Die Massenautomobilisierung hat unsere Städte in den letzten Jahrzehnten wesentlich geprägt. Das Auto ist allgegenwärtig. Die Mobilität der meisten Menschen ist auf das Auto ausgerichtet, da mittlerweile fast jeder Ort unserer Umwelt mit dem Pkw erreichbar ist.
Doch das Auto ist kein stadtverträgliches Verkehrsmittel. Große Teile der Städte fielen, insbesondere in den 1960er und 70er Jahren, dem Auto zum Opfer. Seitdem leiden die Stadtbewohner unter den negativen Begleiterscheinungen wie Lärm, Abgasen und Unfallgefahren. Der öffentliche Raum wurde mehr und mehr zum Verkehrsraum.
Diese Beeinträchtigungen der Lebensqualität sind ein wesentlicher Grund für den Umzug vieler Menschen ins Umland. Dort gibt es dann wiederum oft keine Alternative zur Nutzung des eigenen Pkws. Die Flucht vor dem Auto im Auto setzt ein.
Diese Zusammenhänge sind lange bekannt. Doch bisher mangelt es an wirksamen Ideen, wie dieser Entwicklung begegnet werden kann. Konzepte, welche die Stadt als Wohnort wieder attraktiv machen und Anreize zur Nutzung stadtverträglicher Verkehrsträger sind nötig. Seit geraumer Zeit wird anhand verschiedener Maßnahmen wie der Einrichtung von Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen sowie gezielter Parkraumbewirtschaftung versucht, den motorisierten Individualverkehr in den Städten zu beschränken.
Doch diese Maßnahmen alleine sind nicht ausreichend. Somit wird nach neuen Strategien und Lösungen gesucht. Stichworte wie Nachhaltigkeit und Stadtverträglichkeit prägen die Ziele und Leitbilder der neuen Alternativen. Eine Möglichkeit, einen Beitrag zur Stadtverträglichkeit und Nachhaltigkeit im Städtebau zu leisten, ist die Errichtung autofreier Wohnquartiere. In diesen Gebieten brauchen autogerechte Straßen und Parkplätze gar nicht erst gebaut zu werden. Autoverkehr innerhalb des Gebietes ist – bis auf wenige Ausnahmen – ausgeschlossen.
Ziel dieser Gebiete ist es, denjenigen, die kein Auto besitzen, in der Stadt ein qualitativ hochwertiges und vom Autoverkehr unbeeinträchtigtes Wohnumfeld zu bieten und zu zeigen, dass es möglich und sogar vorteilhaft ist, ohne Auto zu leben.
Diese Vorteile sind vielfältig. So sind die Bewohner weder Verkehrslärm noch Abgasen ausgesetzt. Kinder können gefahrlos vor der Haustür spielen, da es im Wohnumfeld keine Gefährdung durch Autoverkehr gibt. Die Aufenthaltsqualität steigt durch mehr Grün anstelle von Parkplätzen und Straßen. Der öffentliche Raum wird zurückerobert. Ferner können die Wohnungen preiswerter erworben werden, wenn Kosteneinsparungen für Stellplätze oder Tiefgaragen an die Bewohner weitergegeben werden.
Die Mitte der 1990er Jahre entwickelte Idee der autofreien Wohnquartiere stellen eines der konsequentesten und nachhaltigsten Konzepte zur Verringerung des Autoverkehrs dar. Jedoch entstanden trotz der Einigkeit aus Fachkreisen betreffend ihrer Nachhaltigkeit in den letzten Jahren nur eine geringe Zahl dieser Quartiere. Das Konzept ist bisher zu keiner ernsthaften Alternative in der stadtplanerischen Praxis geworden und existiert folglich trotz einiger hervorragend funktionierender Projekte primär in der Theorie. Der Glaube an das Konzept autofreier Wohnquartiere und die Überzeugung der Vorteilhaftigkeit eines Lebens ohne Auto im Gegensatz zu der städtebaulichen Realität bilden den Ausgangspunkt dieser Arbeit.
Die Zielsetzung dieser Arbeit ist eine empirischen Bestandanalyse. Unter empirischer Bestandanalyse ist dabei weniger der bauliche Bestand umgesetzter Projekte zu verstehen als vielmehr der Diskussionsstand und das Meinungsklima gegenüber autofreien Wohnquartieren.
Um diese Zielsetzung zu erreichen ist die Beantwortung von vier Forschungsfragen nötig. Diese lassen sich unter den drei Dimensionen „Qualität“, „Umsetzung“, und „Zukunft“ in die Arbeit einordnen.
Qualitätsdimension:
Warum sind autofreie Wohnquartiere erstrebenswert?
Umsetzungsdimension:
Warum wurden bisher so wenige autofreie Wohnquartiere umgesetzt?
Was ist für die Umsetzung autofreier Wohnquartiere nötig?
Zukunftsdimension:
Wie sehen die Zukunftschancen für autofreie Wohnquartiere aus?
Aus den Forschungsfragen werden am Ende des theoretischen Teils der Arbeit (Teil I) Hypothesen gebildet. Um diese Hypothesen zu prüfen werden Informationen gebraucht, welche nicht in dieser Form vorhanden sind. Dies macht also eine empirische Bestandsanalyse in Form einer Befragung notwendig (Teil II). In dem dort aufgestellten Fragebogen sind die drei Dimensionen ebenfalls wiederzufinden.
Aus dieser Analyse des Ist-Zustands werden dann Handlungsforderungen entwickelt, welche die Zukunftschancen autofreier Wohnquartiere verbessern sollen (Teil III).
Zur erfolgreichen Durchführung einer fundierten Bestandsanalyse wurde zum einen eine ausführliche Recherche der wissenschaftlichen Literatur zur Thematik durchgeführt. Darauf aufbauend und zur Überprüfung der Hypothesen schloss sich eine empirische Bestandsanalyse an.
Durch eine breite systematische Analyse der wissenschaftlichen Literatur wurden zunächst die theoretischen Grundlagen zu folgenden Aspekten aufgearbeitet:
Entwicklung der städtischen Mobilität
Umweltaspekte des MIV
Autofreies Wohnen
Leben ohne eigenes Auto
Rechtliche Grundlagen
Empirische Methodenlehre
Theoretische Aneignung des Werkzeugs Online-Befragung
Aufgrund der noch jungen Idee von autofreien Wohnquartieren nutzte der Autor mehrfach das Internet als Literaturquelle, insbesondere bei der Recherche der Kontaktdaten im Rahmen der empirischen Untersuchung und bei der Analyse einzelner Quartiere, zu denen noch keine Printliteratur veröffentlicht wurde.
Neben der Literaturanalyse wurde eine Online-Befragung aller Stadtplanungsämtern von Kommunen über 40.000 Einwohnern in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt um den aktuellen Diskussionsstand und das Meinungsklima gegenüber der Thematik „autofreie Wohnquartiere“ zu erheben.
Dieser Ist-Zustand könnte auch mit anderen Befragungsgruppen erhoben werden. Jedoch erscheint die Befragung der Stadtplanungsämter am zweckmäßigsten, da diese Gruppe neben einer sehr häufigen Beteiligung an autofreien Projekten außerdem gut erreichbar ist
Die Diskussionsstände und Einstellungen gegenüber der Thematik ist innerhalb der Befragungsgruppe äußerst heterogen. Daher ist es die primäre Aufgabe der Studie ein generelles Bild für den deutschsprachigen Raum zu zeichnen, dies erklärt auch das Ausmaß der Zielgruppe. Bisherige Studien zu autofreien Wohnquartieren bezogen sich zumeist auf die Umsetzbarkeit eines Projekts in einer konkreten Stadt.
Eine ausführliche Darstellung der empirischen Methodik folgt in Teil II der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in drei Teile:
Im ersten Teil wird die theoretische Grundlage zur Untersuchungsthematik „Autofreie Wohnquartiere“ geschaffen. Einer kurzen Geschichte der städtischen Mobilität folgt eine Darstellung der durch motorisierten Individualverkehr verursachten Probleme und mögliche Lösungsansätze, hierbei vor allem das Leben ohne eigenes Auto.
Es folgt der aktuelle Entwicklungsstand autofreier Wohnquartiere. Hier wird ein Blick in die noch junge Geschichte des Konzepts geworfen, die Qualitäten dieser Gebiete aufgezeigt und anschließend die bisher umgesetzten Projekte anhand verschiedener Eigenschaften vorgestellt.
Abschließend werden auf den vier Forschungsfragen aufbauend Hypothesen formuliert, welche mittels der empirischen Studie überprüft werden sollen.
Dieser Teil der Arbeit dient als thematische Grundlage und Einarbeitung in den Untersuchungsgegenstand „autofreie Wohnquartiere“.
Im zweiten Teil wird die empirische Untersuchung erörtert. Dabei wird zunächst die Methodik erläutert. Darauf folgt eine deskriptive Darstellung der Ergebnisse. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage zur Bewertung der aufgestellten Hypothesen.
Dieser Teil der Arbeit liefert eine empirischen Analyse des Ist-Zustands zur Diskussion und zum Meinungsklima gegenüber dem Untersuchungsgegenstand.
Aus den überprüften Hypothesen werden im abschließenden dritten Teil Forderungen zur Verbesserung der Zukunftschancen autofreier Wohnquartiere formuliert.
Dieser Teil der Arbeit liefert mittels einer Synthese aus theoretischem und empirischem Teil eine Reihe von...