Der Begriff „Rolle“ soll zunächst definiert werden und aufzeigen, welche unterschiedlichen Ansätze in der Wissenschaft existieren. Der Rollenbegriff wird anschließend auf den Lehrer übertragen und die Entwicklung der Lehrerrolle thematisiert. Die Anforderungen an den Lehrer werden nun in Verbindung mit den Rollenerwartungen gebracht und die erwarteten Kompetenzen von Lehrern aufgezeigt. Es folgt die Berücksichtigung der Lehrerpersönlichkeit im Zusammenhang mit den Rollenpositionen. Anschließend werden die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen beschrieben und deren Einfluss auf die Bewältigung von Belastungen im Lehrerberuf aufgezeigt.
Der Rollenbegriff ist zunächst neutral, ohne schulischen Kontext zu betrachten. Zwei grundlegende Theorien beschreibt Bohnsack (1997) und stellt sie gegenüber. Es handelt sich um den traditionellen und den interaktionistischen-kommunikationstheoretischen Rollenbegriff.
Der traditionelle Rollenbegriff sieht die Rolle als „[…] das Bündel an Verhaltensweisen, das von einem Inhaber bestimmter Positionen und Funktionen von deren Bezugsgruppen erwartet wird“ (ebd.: 154). Der Status des Rollenträgers, z.B. eines Lehrers, ist Ursache für bestimmte Erwartungen der Bezugsgruppen. Damit sind soziale Gruppen gemeint, die in direktem Zusammenhang mit dem Rollenträger stehen. Die Erwartungen beinhalten u.a. die berufliche Qualifikation, das gesellschaftliche Ansehen und das Gehalt. Diese Erwartungen werden durch (gesellschaftliche) Normen gestützt und kontrolliert. Der Ansatz dieser Rollentheorie setzt eine soziale Ausprägung der Rollen voraus. Die Rollenposition dient so der gesellschaftlichen Ordnung und führt zu einer klaren Zuständigkeit. Die persönliche Identität jedes Einzelnen wird hierbei vernachlässigt (vgl.: ebd.: 154).
Demgegenüber steht der interaktionistische - kommunikationstheoretische
Rollenbegriff. Dieser Begriff ist eine Modifizierung der traditionellen, ursprünglichen Rollentheorie. Im Gegensatz zum traditionellen Rollenbegriff werden hier „Spielräume der Personen“ (ebd.: 154) berücksichtigt.
Die Person soll der erstrebten Rolle nachkommen, aber als PERSON Abstand nehmen können. Das Bewusstsein, dass es sich lediglich um eine Rolle handelt, führt zu einem besseren Umgang mit den beschriebenen Erwartungen (vgl.: Krappmann 1989: 1314 ff.), letztlich zu einem professionellen (vgl.: Punkt 3.: 41) Umgang mit der eigentlichen Rolle. Diese Theorie besagt, dass Rollenerwartungen keine festen Größen, sondern frei interpretierbar sind, abhängig vom Individuum. Auftretende Rollenkonflikte, die durch den Wandel der Gesellschaft entstehen können, werden genutzt, um die Rolle neu zu gestalten und weiterzuentwickeln. Es kommt so zu Rollenüberschneidungen (vgl.: ebd.: 1317). Im Hinblick auf die Lehrer wird eine gravierende Entwicklung der Lehrerrolle sichtbar. Das zeigt der folgende Punkt.
1.1.1. Die Entwicklung der Lehrerrolle
Die Differenzierung der beiden Ansätze (traditionell und interaktionistisch- kommunikationstheoretisch) lässt sich mit der Lehrerrolle in Beziehung bringen. Anknüpfend an die Rollentheorie beschreibt Bohnsack (1997) die Entwicklung der Lehrerolle. Es werden einige Parallelen sichtbar, inwieweit die Lehrerolle von der Wandlung des Rollenbegriffs beeinflusst wurde.
Die traditionelle Lehrrolle spiegelt sich in dem traditionellen Rollenbegriff wieder. Die Lehrertätigkeit nimmt eine Funktion in der Gesellschaft ein. Die Bezugsgruppen bilden Schüler, Eltern, Kollegen, Schulaufsicht, und öffentliche und private Institutionen. Von den Bezugsgruppen wird eine „ [...]Sicherung und Übermittlung des Kulturerbes, also eine gesellschaftsstabilisierende Funktion [...]“ (ebd.: 155) erwartet. Ebenso soll der Lehrer Wissen, Werte, Normen und Verhaltensweisen der jeweiligen Gesellschaft lehren und fördern.
Die Kritik an der traditionellen Lehrerrolle wird mit der mangelnden Berücksichtigung des Individuums eröffnet. Die demokratische Lehrerrolle ist die Weiterentwicklung der traditionellen Lehrerrolle. In dem Zusammenhang fällt der Begriff „Selbstrolle“, der von Mollenhauer (1971) geprägt wurde. Dieser Begriff beschreibt die Biographie und die pädagogischen Erfahrungen des Lehrers.
Diese Berücksichtigung der Begriffe wird in der traditionellen Lehrerrolle vernachlässigt (vgl.: ebd.: 100). Es wird von einer „Sozialisation im Beruf“ gesprochen. Die Sozialisation im Beruf befasst sich mit der beruflichen Anpassung, aber nicht mit der „[...] Entwicklung der beruflichen Identität [...]“ (Gudjons 1993: 41).
Der Lehrer hat darüber hinaus eine aufklärende, kritische Funktion, die nur durch pädagogische Freiheit gewährleistet werden kann.
Damit ist der Spielraum gemeint, den der Lehrer mit pädagogischem Handeln füllt. Unabhängig von Regeln und sonstigen Vorschriften (vgl.: Bohnsack 1997: 156). Dies hat zur Folge, dass die Ausfüllung der Rolle durch den Lehrer nicht immer eindeutig verläuft und die damit verbunden Rollenerwartungen divergieren können. Die Lehrerrolle ist einem stetigen Wandel unterzogen. Zum einen soll der Lehrer zum Lernen animieren, zum anderen den Schüler in die Lernprozesse mit einbinden, also weg von der traditionellen Sichtweise (vgl.: Herrmann 2000: 17f.). Gudjons (1993) ergänzt, dass der Beruf des Lehrers einer starken Rollenerwartung unterzogen ist. Diese hohe Erwartung wird von der Gesellschaft initiiert (vgl.: ebd.: 34 f.). Daher soll der Lehrer sein Rollenhandeln abwägen. Hierbei kommt es auf eine Unterscheidung des persönlichen und beruflichen Rollenhandelns an. Die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ist eine Mischung aus unterschiedlichen Rollenpositionen (Selbstrolle vs. Lehrerrolle). Der Lehrer entwickelt so eine eigene Haltung gegenüber den Schülern. Hericks (2006) sieht den Lehrer, ähnlich wie Herrmann, als einen „Fachexperten“ und „Vermittler“ (vgl.: ebd.: 92).
Diese Aussagen belegen ein verändertes Profil der Lehrerrolle, das sich in den letzten Jahren immer weiter entwickelt hat: hin zur einer demokratischen Lehrerrolle unter Berücksichtigung der eigenen Persönlichkeit. Doch welche Anforderungen und Kompetenzen werden an den Lehrer bzw. Lehrerberuf gestellt?
1.1.2. Anforderung an den Lehrer - erwartete Kompetenzen
Die Entwicklung der Lehrerrolle führt zur gleichzeitigen Veränderung der beruflichen Anforderungen im Lehrerberuf. Die aus den genannten Rollenerwartungen resultierenden Anforderungen und Kompetenzen werden im Folgenden diskutiert und verglichen.
Zu den Kernkompetenzen eines Lehrers gehören das Unterrichten, Erziehen,
Diagnostizieren, Beurteilen, Beraten und die Kompetenz, Schule weiterzuentwickeln. Das Unterrichten ist nicht ausschließlich eine reine Wissensvermittlung, sondern beinhaltet „[...] die Unterstützung von fachübergreifendem, problembezogenem, kooperativem und selbst organisiertem Lernen“ (Popper 2004: 25).
Die Kernkompetenz „Erziehen“ beschreibt die Betrachtung von Sozialisationseinflüssen, also die Bewertung und Berücksichtigung des Schülerumfeldes. Der Lehrer hat die Aufgabe, die Sozialkompetenz der Schüler zu fördern. Die Kernkompetenz „Erziehen“ gewinnt zunehmend an Bedeutung. Im optimalen Fall soll der Lehrer den Schülern „[...]das Gefühl geben können, dass er ihm individuell und unabhängig von gezeigter Leistung als Mensch wichtig und wertvoll ist [...]“(Ilien 2008: 249). Diese Empathiefähigkeit ist Voraussetzung für einen leistungsorientierten Lernprozess (vgl.: ebd.: 249).
Diagnostizieren, Beurteilen und Beraten meint die Kompetenz, mit der der Lehrer die Lernfortschritte erkennt, bewertet und zur Förderung der Lernfähigkeit beiträgt. Die Weiterentwicklung der Schule wird ebenfalls als Kernkompetenz hervorgehoben. Der Lehrer soll sich aktiv an der Schulentwicklung beteiligen. Hierzu gehört die Bereitschaft, kooperativ zu sein (Kollegium), aber auch die eigenen Kompetenzen zu überprüfen und zu fördern (vgl.: Popper 2004: 25).
In Bezug auf die Differenzierung der Kernkompetenzen unterscheidet Hillert (2004) zwei Kategorien. Er nennt zum einen organisatorische Aufgaben, die sich mit den Rahmenbedingungen des Unterrichtens beschäftigen: „[...]von der Pausenaufsicht über Bücherbestellungen, von praktischen Arbeiten wie dem Umräumen überfüllter Klassenzimmer bis zum Führen von Statistiken[...]“(ebd.: 77). Zum anderen hebt er die pädagogischen Aufgaben hervor, die, ähnlich wie bei Poppert, die Diagnose, Beurteilung, Beratung und Erziehung beinhalten (vgl.: ebd.: 77).
An diesem Punkt kritisiert Herrmann (2000) die mangelnde strukturelle Unterstützung der Berufsgruppe der Lehrer, obwohl diese eine wichtige gesellschaftliche Rolle...