In diesem Abschnitt wird nicht explizit auf problematische Rechtslagen eingegangen, sondern nur bewusst gemacht, welche Situationen und Hürden es in einer bikulturellen Partnerschaft vielfach zu bewältigen gilt. Was bedeutet es, sein Leben in einem fremden Land aufzubauen? In wieweit werden bikulturelle Paare mit Stigmatisierungen, Diskriminierungen und Rassismus konfrontiert? Welche Rahmenbedingungen sollten bei der Familienplanung berücksichtigt werden?
Um auch als Paar gemeinsam leben zu können, ist es für viele bikulturelle Paare nötig, schnell zu heiraten. Rechtliche Rahmenbedingungen, wie Aufenthaltsgenehmigungen erschweren es oftmals ohne „Trauschein“ zusammen zu leben, was durch eine Heirat sichergestellt werden kann. Das hat eine verkürzte Kennenlernphase zur Folge und ermöglicht es nicht langsam und bewusst eine Beziehung eingehen zu können. In vielen Gesellschaften ist es jedoch normal, dass eine Zweiersituation erst nach der Hochzeit möglich ist (Curvello & Merbach, 2012, S. 35). Einen genauen Überblick über die zu beachtenden rechtlichen Rahmenbedingungen bikultureller bzw. binantionaler Paare in Deutschland, liefert ein Ratgeber (vgl. Verband binantionaler Familien und Partnerschaften, 2012).
Der eingewanderte Partner wechselt nicht nur sein gewohntes Umfeld, sondern verlässt auch sein Heimatland und muss sich erst einmal mit den „Spielregeln“ der anderen Kultur und dem unbekannten gesellschaftlichen System vertraut machen sowie Sprachbarrieren überwinden (Curvello & Merbach, 2012, S. 35). Häufig werden Ausbildungs- und Studienabschlüsse aus dem Heimatland nicht anerkannt, was in Beziehung zu dem Aufenthaltsstatus oftmals dazu führt, dass erst einmal eine finanzielle und sprachliche Abhängigkeit von dem Partner besteht. Eine unabhängige Aufenthaltsgenehmigung kann erst nach dreijährigem Bestand der Ehe erworben werden (Curvello & Merbach, 2012, S. 36-37). Durch Sprachkurse oder Weiterbildungen oder auch das Nachmachen des Führerscheins, um auch in der Arbeitswelt Fuß fassen zu können, bedeuteten meist längerfristige gravierende finanzielle Einbußen für die Familie. Das Beschaffen von benötigten Papieren und der Kontakt zum Heimatland können ebenfalls kostspielig sein (Verband binationaler Familien und Partnerschaften, 2006, S. 15-17). Auch der einheimische Partner ist auf einmal mit neuen Fragen und Problemen konfrontiert. Seien es rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Partners oder erniedrigende behördliche Prüfungen zum Beispiel bei der Unterstellung einer Scheinehe. Oftmals signalisieren die behördlichen Mitarbeiter, dass der besondere Wunsch einen Ausländer zu heiraten zusätzliche Arbeit verschafft, dadurch dem Staat evtl. weitere Kosten verursachen könnte. Um beispielsweise die Schwiegereltern nach Deutschland zu holen, sofern sie aus einem visumspflichtigen Land stammen, bedarf es der genauen Auflistung der eigenen Einkommensverhältnisse. Durch den Standortvorteil hat der einheimische Partner meist zu Anfang die Aufgabe im öffentlichen Raum bei Behördengängen oder Arztbesuchen, alles sprachlich zu regeln. Dabei sollte man sich bewusst machen, dass es im Heimatland des Partners genau umgekehrt wäre (Verband binanationaler Familien und Partnerschaften, 2006, S. 13-15). Auch für den Umgang mit Geld und die hier zu leistenenden Kosten, wie Miete, Versicherungen, Strom, Heizung oder Telefon muss der eingereiste Partner ersteinmal ein Gefühl bekommen und den Umgang damit erlernen, weil im Heimatland evtl. ganz andere Preise üblich sind oder die Frage nach Umweltbewusstsein keine Rolle gespielt hat (Verband binationaler Familien und Partnerschaften, 2006, S. 17-18).
Vorurteile sind Urteile, die Menschen fällen ohne näheres Wissen zu einer Person, Gruppe oder einem Sachverhalt zu besitzen. Dabei greifen sie auf bereits gemachte Erfahrungen und übernommene Kenntnisse anderer zurück. Fest verankerte Vorurteile zu revidieren ist oft schwierig. Anhand von Merkmalen und Eigenschaften eines Individuums ordnen wir diese bestimmten sozialen, politischen oder religiösen Gruppen zu. Stereotypische Meinungsäußerungen wie „Türken und Araber sind alle Salafisten“ oder „Deutsche sind pünktlich und unfreundlich“ beinhalten oftmals verallgemeinernde Aussagen (Metzing, 2013, S. 31). Bikulturelle Paare können im negativen sowie positiven Sinne gesellschaftlichen Zuschreibungen ausgesetzt sein. Oftmals sind diese an ländertypische Stereotype gebunden, also Stereotype, die mit einem bestimmten Land in Verbindung gebracht werden. Besonders betroffen sind Paare, bei denen ein Partner aus einem wirtschaftlich schwächeren Land kommt. Es werden je nach Paarkonstellationen ausbeuterische Absichten, die Absicht der Aufenthaltserschleichung in einem europäischen Land oder die ökonomische Bereicherung unterstellt. Große Altersunterschiede und Sprachbarrieren können Stigmatisierungen und Diskriminierungen noch verstärken (Curvello & Merbach, 2012, S. 38).
Offener Rassismus ist gesetzlich verboten und trotzdem sind Menschen täglich offenen rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt. Auch bikulturelle Paare und Familien erfahren Ausgrenzungen. Ihnen wird die Gleichwertigkeit auf Grund von tatsächlichen oder zugeschriebenen Merkmalen abgesprochen. Dies kann beispielsweise eine andere Hautfarbe, ein fremd klingender Name, oder eine fremde Religionszugehörigkeit sein, was dazu führt, dass sie nicht als Teil der Gesellschaft wahrgenommen und behandelt werden. Das ruft Gefühle der Minderwertigkeit und Hilflosigkeit hervor, worauf meist durch Rückzug und Selbstausgrenzung reagiert wird. Dabei beginnt Rassismus nicht erst bei rassistisch motivierten gewalttätigen Übergriffen, sondern findet auch im alltäglichen Leben statt. Meist im eigenen sozialen Umfeld, wie der Schule, in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz. Wieder ist die Sprache das zentrale Transportmittel von rassistisch geprägten Äußerungen (²Verband binationaler Familien und Partnerschaften, 2013, S. 1-3). Verachtende Blicke, Pöbeleien oder das Tuscheln hinter vorgehaltener Hand, können als Diskriminierungen gewertet oder verstanden werden (Verband binantionaler Familien und Partnerschaften, 2006, S. 21-22).
Oftmals wird dies bagatellisiert oder einfach ignoriert. Über Rassismus und Diskriminierungen im Sprachgebrauch und in der Literatur, zum Beispiel in Kinder- und Jugendbüchern wird derzeit öffentlich diskutiert. Um zu einer Sensibilisierung und Aufklärung in der Gesellschaft beizutragen bedarf es vor allem der wissenschaftlichen, politischen und öffentlichen Enttabuisierung des Rassismus-Begriffes, sowie qualifizierter Fachkräfte im pädagogischen Bereich, aber auch Ärzte und Psychologen, die diese Thematik ernst nehmen. Auch eine Änderung auf institutioneller Ebene ist notwendig. Es gilt Strukturen zu schaffen, die ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben der gesamten deutschen Bevölkerung ermöglichen, erklärt der ²Verband binationaler Familien und Partnerschaften (2013, S. 3-4). Es gilt zu bedenken, dass Gleichgültigkeit und Desinteresse nicht unmittelbar mit dem Begriff der Fremdenfeindlichkeit eihergeht. Beispielsweise beschränkt sich der Kontakt in Mehrfamilienhäusern häufig auf das Grüßen im Treppenhaus. Engere Verbindungen in der Nachbarschaft sind eher die Ausnahme. Dies kann der eingewanderte Partner durchaus als befremdlich empfinden, da er aus seiner Heimat möglicherweise einen engen Kontakt zu seiner Nachbarschaft gepflegt hat (Verband binantionaler Familien und Partnerschaften, 2006, S. 22).
Viele Migranten stammen aus Ländern, in denen die Betreuung und auch Erziehung der Kinder nicht nur durch Krippen, Kindergärten oder Ganztagsschulen gewährleistet wird, sondern auch selbstverständlich durch Familienmitglieder und auch Nachbarn unterstützend erfolgt. Die eine Hälfte der Großeltern lebt in der Regel im Heimatland des Partners. Die andere Hälfte lebt meist nicht unmittelbar vor Ort und will sich meist nur in geringem Umfang bei der Betreuung der Enkelkinder mit einbringen. Auf Grund der unzureichenden Betreuungssituation in Deutschland, bleibt meist die Frau, in den ersten Lebensjahren des Kindes, zu Hause, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusätzlich erschwert. Ist der Mann der Zugereiste, hat meist die Frau einen höheren Verdienst, da der Mann oftmals unter seiner mitgebrachten Qualifikation arbeiten muss. In diesem Fall übernimmt die Frau meistens die Rolle der „Haupternährerin“ und der Mann die Rolle des Hausmannes. Diese Rollenverteilung ist auch bis heute noch nicht in Deutschland etabliert, für einen Mann, der aus einem anderen kulturellen System stammt, wird diese noch viel ungewöhnlicher sein (Verband binationaler Partnerschaften und Familien, 2006, S. 19-21). Mit dem Aufziehen von Kindern stellt sich auch die Frage nach der Sprache. Soll die Mehrsprachlichkeit gefördert werden, oder ist es besser, wenn wir nur Deutsch mit dem Kind oder den Kindern sprechen? Jahrzehnte lang wurden Eltern dazu angehalten, sich mit ihren Kindern ausschließlich auf Deutsch zu unterhalten, was aber nicht dazu führte, dass eine Verbesserung der Sprachkompetenz erreicht wurde. Wissenschaftliche Forschungen haben erwiesen, dass die Förderung der Mehrsprachlichkeit, die...