Die natürliche Haltung im Stand
Wie im Sitz ist die natürliche Haltung auch im Stand individuell.
Wenn Sie mit den Bewegungsmustern der natürlichen Haltung im Sitz schon vertraut sind, wird es Ihnen leicht fallen, auch im Stand die richtige Position zu finden.
Vorübung: Wahrnehmen der Füße im Stand
Stellen Sie sich bequem hin, so dass die Füße ungefähr hüftbreit auseinanderstehen, die Fußspitzen schauen leicht nach außen. Nun zoomen Sie sich mit dem Bewusstsein in Ihre Füße und nehmen wahr:
- Wo spüre ich den Druck unter der Fußsohle: Ist er gleichmäßig verteilt oder stehe ich mehr auf dem rechten oder linken Fuß, eher auf den Innenkanten oder den Außenkanten der Füße?
- Gibt es Stellen unter der Fußsohle, wo ich besonders starken Druck spüre oder Stellen, die kaum Druck haben?
- Steht mein Fersenbein gerade und ist die innere Längswölbung der Füsse zu erkennen?
- Was machen meine Zehen? Sind sie eingekrallt oder liegen sie locker auf dem Boden auf?
Sie können dabei die Augen schließen, um sich besser auf Ihre Wahrnehmung zu konzentrieren. Wenn Sie Probleme mit dem Gleichgewicht haben und sich bei der Übung unsicher fühlen, können Sie sie auch mit offenen Augen machen oder sich dabei an einer Wand festhalten.
Beginnen Sie nun, Ihr Körpergewicht zu verlagern: erst nach links und nach rechts, dann nach vorne und zurück. 1.17–1.20
1.17–1.20 Durch Gewichtsverlagerung im Stand können Sie den Bodenkontakt der Füße wahrnehmen
Achten Sie darauf, wie sich die Druckverhältnisse unter den Füßen verändern und wie die Zehen auf die veränderte Gleichgewichtslage reagieren. Sie werden feststellen, dass die Vorfußbelastung steigt und die Zehen anfangen zu krallen, wenn Sie das Körpergewicht nach vorne verlagern. Beim Verlagern des Körpergewichtes nach hinten steigt die Rückfußbelastung, die Zehen werden zu wenig belastet und laufen Gefahr, den Bodenkontakt zu verlieren.
Suchen Sie nun die Position, bei der die Füße gleichmäßig belastet sind, und zwar sowohl rechts und links als auch vorne und hinten.
Hilfe bei Senk-Knick-Füßen und X-Beinen
Sollten Sie festgestellt haben, dass die Innenseite der Füße stärker belastet und die innere Fußwölbung abgeflacht ist, das Fersenbein abknickt oder die Knie die Tendenz haben in Richtung X-Bein abweichen, versuchen Sie es mit folgender Korrektur:
- Drehen Sie die Oberschenkel leicht nach außen, die Füße bleiben dabei stehen. Sie können sich vorstellen, dass Sie auf Ihren Knien Augen hätten. In der Fehlhaltung schauen diese nach innen und schielen. Für die Korrektur drehen Sie die Oberschenkel so weit nach außen bis die „Knie-Augen“ nach vorne schauen.
- Bewegen Sie sie dabei nur so weit, bis sich die innere Fußwölbung anhebt und sich die Beinachse automatisch gerade stellt.
- Der Großzehenballen behält dabei den Kontakt zum Boden.
Mit dieser kleinen Bewegung verbessern Sie die Achse des gesamten Beines und stellen sicher, dass alle Gelenke gut belastet werden. 1.21 | 1.22
1.21 | 1.22 Aus einem X-Bein mit Tendenz zum Knickfuß wird durch leichtes Außendrehen der Oberschenkel eine perfekte Beinachse
Vorübung: Wahrnehmen der Knie im Stand
Stellen Sie sich aufrecht hin und zoomen Sie Ihr Bewusstsein in dieKnie. Nehmen Sie wahr, in welcher Stellung Sie sich befinden:
- Sind die Knie in Ihrer Alltagshaltung gerade oder nach hinten überstreckt?
- Wie ist der Seitenvergleich zwischen rechtem und linkem Knie?
Viele Menschen neigen dazu, ihre Knie im Stand nach hinten zu überstrecken. In dieser Position wird das Gelenk durch den rückwärtigen Kapsel-Band-Apparat blockiert und das Stehen erfordert nur geringen Kraftaufwand. Man hängt sozusagen „in den Bändern“. Das Problem dabei ist, dass dauerhaftes Stehen in Überstreckung die Strukturen des Knies überlastet. Außerdem sind wir in der blockierten, überstreckten Kniestellung nicht dynamisch beweglich und es kommt weiterlaufend nach oben zu einem Zusammensinken der gesamten Haltung. 1.23 | 1.24
1.23 Überstreckte Kniegelenke
1.24 Optimale Stellung der Kniegelenke
Überstrecken Sie nun die Knie bewusst nach hinten und spüren Sie, wie sich das anfühlt. Die Kniegelenke blockieren in dieser Endstellung und die Beinmuskulatur ist wenig aktiv. Lösen Sie dann diese Überstreckung wieder auf, indem Sie die Knie etwas nach vorne bewegen, bis sie ihre Idealposition in gerader Streckung gefunden haben. Spüren Sie nun wieder den Unterschied der Muskulatur. Nun ist sie optimal tonisiert, weder verkrampft noch zu schlaff.
CHECKLISTE FÜR DIE BEIN-ACHSENSTELLUNG IM STAND
- Die Füße stehen hüftbreit auseinander, beide Füße sind gleichmäßig belastet.
- Dreipunktbelastung der Füße, die Zehen sind lang.
- Die Knie sind gerade, aber nicht nach hinten überstreckt.
- Die Kniegelenke stehen über den Sprunggelenken.
- Die Hüftgelenke stehen über den Kniegelenken.
Dies ist Ihre stabile Basis für einen aufrechten Stand!
Die Zahnradbewegungen im Stand
Der Bewegungsausschlag beim Wechsel von der krummen zur aufrechten Haltung ist im Stand deutlich kleiner als im Sitz und deshalb etwas anspruchsvoller zu korrigieren. Beginnen Sie mit kleinen Bewegungen und lassen sich Zeit, dann wird es Ihnen leicht gelingen, ein Gefühl für die Streckung im Stand zu bekommen.
Bewegen Sie nun der Reihe nach alle drei Zahnräder:
- Beckenkippung
- Brustkorbhebung
- Nackenstreckung.
Wenn es Ihnen hilft, die Bewegung besser wahrzunehmen, legen Sie jeweils die Hände an die entsprechenden Körperabschnitte, wie Sie das auch im Sitzen geübt haben. 1.25–1.27
Da die Bewegungen im Stand so viel kleiner sind, genügt häufig ein kleiner Impuls in Richtung Streckung für die optimale Haltung. Oft hilft dabei die Vorstellung, im Stand nur einige Millimeter vom Scheitelpunkt aus nach oben zu wachsen, um die optimale Haltung zu finden. 1.28
1.25–1.28 Spüren Sie die Bewegung von Becken, Brustkorb und Kopf beim Aufrichten im Stand
Cowboy und Ente – klassische Gewohnheitshaltungen im Stand
Haben auch Sie Mühe, längere Zeit zu stehen, zum Beispiel im Museum oder bei einem Stadtbummel? Der Rücken beginnt zu schmerzen und man weiß bald gar nicht mehr, wie man noch stehen soll?
Lange ruhig an einem Ort zu stehen fällt vielen schwer, denn auch hier gilt: Wir sind für Dynamik und nicht für Monotonie gemacht. Meist beginnen wir nach einer Weile unmerklich zusammenzusinken und enden häufig in einer der beiden folgenden Haltungen. 1.29 | 1.30
1.29 Der Cowboy
1.30 Die Ente
Beim Cowboy wird das Becken nach vorne geschoben, während die Ente das Becken im Raum nach hinten schiebt und zunehmend ins Hohlkreuz gerät.
Wenn Sie sich einem dieser Haltungstypen zuordnen konnten, beginnen Sie Ihre Korrektur mit dem verschobenen Becken:
- Der Cowboy schiebt sein Becken ein wenig nach hinten, bis die Hüftgelenke über den Sprunggelenken stehen.
- Die Ente schiebt das Becken etwas nach vorne, bis die Hüftgelenke über den Sprunggelenken stehen. 1.31 | 1.32
1.31 | 1.32 So geht’s besser
Die Standposition, die Sie sich nun erarbeitet haben, ist als Grundhaltung zu verstehen. Je nachdem, wo und wie Sie im Alltag stehen, können Sie sie individuell anpassen. So sollte beim Arbeiten im Stehen, etwa beim Bügeln, eine breitere Standposition gewählt werden.
Bei vielen Tätigkeiten im Alltag ist Stehen in Schrittstellung ratsam, weil Sie sich dabei dynamischer bewegen können und einen größeren Aktionsradius haben. Im 3. Bewegungskapitel über die Dynamik in aufrechter Haltung (s. S.89) werden wir uns damit weiter befassen.
CHECKLISTE FÜR DIE AUFRECHTE HALTUNG IM STAND
- Dreipunktbelastung der Füße, die...