(Text s. BayVBl. 2014, 482)
Die nachfolgenden unverbindlichen Hinweise zur Lösung behandeln die nach Auffassung des Erstellers maßgeblichen Probleme der Aufgabe. Sie stellen keine „Musterlösung“ dar und schließen andere vertretbare, folgerichtig begründete Ansichten selbstverständlich nicht aus. Der Inhalt und der Umfang der Lösungshinweise, die Ausführlichkeit und die Detailgenauigkeit der Darlegungen sowie die wiedergegebene Rechtsprechung und Literatur enthalten insbesondere keinen vom Prüfungsausschuss vorgegebenen Maßstab für die Leistungsanforderung und -bewertung.
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn das Verwaltungsgericht Regensburg zur Sachentscheidung berufen ist und sie zulässig und begründet ist.
A. Sachentscheidungskompetenz
I. Verwaltungsrechtsweg
Kern des Rechtsstreits ist die Frage der Zulässigkeit einer Nebenbestimmung zu einer Baugenehmigung für ein Vorhaben im Außenbereich. Dies richtet sich insbesondere nach Art. 36 BayVwVfG und § 35 BauGB und damit nach öffentlichem Recht. In Ermangelung auf- oder abdrängender Sonderzuweisungen und doppelter Verfassungsunmittelbarkeit1 ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.
II. Sachliche und örtliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 45 VwGO. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Regensburg resultiert aus dem unanfechtbaren und bindenden Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München (§ 83 VwGO i. V. m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 GVG).
B. Zulässigkeit
I. Statthafte Klageart
Emil Emmer (E) möchte vorliegend eine Baugenehmigung ohne die Beschränkung durch die Auflage erhalten. Es stellt sich damit die Frage, ob und inwiefern belastende Teile einer ansonsten begünstigenden Regelung mit einer isolierten Teilanfechtungsklage angefochten werden können oder ob eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Genehmigung ohne die belastende Zusatzbestimmung erhoben werden muss2.
Ausgangspunkt ist der Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der mit dem Wort „soweit“ anzeigt, dass auch Teilaufhebungen grundsätzlich möglich sind. Dennoch ist für den jeweiligen Einzelfall zu hinterfragen, ob die belastende Teilregelung inhaltlich so eng mit der ansonsten begünstigenden Restregelung des Verwaltungsakts verbunden ist, dass eine sachlich-logische Trennung beziehungsweise Teilbarkeit und damit auch die Statthaftigkeit einer isolierten Anfechtungsklage ausscheidet.
1. Nicht isoliert anfechtbare Inhaltsbestimmung?
Eine isolierte Anfechtbarkeit ist bei sog. Inhaltsbestimmungen beziehungsweise Inhaltsänderungen zu verneinen. „Auflagen“ in einer Baugenehmigung, wie z. B. ein Haus mit 20 statt der beantragten 30 Zimmer oder mit Flachdach statt mit Giebel zu bauen3, stellen keine Nebenbestimmungen dar, wenn hierdurch im Vergleich zu dem Bauantrag tatsächlich ein „Minus“ oder gar ein „Aliud“ gewährt wird. Inhaltsbestimmungen beziehungsweise Inhaltsänderungen zeigen als „modifizierende Gewährungen“ lediglich auf, wie weit die Regelung im Einzelnen geht. Das Klagebegehren kann in diesen Fällen nicht mit einer isolierten Anfechtungsklage verfolgt werden. Die Kassierung der Inhaltsbestimmung würde nämlich ein „Mehr“ oder ein „Aliud“ an Genehmigung hervorbringen und damit der Genehmigung als solcher einen anderen Inhalt geben. Statthaft wäre vielmehr eine Verpflichtungsklage4.
Hinweis: Nach einer umstrittenen Ansicht in der Rechtsprechung soll es als Zwischenform auch die sog. „modifizierende Auflage“ geben, die zwar in Auflagenform ergeht (mithin einen selbstständig vollstreckbaren Inhalt im Vergleich zur begünstigenden Restregelung hat), inhaltlich aber so auf die Hauptregelung ausstrahlt, dass im Falle ihrer isolierten Aufhebung die verbleibende Hauptregelung eine andere qualitative Richtung und damit einen veränderten Inhalt erhielte5. Ob es sich hierbei tatsächlich um eine von der Inhaltsbestimmung/Inhaltsänderung abgrenzbare Rechtsfigur handelt, wird hingegen in der Literatur zunehmend infrage gestellt, da es auch in diesen Fällen im Wesentlichen um eine inhaltliche Einschränkung oder Veränderung des Verwaltungsakts gegenüber dem Antrag geht6. Die Vagheit der Abgrenzung und auch das vertretbare Meinungsspektrum zeigen sich am Beispiel einer Regelung in einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wonach eine genehmigte Biogasanlage dauerhaft im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Schweinestall zu betreiben ist. Das OVG Lüneburg nahm eine Inhaltsbestimmung in Form einer Nebenbestimmung an, sah aber die Anfechtungsklage dennoch als zulässig (im Ergebnis aber als unbegründet) an7.
Soweit E gegen den angefochtenen Zusatz verstößt, soll dadurch die bauliche Anlage nicht automatisch formell illegal werden. Im vorliegenden Fall wollte sich die Baugenehmigungsbehörde für den Fall des Verstoßes gegen die Vorgabe die Möglichkeit der Anwendung verwaltungsvollstreckungsrechtlicher Maßnahmen beziehungsweise über Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG die Möglichkeit eines Widerrufs vorbehalten. Die Regelung entfernt sich auch inhaltlich nicht vom Antrag, zumal E in den Antragsunterlagen angegeben hat, in Zukunft das Haus selbst mit seinen Kindern bewohnen zu wollen. Er hat damit insgesamt nicht etwas qualitativ anderes erhalten als er beantragt hat.
Es liegt also eine herkömmliche Auflage (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG) vor. Die isolierte Anfechtbarkeit ist daher nicht bereits aufgrund der Einstufung als modifizierende Gewährung ausgeschlossen.
2. Zur Frage der isolierten Anfechtbarkeit von (echten) Nebenbestimmungen
Wann im Falle einer echten Nebenbestimmung im Sinne von Art. 36 BayVwVfG eine isolierte Teilanfechtungsklage ausscheidet, ist umstritten:
a) Kategorische Ablehnung der Anfechtungsklage
Die – nur noch selten vertretene – Ansicht, die kategorisch die isolierte Anfechtbarkeit belastender Teilregelungen eines begünstigenden Verwaltungsakts ablehnt und in diesen Konstellationen allein die Verpflichtungsklage als statthaft anerkennt8, ist bereits mit dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unvereinbar9
b) Differenzierung nach der Art der Nebenbestimmung
Eine – früher herrschende – Ansicht differenziert zwischen den in § 36 Abs. 2 VwVfG beziehungsweise Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG aufgezählten Arten der Nebenbestimmungen10. Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt werden hiernach als unselbstständige und daher nicht isoliert anfechtbare Bestandteile angesehen, da sie unmittelbar die Wirksamkeit der Hauptregelung betreffen. Demgegenüber sollen Auflage und Auflagenvorbehalt wegen ihres selbstständig vollstreckbaren Regelungsgehalts grundsätzlich von der Hauptregelung „teilbar“ und daher isoliert anfechtbar sein. Nach diesem Ansatz wäre die hier vorliegende Auflage isoliert anfechtbar, d. h. die isolierte Anfechtungsklage statthaft.
c) Differenzierung zwischen Ermessens- und gebundenen Entscheidungen
Von einem Teil der Literatur wird vertreten, dass eine isolierte Aufhebung von Nebenbestimmungen für den Fall, dass der Hauptverwaltungsakt im Ermessen der Behörde steht, einen unzulässigen Eingriff der Gerichte in den Ermessensfreiraum der Behörde bedeuten würde. Hiernach ist die Teilbarkeit von Nebenbestimmung und Hauptverwaltungsakt dann zu verneinen, wenn der Entscheidung über Nebenbestimmung und Hauptregelung eine einheitliche Ermessensentscheidung nach Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG zugrunde liegt. Der Behörde könne durch ein Gericht keine nebenbestimmungsfreie Entscheidung aufgedrängt werden, die sie so nicht habe erlassen müssen11. Da es vorliegend um eine Auflage zu einer Baugenehmigung geht, die nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO als gebundene Entscheidung geregelt ist, wäre von isolierter Anfechtbarkeit auszugehen.
d) Isolierte Anfechtbarkeit (aller Arten) von Nebenbestimmungen
Die heutige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte geht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO von der grundsätzlichen Statthaftigkeit einer isolierten Anfechtungsklage aus12, zumal eine Anfechtungsklage gegen die Teilregelung ob ihrer Kassationswirkung das direktere Rechtsmittel zur Zielerreichung darstellt und damit bei entsprechender Erfolgsaussicht auch unter Gesichtspunkten des Rechtsschutzinteresses gegenüber der Verpflichtungsklage, die bei ihrem Erfolg noch durch die Behörde umgesetzt werden muss, vorzugswürdig erscheint. Dieses Ergebnis entspricht auch den Wertungen der Art. 44 Abs. 4 und Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, die in ähnlicher Weise von der grundsätzlichen Möglichkeit einer Teilnichtigkeit beziehungsweise einer Teilaufhebbarkeit eines Verwaltungsakts ausgehen. Der verbleibende Vorbehalt, dass der Restverwaltungsakt sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann, ist hiernach eine (materielle) Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit (Statthaftigkeit) des mit der Anfechtungsklage verfolgten Aufhebungsbegehrens, sofern nicht ausnahmsweise eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig und von vornherein ausscheidet13. Für Letzteres gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.
Jedenfalls nach den unter b) bis d) dargestellten Ansichten, die...