI ZR 65/93, NJW 1994, 1594 = VersR 1994, 825 – schadhafte Wärmflasche im Inkubator;
OLG München, Urt. v. 20.6.1996 – 1 U 4529/95,...
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