Die folgenden Ausführungen zu Basel III sollen als Grundlage für die darauf folgende kritische Betrachtung des Reformpaketes dienen. Nach einer Darlegung der Gründe für die Entstehung von Basel III werden die neuen Kapitalvorschriften sowie die Liquiditätsvorschriften erläutert.
Die Ausweitung der amerikanischen Immobilienkrise zu einer globalen Finanzmarktkrise im Jahr 2008, die zu weltweiten wirtschaftlichen Einbrüchen führte, hat gezeigt, dass sich die Vorschriften nach Basel II als unzureichend erwiesen haben und weder die Krise verhindern noch ihre Auswirkungen abmildern konnten.[156] Insbesondere wurde deutlich, dass das vorgehaltene Kapital der Kreditinstitute im Verhältnis zu den bestehenden Risiken zu gering bemessen und damit nicht ausreichend und nicht werthaltig genug war, um die Krise bewältigen zu können.[157] Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Kredit- und Liquiditätsrisiken falsch eingeschätzt bzw. unterschätzt wurden, was darauf hindeutet, dass die bestehenden Überwachungsmechanismen desolat waren.[158] Eine weitere Schwachstelle war die stark prozyklische Wirkung von Basel II, die darauf zurückzuführen ist, dass der steigende Kapitalbedarf der Banken während einer Krise auf ein geringes Kapitalangebot trifft.[159] Um die Banken vor einem Bankrott und die gesamte Wirtschaft vor einem Zusammenbruch zu retten, mussten die Staaten massiv in das Finanzsystem eingreifen.[160] Dies geschah vor allem durch umfangreiche Bankrettungspakete und Konjunkturhilfen, die sich letztendlich auf rund 10 Bio. US-$ summierten.[161] Als Reaktion auf die Krise folgte nach dem Willen der 20 größten Wirtschaftsnationen (G20) ein umfassendes Programm zur Regulierung der Finanzmärkte.[162] Die erste Reaktion des Baseler Ausschusses bestand in einer Reihe von Sofortmaßnahmen (Basel II.5), welche für eine Verbesserung der Risikomessung, für höhere Kapitalanforderungen im Verbriefungsgeschäft sowie für erweiterte Offenlegungsanforderungen sorgten.[163] Die in 2009 erlassenen Basel-II.5-Normen wurden in Deutschland und in der EU fristgerecht zum 31.12.2011 umgesetzt.[164] Eine der wichtigsten Regeln bildet allerdings Basel III, welche am 16.12.2010 vom Baseler Ausschuss beschlossen wurde.[165] Die schrittweise Einführung begann am 01.01.2013 und wird bis 2019 in Stufen ansteigender Anforderungen umgesetzt.[166] In der EU wurden die Basel-III-Vorschriften durch eine neue Kapitaladäquanzrichtlinie (Capital Requirement Directive, CRD IV) transformiert, welche im September 2013 in das deutsche Bundesgesetzblatt übernommen wurde.[167]
Die Überarbeitung der Baseler Eigenkapitalvereinbarungen mit Basel III setzt die Vorgaben des vereinbarten Aktionsplans zur Stärkung des Finanzsystems um.[168] Dabei wird in erste Linie das Ziel verfolgt, die Widerstandsfähigkeit und Risikotragfähigkeit des gesamten Finanzsystems gegenüber künftigen Finanzmarktturbulenzen zu stärken.[169] Außerdem soll ein funktionsfähiger internationaler Ordnungsrahmen geschaffen, die Transparenz erhöht, die Offenlegung erweitert sowie die Vergleichbarkeit der Kapitalausstattung von Instituten verbessert werden.[170] Grundsätzlicher Ausgangspunkt der Regelungen nach Basel III sind die Vorschriften nach Basel II – es ist eine Weiterentwicklung und Ergänzung aller drei Säulen.[171] Die wichtigsten Regelungen lassen sich in folgende drei Gruppen einteilen:[172]
Novellierung der Kapitalvorschriften.
Einführung einer Verschuldungsgrenze mittels Leverage Ratio.
Einführung eines neuen Liquiditätsstandards.
Die Basel-III-Regeln sind insbesondere durch die Erhöhung der Qualität und Quantität des Eigenkapitals sowie durch die Einführung eines Kapitalerhaltungspuffers und eines antizyklischen Kapitalpolsters geprägt.[173] Der Qualitätszuwachs soll zum einen durch die internationale Vereinheitlichung der vom Eigenkapital abzuziehenden Positionen und zum anderen „durch die Stärkung der Verlusttragungsfunktion und der Dauerhaftigkeit bankenaufsichtlicher Kapitalinstrumente erreicht werden“[174][175]. Die Quantität wird durch eine deutliche Erhöhung der Mindestquote des Eigenkapitals mit höchster Qualität erzielt.[176] Das bankenaufsichtliche Eigenkapital stellt einen Risikopuffer dar und setzt sich nach Basel III aus dem Kernkapital, welches sich in das harte und das zusätzliche Kernkapital untergliedert, und dem Ergänzungskapital zusammen.[177] Das Kernkapital dient primär der Sicherstellung der Unternehmensfortführung, indem Verluste aufgefangen werden können.[178] Die Anforderungen an die Anerkennung der Kapitalkomponente des harten oder des zusätzlichen Kernkapitals wurden durch das neue Rahmenwerk verschärft und in einem Kriterienkatalog zusammengefasst.[179] Zukünftig soll das zur Risikodeckung notwendige Kernkapital nach den regulatorischen Abzügen zu mindestens 75 % aus harten Bestandteilen bestehen.[180] Das Ergänzungskapital dagegen dient zur Befriedigung der Ansprüche von Gläubigern im Insolvenzfall.[181] Auch hierbei werden für die Anerkennung von Kapitalkomponenten neue Anforderungen gestellt. Die neue Struktur des Eigenkapitals wird in der nachstehenden Abbildung dargestellt.
Abbildung 2: Eigenkapitalanforderungen nach Basel III[182]
Durch die neuen Vorschriften wird es eine deutliche Erhöhung des Eigenkapitals geben, insbesondere im Bereich des harten Kapitals. Die Mindestquote für das harte Kapital wird schrittweise auf 4,5 % erhöht.[183] Die Mindestanforderungen an das gesamte Kernkapital steigen auf 6 %, infolgedessen darf das zusätzliche Kapital maximal 1,5 % betragen.[184] Das Ergänzungskapital verliert dabei an Bedeutung und beträgt zukünftig nur 2 %. Damit liegt zwar der Mindestumfang des Gesamtkapitals unverändert bei 8 % des Gesamtrisikos, allerdings werden die Anforderungen durch den neuen zusätzlichen Kapitalerhaltungspuffer, der ebenfalls aus hartem Kernkapital mindestens in Höhe von 2,5 % gebildet wird, ergänzt.[185] Der Kapitalerhaltungspuffer soll in einer Verlustphase den Instituten als Rückgriffsmöglichkeit dienen.[186] Als weitere Sicherheit sieht Basel III die Einführung eines antizyklischen Kapitalpolsters vor. Dieses soll mögliche Spekulationsblasen in einer Boom-Phase der Kreditvergabe eindämmen, um damit in der späteren Abschwungsphase Verluste abfangen und die Wirtschaft ausreichend mit Krediten versorgen zu können.[187] Im Gegensatz zum Kapitalerhaltungspuffer muss der antizyklische Puffer nicht durchgehend vorhanden sein. Seine Bildung wird individuell durch die nationale Aufsicht bestimmt und kann zwischen 0 und 2,5 % der risikogewichteten Aktiva betragen.[188] Die neuen Mindestanforderungen und der Aufbau der Kapitalpuffer werden im zeitlichen Ablauf in der nachstehenden Abbildung dargestellt.
Abbildung 3: Neue Mindestanforderungen und Aufbau der Kapitalpuffer[189]
Die Abbildung verdeutlicht, dass das vollständige Reformpaket zum 01.01.2019 verpflichtend umgesetzt sein wird und damit die quantitative Kapitalanforderung bis zu 13 % betragen kann. Um das geforderte Kapital zu beschaffen, können die Banken ihr Eigenkapital durch Kapitalerhöhungen oder Gewinnthesaurierung ausbauen oder ihre risikogewichteten Aktiva verringern.[190] Bei Nichteinhaltung der Anforderungen sollen unmittelbar Konsequenzen folgen, die so lange anhalten werden, bis die regulatorischen Eigenmittel wieder aufgestockt sind.[191] Die Berechnung des Risikogehalts für die eingegangenen Geschäfte soll wie bereits bei Basel II durch das Rating erfolgen.[192]
Mit Basel III wird zusätzlich zu den risikobasierten Eigenkapitalmessgrößen eine einfache, transparente und nicht risikobasierte Höchstverschuldungsquote (sog. Leverage Ratio) eingeführt.[193] Hintergrund der Implementierung ist, dass die Kreditinstitute in den Vorkrisenjahren eine hohe bilanzielle und außerbilanzielle Verschuldung aufgebaut hatten, wodurch die Krise zusätzlich verschärft wurde.[194] Durch Leverage Ratio soll zum einen der Verschuldungsaufbau im Bankensystem begrenzt werden und zum anderen ein zusätzlicher Schutz vor Modellrisiken und Messfehlern vorhanden sein.[195] Um diese Vorgaben zu erreichen, soll die Verschuldungsobergrenze „das maximal mögliche Geschäftsvolumen …[der Banken] durch die Höhe...