Nachdem in Kapitel 2 die neuen Regelungen des Baseler Rahmenwerks erläutert und veranschaulicht wurden, wird in diesem Kapitel auf die tatsächlichen Auswirkungen der Basel-III-Regelungen eingegangen. Da Änderungen der Geschäftspolitik im Regelfall auch unmittelbar zu Änderungen der Bilanzstruktur und umgekehrt führen, werden diese zu Zwecken der Übersichtlichkeit und Vollständigkeit zusammen dargestellt.
Generell sollten die Auswirkungen von Basel III aber nicht nur für jeden Geschäftsbereich isoliert betrachtet und diesbezüglich Anpassungen vorgenommen werden. Es ist vielmehr aufgrund der Wechselwirkungen zu empfehlen, auch die Änderungen auf Gesamtbankebene zu betrachten, um so geeignete und nachhaltig erfolgreiche Maßnahmen zu ergreifen.[91] Diese Zusammenhänge werden in Abbildung 7 noch einmal verdeutlicht.
Grundsätzlich ist zu empfehlen, die Notwendigkeit von umfangreichen Anpassungen nicht nur als erzwungenen, zusätzlichen Aufwand, sondern als große Chance anzusehen. So können schon lange notwendige Änderungen verschiedener Geschäftsbereiche oder sogar des gesamten Geschäftsmodells in die durch Basel III erzwungenen Veränderungsprozesse integriert werden, um sich so optimal für zukünftige Herausforderungen zu wappnen und Synergieeffekte bei der Umstellung zu nutzen.
Abbildung 7: Wirkungskreislauf Basel III
Quelle: Eggers, H./Hortmann, S. 2011, S. 51.
Da es sich bei der Nennung vieler Auswirkungen um Erwartungen in der Zukunft handelt, ist bei den Ausführungen immer ein gewisser Unsicherheitsfaktor zu berücksichtigen.
Worin sich nahezu alle Analysten einig sind, ist die Tatsache, dass Kreditinstitute, welche frühzeitig auf die Änderungen durch Basel III eingehen und rechtzeitig geschäftspolitische Maßnahmen ergreifen, zu den Gewinnern zählen werden. Denn nur durch frühzeitiges Agieren können Wettbewerbsvorteile gesichert werden. Dies hat zur Folge, dass Kreditinstitute, welche sich erst sehr spät mit den Folgen von Basel III auseinandersetzen, erhebliche Wettbewerbsnachteile erfahren können, da sich in gewissen Geschäftsbereichen schon die innovativen Mitbewerber etabliert haben. Damit wird der Zugang für die „Nachzügler“ erheblich erschwert. [92]
Die Auswirkungen werden in den folgenden Ausführungen zu Zwecken der Übersichtlichkeit den Oberbegriffen Eigenkapital, Liquidität, Leverage Ratio, Derivatehandel sowie sonstigen Auswirkungen zugeordnet. Damit soll eine Verbindung zu den einzelnen Maßnahmen des Baseler Regelwerks hergestellt werden. Da eine konkrete Abgrenzung der Auswirkungen nicht vollständig möglich ist, wird es teilweise zu fließenden Übergängen und Überschneidungen kommen. Dies lässt sich aufgrund der übergeordneten Betrachtungsweise und des Einbezugs von Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Maßnahmen nicht vollständig vermeiden. Die Auswirkungen auf die Bilanzstruktur werden im Folgenden nur sehr allgemein dargestellt. Ein detailliertes Eingehen auf die Veränderungen einzelner Bilanzposten unter Einbezug der verschiedenen Rechnungslegungsstandards würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.
Die Verschärfung der Kapitalanforderungen hat neben der Einführung der neuen Liquiditätsstandards die größten Auswirkungen auf die Geschäftspolitik und Bilanzstruktur.
Bei vielen Banken mit bisher ausreichender Kapitalausstattung führen die neuen Anforderungen zum Teil zu enormen Engpässen beim Kernkapital bzw. der gesamten Eigenkapitalausstattung. Die Neuerungen sollten daher sowohl bei der Steuerung des Neukunden- als auch des Bestandskundengeschäfts berücksichtigt werden. Schon heute gilt es, die Neuerungen zu berücksichtigen. Denn bei Neugeschäftsabschlüssen gehen die Laufzeiten zum Teil schon über die Zeitpunkte des Inkrafttretens der Basel-III-Regelungen hinaus und haben damit direkte Auswirkungen auf das Erreichen der geforderten Quoten.[93] Zusätzlich verschärft sich das Problem der Refinanzierung für Banken durch Wechselwirkungen mit Solvency II. Dies ist der neue Regulierungsrahmen für Versicherungen, in welchem u. a. die Eigenmittelvorschriften für Versicherungsunternehmen erhöht werden.[94] Die europäischen Versicherungen gehören schon seit Jahren zu den größten Investoren auf den Finanzmärkten. Durch die für Versicherungen zukünftig geltenden Regelungen von Solvency II ist zu erwarten, dass diese sich als Fremdkapitalgeber der Banken zurückziehen werden. Da es sich dabei um Beträge von mehreren Billionen Euro handelt, ist dies ein nicht unerheblicher Faktor, der schon frühzeitig berücksichtigt werden muss.[95]
Gemäß Roland Berger Strategy Consultants stehen die Banken vor einem zusätzlichen Dilemma. „Um zusätzliches hartes Kernkapital aufzubauen, müssen sie eine stattliche Eigenkapitalrendite erwirtschaften – doch zugleich sind sie gehalten, ihr Geschäftsmodell zu fokussieren und vielleicht gerade jene Geschäftsfelder einzuschränken, die derzeit noch überproportional zur Eigenkapitalausstattung beitragen.“[96] Auf den nachfolgenden Seiten soll gezeigt werden, dass dieses Dilemma aufgrund von Wechselwirkungen in der Praxis immer wieder auftritt und gewisse Bankgruppen vor enorme Herausforderungen gestellt werden.
Zur Gestaltung der Eigenkapitalquote sind verschiedene Handlungen zielführend. Zum einen können zur Erhöhung der Eigenmittel das Kernkapital erhöht und die Abzugsposten reduziert werden. Kreditinstitute, welche nach HGB bilanzieren, können beispielsweise zur Erhöhung des harten Kernkapitals Reserven nach § 340 f HGB in Reserven nach § 340 g HGB umwandeln.[97] Diese Vorsorgereserven im Ergänzungskapital werden somit in hartes aufsichtliches Kernkapital umgewandelt, was eine Veränderung der Eigenkapitalstruktur darstellt.
Auch können stille Einlagen in Stammkapital umgewandelt werden. Ein Beispiel dafür stellt u. a. die Landesbank Baden-Württemberg dar. Dort wurden stille Einlagen des Landes Baden-Württemberg, des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart in Stammkapital umgewandelt. Grund dafür war, dass stille Einlagen gemäß Basel III zukünftig nicht mehr als hartes Kernkapital angerechnet werden dürfen, da diese nicht unbeschränkt zur Absicherung von Verlusten zur Verfügung stehen. Zur Einhaltung der Mindestkapitalquote für hartes Kernkapital wurde somit die Wandlung in Stammkapital notwendig.[98]
Die klassischste Variante zur selbstständigen Stärkung des Eigenkapitals ist die Gewinnthesaurierung.[99] Sparkassen bleibt beispielsweise gar keine andere Wahl, da diese Anstalten des öffentlichen Rechts sind und somit keinen oder nur sehr eingeschränkten Zugang zum Kapitalmarkt haben. Daher ist es entscheidend, dass diese ihre Ertragskraft stärken und somit durch Einbehaltung von Gewinnen kontinuierlich ihre harte Kernkapitalquote in den nächsten Jahren aufbauen. Für ertragsschwache Institute bzw. Institute, welche bisher nur über eine geringe Eigenkapitalquote verfügen und durch Gewinnthesaurierungen nicht in der Lage sind, die geforderten Mindestquoten zu erreichen, kann dies weitreichende Folgen haben.[100] Sie werden entweder Einlagen ihrer Träger benötigen, welche die Anforderungen an hartes Kernkapital erfüllen, somit also langfristig im Institut gebunden sind, oder es wird Zwangsfusionen mit anderen Sparkassen geben, welche über eine ausreichende Kapitaldecke verfügen. Die Auswirkungen auf die Geschäftspolitik bei letzterer Variante wären enorm. Aber auch Kapitalerhöhungen bei börsennotierten Kreditinstituten sind, wie in letzter Zeit durch diverse Kreditinstitute schon durchgeführt, ein beliebtes Mittel zur Erhöhung des harten Kernkapitals.
Gemäß der Studie von msgGillardon und dem Handelsblatt planen 63 Prozent der befragten Institute, ihr hartes Kernkapital durch Kapitalerhöhungen zu steigern. Dies soll durch die Emission von Aktien bzw. für Nichtaktiengesellschaften durch vergleichbare Kapitalerhöhungen erfolgen.[101] Problematisch ist allerdings die Tatsache, dass durch die Einbehaltung von Gewinnen zur Stärkung des harten Kernkapitals die Renditen für Investoren sinken, was wiederum die Finanzierung für Kreditinstitute über Kapitalmärkte erschweren kann.[102]
Darüber hinaus können die Abzugsposten reduziert werden. Dies kann zum einen durch den Abbau von Beteiligungen geschehen. Je nachdem um welche Art von Beteiligung es sich handelt, hat dies ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Bilanzstruktur sowie auf die Geschäftspolitik. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, aktive latente Steuern durch Nutzung von Wahlrechten nicht zu bilden....