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Belastung und Beanspruchung im Alltag von Lehrkräften: Vergleich zwischen Halbtags- und gebundener Ganztagsschule

AutorAlina Müller
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl67 Seiten
ISBN9783863417673
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Die Zunahme an beruflichen Belastungen im Lehrberuf, mit denen LehrerInnen innerhalb ihrer Tätigkeit in der Schule konfrontiert werden, scheint stetig zuzunehmen. Nicht selten scheitert das Bemühen der Lehrkräfte um eine optimale Erfüllung der an sie gestellten, beruflichen Anforderungen und dienstlichen Verpflichtungen trotz Anstrengung und größtem Engagement. In Konsequenz dessen ergibt sich eine messbare Zunahme von Frustration, Berufsunzufriedenheit, bis hin zu völliger Resignation und Burnout-Phänomenen. In Deutschland erreichen beispielsweise nur noch rund 20-25% aller Lehrkräfte das Pensionsalter. Ein großer Teil der Lehrkräfte quittiert den Schuldienst bereits frühzeitig aus meist gesundheitlichen Gründen. Der Lehrberuf zählt damit maßgeblich zu den belastenden und gesundheitsgefährdenden Berufskategorien. Die Rahmenbedingungen für Bildung, Unterricht und Erziehung sind innerhalb deutscher Schulen oftmals weder für SchülerInnen noch für deren Lehrkräfte förderlich. Damit werden große Schulklassen von bis zu 32 SchülerInnen sowie die Reduzierung finanzieller- wie materieller Ressourcen der Schulen nicht selten für beide Parteien zum Problem. Aufgrund institutioneller Rahmenbedingungen ist es für Lehrerinnen und Lehrer oft kein leichtes Unterfangen Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsstörungen der Kinder und Jugendlichen aufzufangen und auszugleichen. Die Lehrerschaft, wie auch die Institution Schule, ist daher seit geraumer Zeit sehr stark in die Kritik der Eltern und der Öffentlichkeit geraten. Durch die Veröffentlichung von Erhebungsdaten und Ergebnisdarstellungen internationaler schulischer Vergleichsstudien wie PISA ist das Schulsystem der Bundesrepublik Deutschland zunehmend angezweifelt worden. Schon lange ist innerhalb der Institution Schule deutlich geworden, dass Schule mehr als nur Unterricht ist, und da neben dem Schulversagen bei vielen Schülern zudem offensichtliche Defizite vorhanden sind und zeitgleich der Anspruch besteht, allen Schülern eine optimale Erziehung und Bildung zu ermöglichen, sind ganztägige Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche dringend erforderlich geworden. Die eingeforderten Innovations- und Reformprozesse innerhalb der Diskussion zur Veränderung der Schule in der BRD schließen immer häufiger unterschiedliche Formen der ganztägigen Erziehung mit ein. Angesichts der beschriebenen Sachlage wird zunehmend deutlich, dass die Zukunft unseres Schulwesens wohl in der Ganztagsschule liegt. Im [...]

Alina Müller arbeitet seit ihrem erfolgreich abgeschlossenen Studium der Germanistik und Evangelischen Theologie an der Goethe-Universität in Frankfurt als Lehrerin im Haupt- und Realschulbereich.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3.2.1, Belastungskomponenten auf der Systemebene: Unter Belastungskomponenten des Lehrberufs, die auf der Systemebene wirken, sind institutionelle Belastungsfaktoren, die den Lehrkräften innerhalb des Schulsystems begegnen, zu verstehen. Der hohe Anteil an frei bestimmbarer Arbeitszeit zählt Kramis-Aebischer zu den hauptsächlichen Belastungsfaktoren im Lehrberuf. Aufgrund der Etablierung des öffentlichen Schulwesens in Deutschland erfolgt die Steuerung der Arbeitszeit und damit auch die Festlegung der von Lehrkräften zu erteilenden Anzahl an Unterrichtsstunden nach dem sogenannten Pflichtstundenmodell. Dieses legt ausschließlich die vor der Klasse abzuleistende Unterrichtszeit fest und sieht je nach Bundesland und Lehramt zwischen 23 und 28 Stunden vor. In der Regel gelten als Wochenarbeitszeit für vollzeitbeschäftigte verbeamtete Lehrkräfte, je nach Bundesland aber in der Regel 40 bis 42 Stunden. Damit bleibt Lehrkräften fast ein Drittel ihrer Arbeitszeit zur eigenständigen Einteilung überlassen. Innerhalb des Lehrberufs ist der Arbeitsbereich auf zwei verschiedene Orte verteilt. Während Lehrerinnen und Lehrer in der Schule den Unterricht abhalten und sich dem schulpädagogischen Handeln widmen, werden Unterrichtsvor- und -nachbereitungen sowie Korrekturarbeiten, Absprachen und Elternarbeit in der Regel zu Hause verrichtet. Bieri betont in diesem Zusammenhang, dass eine psychohygienisch wichtige Abgrenzung, nämlich die der beruflichen Tätigkeit von Privatleben und Freizeit, schwierig bis kaum realisierbar ist. Dadurch, dass der Arbeitsplatz im Lehrberuf auf zwei unterschiedliche Orte aufgeteilt ist, ergibt sich nämlich ein nicht abgegrenztes Arbeitsfeld. Die häusliche Arbeitszeit innerhalb des Lehrberufs ist durch das Pflichtstundenmodell nicht normiert vorgegeben, sondern wird den einzelnen Lehrkräften vollständig selbst zur Einteilung überlassen. Oftmals werden Unterrichtsvor- und -nachbereitungen, Korrekturarbeiten, Absprachen mit Kolleginnen und Kollegen sowie Elternarbeit nicht nur an Nachmittagen, sondern darüber hinaus auch an Wochenend- und Sonntagen, sowie in den Schulferien erledigt. Dies führt dazu, dass es für Lehrerinnen und Lehrer schwierig wird, das Privatleben von der beruflichen Arbeit abzugrenzen. Freizeit und Arbeitszeit können sich vermischen. Dies erschwert oftmals das Abschalten-Können, denn die berufliche Arbeit kann nicht immer von der privaten Freizeit getrennt werden. Zudem erzeugt der hohe Anteil an frei bestimmbarer Arbeitszeit bei den Lehrkräften das Gefühl, man könnte für die Unterrichtsvor- und -nachbereitungen, Schülerbeurteilung sowie für die pädagogische Fortbildung noch viel mehr tun. Mit dem dadurch aufkommenden Gefühl der zeitlichen Überforderung gehen nicht selten Schuldgefühle einher. Die Zeitsouveränität am heimischen Arbeitsplatz birgt aber auch die Gefahr, dass Lehrkräfte ihre Arbeit mit den Freizeitaktivitäten vermischen. Auf diese Weise können Hektik und Stress entstehen, da Lehrerinnen und Lehrer möglicherweise keinen geregelten Arbeitsrhythmus finden und vieles kurzfristig erledigen. Dadurch weiten sich die Arbeitszeiten aus und es entsteht das Gefühl, dass man ständig im Dienst steht, was auf Dauer zu beruflicher Unzufriedenheit führen kann. Laut Rudow ergaben mehrere empirische Analysen zur Arbeitszeit als Belastungskategorie für Lehrkräfte, dass der Lehrberuf im Vergleich zu anderen Berufs- und Tätigkeitsgruppen eine überdurchschnittlich hohe Arbeitszeit aufweist. Die Studie der Unternehmensberatung Mummert und Partner aus dem Jahre 1999 zeigt, dass die eigentliche Unterrichtszeit von Lehrerinnen und Lehrern (in Abhängigkeit der Schulform und Jahrgangsstufe) nur etwa 40% der Gesamtarbeitszeit der Lehrkräfte ausmacht. Damit entfällt sogar über die Hälfte der Arbeitszeit auf außerunterrichtliche Tätigkeiten. Bei einer 2005 durchgeführten repräsentativen Befragung von 661 gewerkschaftlich organisierten Lehrkräften in Baden-Württemberg wurden folgende Kriterien im Rahmen der Arbeitszeitreglung bewertet: Pädagogische Qualität, Arbeitszeitgerechtigkeit, Sozialklima im Kollegium, Begrenzung der Arbeitszeit, Kommunikation und Kooperation, Transparenz nach außen, persönliche Zeitsouveränität, neue Unterrichtskonzepte, Transparenz nach innen, Trennung von Arbeit und Freizeit, Verwaltungsaufwand, Aufgabenschwerpunkte, Verlässlichkeit von Unterricht und Rhythmus der Arbeit. Darunter wurden von den Lehrkräften als fünf wichtigste Forderungen an die schulische Arbeitszeit genannt: Die Förderung qualitativ hochwertiger pädagogischer Arbeit, Arbeitszeitgerechtigkeit, ein gutes Sozialklima innerhalb des Kollegiums sowie Kommunikation und Kooperation unter Kolleginnen und Kollegen und die Begrenzung der Arbeitszeit nach oben hin. Die Ergebnisse der Studie lassen jedoch darauf schließen, dass die Arbeitszeitreglung an deutschen Schulen diesen für die Lehrkräfte bedeutsamen Kriterien so gut wie gar nicht gerecht wird. Arbeiten Lehrkräfte unter länger andauerndem Zeitdruck, wird die Arbeitszeitreglung von ihnen als Belastung wahrgenommen und es können sich Überlastungserscheinungen, wie beschleunigte Ermüdung, ein ständiges Gefühl des Überfordertseins oder eine Verschlechterung der Arbeitsqualität, manifestieren. Der Lehrberuf ist laut Rothland/Terhat in Bezug auf die öffentliche Wahrnehmung durch ein großes Maß gesellschaftlicher wie auch individueller Verantwortung geprägt. Der soziale Status der Lehrerschaft innerhalb der Gesellschaft entspricht trotz der hohen Verantwortung der Lehrkräfte jedoch nicht den individuellen Vorstellungen von Lehrerinnen und Lehrern. Das drückt sich nicht zuletzt durch Unzufriedenheit über die berufliche Perspektivlosigkeit aus. Diese Wahrnehmung kann nach einigen Dienstjahren vor allem bei stets engagierten Lehrkräften zu Resignation führen. Durch die Wahrnehmung, dass sich vollbrachte Leistungen nicht lohnen, sinkt oftmals die berufliche Motivation und das unterrichtliche Bemühen bei Lehrerinnen und Lehrern. Für Lehrkräfte gibt es nämlich nur sehr wenige objektive Effizienzkriterien für die eigene Arbeit. Durch seltene oder gänzlich ausbleibende, unklare und einseitige Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern fehlen den Lehrkräften oft Erfolgserlebnisse zur Objektivierung der täglichen Leistung in der Schule. Aufgrund geringer Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Lehrberufs verstärkt sich bei Lehrerinnen und Lehrern oftmals die Wahrnehmung ihres Berufes als 'Sackgassenberuf'.
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