Die Benchmarke
… ist wesentlich
- Fokus Customer Insight: Nur wer die Nöte seiner Kunden versteht, kann relevant handeln.
- Dafür ist es wichtig, die Schmerzpunkte genau zu analysieren: Wo liegen die Ängste, und wie muss eine Lösung aussehen, die die Lage des Kunden spürbar verbessert?
- Wesentliche Marken tragen zum Seelenfrieden bei, indem sie einen wertvollen Beitrag zur Lebensqualität leisten.
Für etwa 1,6 Millionen Kinder in Deutschland gehören Verzicht und Mangel zum Alltag. Und das in einem der reichsten Länder der Welt, das sich mit Stolz auf Humboldt, Goethe, Bach und Einstein beruft. Und auf seine Unternehmen, die ganzen Erfinder und Weltmarktführer. Alle sind sich einig darin, dass es soziale Ungerechtigkeit gibt. Getan wird relativ wenig dagegen. Man spendet meist nicht aus Geiz nicht, sondern wegen des beklommenen Gefühls: Durch die Konfrontation mit Missständen wird einem der eigene Wohlstand bewusst. Man schämt sich beinahe dafür, dass es einem besser geht. Eine Spende von ein paar Euro kommt einem vor diesem Hintergrund eher vor wie ein schäbiger Versuch, sich von seinem schlechten Gewissen freizukaufen. Das ist der kritische Punkt, an dem häufig lieber nichts geschieht.
Wobei viele Leute, sogar ganze Belegschaften, sich, statt nur zu spenden, gleich selbst engagieren.
Starke Marken adressieren solche besonders sensiblen Momente, indem sie dennoch eine Lösung bieten, die die unmittelbare Verbesserung des Ist-Zustands bewirkt. Damit das schneller und besser geht, gibt es eine starke soziale Marke, die ihnen dabei hilft: Die Non-Profit-Initiative „Deutschland rundet auf“ setzt genau da an, wo eine Spende sich wie ein schäbiger Ablasshandel anfühlt. Und das auf eine sehr sympathische Art und auf Augenhöhe, ohne Druck auf die Tränendrüse. Sie nimmt bewusst keine Euros und sagt „Kleine Cents. Große Wirkung“ – bei Projekten, die Kinderarmut in Deutschland bekämpfen. Die Schilder mit der Aufforderung „Aufrunden bitte!“ gibt es bei großen Filialunternehmen an der Kasse.
Vor allem sind das solche, deren Image ganz besonders davon profitiert – Kaufland, Netto, Penny, Reno, Bonprix … Das darf ja auch so sein.
Man muss es der Kassiererin sagen, dann rundet sie auf den nächsten vollen 10-Cent-Betrag auf, und die Differenz geht an die Stiftung. In weniger als drei Jahren sind mehr als 4 Millionen Euro zusammengekommen – ohne dass die Spender es wirklich gemerkt haben. Kein Nesteln nach Kleingeld, kein Gefummel an der Ein-Herz-für-Kinder-Spardose, keine bösen Blicke aus der Warteschlange. Ein Satz genügt, den Rest macht das Kassensystem.
Dem Gründer der Initiative, Christian Vater, wird eines Tages bewusst: Der Deutsche kann die kleineren Cent-Münzen im Portemonnaie nicht ausstehen und spendet dennoch nicht, weil er sich bei dem Prozess der Aushändigung schäbig vorkommt. Vater weiß auch, dass Spendendosen bei den Marktleitern rote Tücher sind. Sie stehen immer im Weg, werden ständig geklaut, und der administrative Aufwand kostet mehr als das, was drin ist. Außerdem müssen sie das Geld persönlich überbringen. „Da will man Gutes tun und bekommt am Ende Ärger mit der Steuer“, sagt der Leiter eines Supermarktes. „Deutschland rundet auf“ bietet für genau diese „Pain Points“ die Lösung. Die IT-Anwendung wird in den Kassenprozess des Partners integriert und erledigt dann die Abrechnung und Steuerliches gleich mit. Das alles immer dann, wenn der Kunde, am liebsten aus purer Gewohnheit, der Kassiererin die beiden Worte sagt: „Aufrunden bitte!“
Bei uns im Penny am Gärtnerplatz in München gibt’s immer noch ein Petzauge von der charmanten Weltbürgerin an der Kasse gratis dazu.
Um der Sache die Tragschwere der milden Gabe für den guten Zweck zu nehmen, zählt Christian Vater, für sein Engagement geehrt als Best Newcomer Human Brand 2012, auf prominente Mitbürger. Zuzeiten setzen sie sich alle gleichzeitig an Deutschlands Super-, Bau-, Drogerie- und Getränkemarktkassen und trugen so die Idee in die Redaktionen. Tue Gutes und lasse darüber sprechen. Henri Maske, Heino und Andrea Sawatzki sind dabei, Cindy aus Marzahn kassiert bei Penny in Marzahn. Christian Vater schafft mit „Aufrunden bitte!“ eine relevante Marke, die eine relevante gesellschaftliche Herausforderung relevant anpackt. Und, das ist besonders smart, ohne den erhobenen Zeigefinger. Am wichtigsten ist, dass man ihr fast ausschließlich im stimmigen Kontext begegnet. Dafür, dass das Geld sinnvoll investiert wird, steht das Kuratorium mit anerkannten Human Brands – pro bono, versteht sich.
Ein besonderer Customer Insight ist hier der frische Einblick in die Bedürfnisse, Wünsche, Nöte, Probleme und Verhaltensweisen des Kunden. Er führt dazu, dass der endlich sagen kann: „Now you finally got it. Now you really understand me!“
„Herr Professor: You can speak Pfälzisch to me!”
Sein Spendenpotenzial und seine Bereitschaft, zu spenden, sind ihm im Zweifel gar nicht bewusst. Umso mehr freut er sich, wenn er ohne viel Aufwand zum Wohltäter avanciert. Auch deshalb ist es wichtig, regelmäßig über die konkrete Wirkung der eingeworbenen Gelder bei Initiativen wie „Off Road Kids“ und „Das Family Programm“ zu sprechen. Wer den Effekt seiner Gabe, gerade vor der eigenen Haustür mitten in Deutschland, plakativ mitbekommt, gibt gern wieder. Und die Partner profitieren auch, extrem glaubwürdig. Vater: „Wir wollen sicherstellen, dass jeder, der möchte, etwas Gutes tun kann. Welche Einkaufsstätte er dafür wählt, ist ihm überlassen. Außerdem: Greenwashing ist etwas, woran ich überhaupt nicht glaube. Es funktioniert nicht. Wir leben in einer Zeit von Globalisierung und Social Media, und wenn jemand etwas tut, was nicht in Ordnung ist, kommt es immer raus.“
Da hat er recht. Das ist eine der Segnungen der absoluten Transparenz von Social Media.
Customer Insights spiegeln die Sehnsüchte, Wünsche und Ängste des Kunden wider. Sie zeigen, was ihn zum Kauf von Produkten und Leistungen veranlasst. In vielen Fällen sind ihm seine Motive gar nicht bewusst, oder er verdrängt sie, weil die Konfrontation mit seiner Innensicht durchaus unangenehm sein kann. Wer gibt schon gern zu, dass er den Porsche nur kauft, um dem Nachbarn zu imponieren? Oder dass er San-Pellegrino-Mineralwasser trotz des hohen Preises nur nimmt, um nicht als Knauser dazustehen, wenn abends der Chef zum Essen kommt? Die starke Marke spielt mit den Ängsten des Kunden. Relevant ist sie, wenn er in ihr die Lösung für sein Problem sieht. In erster Linie will er sich auf sie verlassen können. Wenn es eine Firma schafft, ihr Produkt am neuralgischen Punkt des eingelösten Markenversprechens zu positionieren, ist sie bedeutsam.
Der Saft- und Smoothieladen Innocent hat einen sehr nachvollziehbaren Customer Insight: „Uns gibt es, damit sich jeder ganz leicht etwas Gutes tun kann (das auch noch super schmeckt).“ Das ist das Versprechen. Es soll eingelöst werden, indem der Markt mit einer Vielzahl von leckeren, hochkonzentrierten Säften versorgt wird, die zu 100 % aus Obst und zu 0 % aus sonst was bestehen. „Ananas, Banane & Kokosnuss“, „Brombeere, Erdbeere & Johannisbeere“, „Granatapfel, Heidelbeere & Açaí“ … Die Mischung ist stets so bunt wie die Kommunikation.
Kommt dreiviertelwegs glaubwürdig rüber: gehört nicht zu Coca-Cola, macht nicht brachial auf bio, und die Plastikflaschen sind zum großen Teil recycelt. Nur warum die auf der Website jetzt auch noch groß rumstricken müssen wie Myboshi …?
Und Hauptsache gesund. Der Thrill an der Sache kommt nicht aus der Produktidee, sondern aus der Positionierung: Wider Erwarten wendet sich Innocent nicht an besorgte Mütter, die ihren vom Chinesisch-, Geigen- und Yogaunterricht gestressten Highspeed-Kindern die Leistungskraft fürs drohende Assessment-Center im Waldorf-Kindergarten geben wollen. Da gibt es vielmehr noch die Väter dieser kleinen Racker. Die strampeln toujours auf den Autobahnen und in den Senator-Lounges und Meetingräumen dieser Welt und verdienen das Geld für die standesgemäße Erziehung und Ernährung ihrer Lieben. Dabei betreiben sie vor allem eines: Raubbau am eigenen Körper. Für Sport bleibt nur Zeit in den Ferien; dann reichlich, vier Stunden Tennis bei 40 Grad im Schatten, anschließend hochkant mit der Hobie Cat durchs Mittelmeer und abends Powerspinning. Nicht weniger kompromissfrei ist die Ernährung in der urlaubsfreien Zeit: drei Tassen Kaffee morgens, Frühstück bei Mc Donald’s,
Nee, mein Bester, der frühstückt auf dem Lomo-Autohof, den Namen find ich Kult, und zwar das Schnitzel à la Meyer. Da gibt’s auch immer was fürs Auge.
ansonsten Nespresso und Bahlsen im Meeting und vor der Rückfahrt die extrascharfe Curry bei „Best Worscht in Town“ oder in der Art. Gut, dass Rennie den Magen aufräumt.
Genau hier tritt Innocent auf den Plan: Im Berufsleben des Managers gibt es nur wenige Momente, in denen er zum Nichtstun verdonnert ist – wenn er auf den Flieger wartet oder auf den Zug. Die Zeit zum Rechnerhochfahren ist zu knapp, das Umfeld zu lärmig, Telefonkonferenzen stehen keine an. Er drückt sich so rum am Airport und am Hauptbahnhof, dreht die x-te Runde bei Relay durch die Zeitungen, dann bei Rewe City. Da passiert’s: Innocent, zwischen eingeschweißtem, verzehrfertigem, fast frischem Obst und Volvic-Tee mit Grüntee-Extrakt! Es schreit den Kunden an: „Hast du dir heute was Gutes getan oder warst du wieder bei Best Worscht in Town?“ Jetzt Unschuld shoppen, Saft oder Schmusi. Dieses Insight trifft die Mechanik des...