Der Richtlinienvorschlag zur Verbesserung des Binnenmarktes für gesetzliche Abschlussprüfung stellt eine sogenannte Änderungsrichtlinie dar: Sie dient dazu, die bereits geltende Abschlussprüferrichtlinie in bestimmten Teilaspekten zu ändern. Der Richtlinienvorschlag besteht aus insgesamt vier Artikeln, wobei Artikel 1 alle Änderungsvorschläge enthält.[110] Artikel 2 regelt die Frist zur Umsetzung des Richtlinienvorschlags, Artikel 3 das Datum des Inkrafttretens und Artikel 4 benennt die Adressaten der Vorschriften.[111]
Im Folgenden werden die Kapitel der Abschlussprüferrichtlinie unter Berücksichtigung aller wesentlichen Änderungen ausführlich dargestellt:
Kapitel I: Gegenstand und Begriffsbestimmungen
Die Richtlinie regelt die Abschlussprüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses.
Mit Blick auf die strengeren Bestimmungen des Verordnungsvorschlags werden bestimmte Artikel der Richtlinie von der Anwendung ausgenommen. Dies betrifft vor allem Artikel 22 (Unabhängigkeit und Unparteilichkeit), Artikel 25 (Prüfungshonorare) und die Artikel 27 bis 30 über den Bestätigungsvermerk, Qualitätssicherungssysteme sowie Untersuchungen und Sanktionen. Zweck dieser Regelung ist es, die Unternehmen von öffentlichem Interesse schärferen Bestimmungen zu unterwerfen. [112] [113]
In Artikel 2 werden eine Reihe von Begriffen modifiziert. Vor allem: Der Begriff Abschlussprüfung erstreckt sich künftig auch auf freiwillige Prüfungen von kleinen Unternehmen[114] [115]Und: Der Begriff „zuständige Stelle" in Nummer 10 der
Abschlussprüferrichtlinie wird durch den Begriff „zuständige Behörde" ersetzt. Konsequenz: Für die Regulierung und/oder Aufsicht von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften werden künftig nur noch Behörden zuständig sein, keine Verbände oder andere Institutionen. [116] [117]
Der Schwerpunkt der Regelungen in Artikel 2 liegt auf dem Begriff Unternehmen von öffentlichem Interesse. Dieser Begriff wird jetzt wesentlich breiter definiert. Unter ihn fallen nunmehr neben börsennotierten Aktiengesellschaften, Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen auch sogenannte Zahlungsinstitute und E-Geld Institute. Die letztgenannten Institute zählen allerdings nur dann zu den Unternehmen von öffentlichem Interesse, wenn nicht Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 2007/64/EG Anwendung findet, wonach sie von der Prüfungspflicht befreit sind. Zu den Unternehmen von öffentlichem Interesse zählen nunmehr auch Wertpapierfirmen, Investmentfonds und alternative Investmentfonds, also zum Beispiel auch Hedge-Fonds oder Private-Equity- Unternehmen. Auch Unternehmen, die als Zentralverwahrer handeln, und Unternehmen, die als zentrale Gegenparteien auftreten, zählen zu den Unternehmen von öffentlichem Interesse[118] [119]
Zentralverwahrer oder auch Wertpapiersammelbanken sind Spezialbanken, die die Sammelverwahrung von Effekten sowie den Effektengiroverkehr betreiben und somit die stückelose Belieferung von börslichen und außerbörslichen Wertpapiergeschäften ermöglichen[120] Zentrale Gegenparteien oder Central Counterparties sind Einheiten an der Börse, die sich auf dem Parkett zwischen die Parteien eines Börsengeschäftes stellen.[121]
Neu im Artikel 2 sind die Begriffe: „mittlere Unternehmen" und „kleine Unternehmen"(Nummer 17 und 18) [122] [123], für die vereinfachte Prüfungsregeln gelten sollen.[124]
Neu sind auch die Begriffe Herkunftsmitgliedsstaat und Aufnahmemitgliedsstaat. .[125] [126] Hintergrund ist die Absicht der Kommission, die grenzüberschreitende Tätigkeit von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften zu fördern [127]
Kapitel II: Zulassung, kontinuierliche Fortbildung und gegenseitige Anerkennung
Der Richtlinienvorschlag zielt darauf ab, den Kreis potenzieller Eigentümer von Prüfungsgesellschaften radikal zu erweitern. Vor allem soll es nicht mehr nötig sein, dass die Mehrheit der Stimmrechte einer Prüfungsgesellschaft von zugelassenen Abschlussprüfern gehalten wird. [128] [129] Auch soll den Mitgliedstaaten nicht erlaubt werden, diese Regelung durch zusätzliche Maßnahmen in der Gesetzgebung zu verschärfen. [130] [131]Weitere Änderungen betreffen die Verwaltungs- oder Leitungsorgane von Prüfungsgesellschaften. Diese sollen zwar weiterhin aus einer Mehrheit von zugelassenen Abschlussprüfern bestehen. Es reicht jedoch die einfache Mehrheit und nicht wie bis dato eine 75-prozentige Mehrheit. [132] [133] Zur Zulassung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften sind nur noch Behörden befugt. [134] [135]
Künftig soll es Abschlussprüfern ermöglicht werden, in anderen Mitgliedstaaten vorübergehend oder gelegentlich Abschlussprüfungen durchzuführen. [136] [137] Abschlussprüfergesellschaften sollen das Recht erhalten, dauerhaft grenzüberschreitend prüfend tätig zu werden. Bedingung hierfür: Eine Registrierung bei der jeweils zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedsstaates. [138] [139]
Bislang durften Abschlussprüfern nur dann grenzüberschreitend tätig werden, wenn sie eine entsprechende Eignungsprüfung abgelegt hatten. Künftig haben Abschlussprüfern, die dauerhaft grenzüberschreitend tätig werden wollen, ein Wahlrecht zwischen einer Eignungsprüfung und einem sogenannten Anpassungslehrgang. Die Anforderungen des Lehrgangs und der Eignungsprüfung sollen unter dem Dach der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (im Folgenden kurz: ESMA) abgestimmt werden. [140] [141]
Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten werden verpflichtet mit der ESMA im Hinblick an die Anforderungen der Ausbildung zusammenzuarbeiten. [142] [143]
Die EU-Kommission behält sich vor, gemäß Artikel 48a der neu gefassten Abschlussprüferrichtlinie die Liste der Sachgebiete, die die theoretische Prüfung zum Abschlussprüfern umfasst, nach eigenem Ermessen anzupassen. Auf diese Weise will die Kommission flexibel auf die Entwicklungen im Prüfungssektor reagieren. [144] [145]
Kapitel III: Registrierung
Die Artikel 15 bis 20, die sich mit der öffentlichen Registrierung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften befassen, bleiben von der Änderungsrichtlinie so gut wie unberührt. Unter anderem wird lediglich klargestellt, dass das öffentliche Register von der im Artikel 32 genannten zuständigen Behörde geführt wird.[146] [147]
Kapitel IV: Berufsgrundsätze, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Verschwiegenheit und Berufsgeheimnis
Als logische Konsequenz aus den Änderungen, die der Richtlinienvorschlag für die Eigentümerstruktur von Prüfungsgesellschaften vorsieht, müssen neben den Abschlussprüfern auch die Inhaber von Prüfungsgesellschaften unabhängig von zu prüfenden Unternehmen sein. Sie dürfen auch nicht in deren Entscheidungsprozesse eingebunden sein. .[148] [149]
Wegen der Ausgliederung der Bestimmungen für die Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse in den Verordnungsvorschlag, entfällt der zweite Abschnitt des Artikels 22 Absatz 2 der Abschlussprüferrichtlinie. [150] [151]
Die EU-Kommission hat die Möglichkeit, sogenannte delegierte Rechtsakte zu erlassen, insbesondere mit Blick auf Risiken und Schutzmaßnahmen zur Wahrung der Unabhängigkeit von Abschlussprüfern. Bisher bestand diese Möglichkeit im Rahmen sogenannter grundsatzorientierter Durchführungsmaßnahmen. [152] [153]
Die Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht, zum Berufsgeheimnis und zum Prüfungshonorar bleiben unverändert.
Kapitel V: Prüfungsstandards und Bestätigungsvermerk
Nach der ursprünglichen Fassung der Abschlussprüferrichtlinie war es den Mitgliedstaaten gestattet, nationale Prüfungsstandards anzuwenden [154] Dies soll nach dem Vorschlag der Änderungsrichtlinie nun nicht mehr möglich sein. Im Rahmen der Durchführung von Abschlussprüfungen sollen sich Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften zwingend an die internationalen Prüfungsstandards halten. Weitere spezifische Prüfungsverfahren dürften die Mitgliedstaaten nur noch in Ausnahmefällen vorschreiben, und zwar wenn sie in einem hohen Maß zur
Glaubwürdigkeit und Qualität des geprüften Abschlusses beitragen und dem europäischen Gemeinwohl entsprechen. In solchen Ausnahmefällen besteht eine Meldepflicht gegenüber der ESMA, der EU-Kommission und den anderen Mitgliedstaaten. Künftig sind internationale Prüfungsstandards nur diejenigen der ISA. Auch hier soll die EU-Kommission wieder das Recht haben, sogenannte delegierte Rechtsakte zu erlassen mit dem Ziel, die Anforderungen an die Prüfungsstandards zu verändern.[155]
Kapitel VI:...