Aus künftiger Sicht werden Kultursoziologen und Kunsthistoriker von den letzten Jahrzehnten des 20.Jh. als einer Zeit der „Rückkehr der Bilder“ sprechen, da wir uns inmitten einer wachsenden Bilderflut befinden. In jeder beliebigen Innenstadtstraße verhindert nur unsere enorme Anpassungsfähigkeit, dass unsere Augen von der kaum zu verarbeitenden Fülle optischer Reize und Symbole nicht schmerzen. Und wir können noch nicht einmal die Augen schließen, weil sich darunter oft auch wichtige Informationen befinden. Wort und Schrift sind dafür anscheinend zu umständlich, zu schwerfällig und zu monokulturell geworden. Begriffe selbst scheinen immer weniger zu taugen. Realität, Simulation und Fiktion werden aufgrund der Fülle von Bildmedien immer weniger unterscheidbar. Dem Wort wird immer weniger zugetraut und es wird beiseite geschoben zugunsten der entlastenden Funktion der Bilder. Hoffnungen und Sinnsuche wandern aus in die fiktive Welt der Werbung, als verspräche die Kunst, was die Theologie nicht mehr leistet: die Rettung aus der Krise.[75]
Die Medien überfluten uns heute in kurzen Sequenzen mit einem Bildersalat. 60 Bilderwechsel pro Minute sind in heutigen Fernsehprogrammen keine Seltenheit. Diese Bilderflut kann kein Mensch mehr verdauen. Dadurch verlernen wir mehr und mehr das Hinschauen, das genaue Beobachten, das liebende Betrachten und den Sinn für die Bedeutung von Bildern.[76]
Im heutigen Medienzeitalter erreichen wir Kinder und Jugendliche mehr über das Bild als über das Wort. Trotzdem sind Bildauswahl und Bildbetrachtung sorgfältig vorzubereiten, damit man die Bilderflut nicht verstärkt, sondern Akzente setzt. [77]
Die kulturelle Vorprägung unseres Sehverhaltens durch Fernsehen, Illustrierte, Comics, Werbung etc. ist eine unumgängliche Bedingung heutiger Erziehung, auch der religiösen. Sie wird dementsprechend Mediendidaktik sein, indem sie sich auf diese Massenmedien bezieht oder diese Präsentationsweisen selber benutzt.[78]
Dass wir uns in einer Bilderflut befinden, ist unbestreitbar. Oft werden nur die Nachteile von den neuen Medien aufgezählt. Diese sind zwar vorhanden, werden aber häufig dramatisiert. Medien haben auch viele Vorteile und sie haben für Kinder und Jugendliche eine besondere Bedeutung. Dies wird im Folgenden dargestellt. Im Anschluss werden auch die Nachteile der Medien betrachtet.
Kinder und Jugendliche sind seit ihrer frühesten Kindheit mit Medien aufgewachsen, sie gehören zu ihrem Alltag. Vor allem die elektronischen Medien prägen durch ihre Zeit- und Inhaltsstrukturierung den Tagesablauf. Sie vermitteln die Handlungsmuster und Normen der Jugendszenen und - kulturen und sie helfen, sich sowohl mit der Welt der Erwachsenen auseinanderzusetzen als auch sich gleichzeitig davon abzugrenzen. Für viele Jugendliche nimmt der Computer eine immer größere Bedeutung ein, besonders dann, wenn er multimediafähig ist. Motive für dessen Nutzung sind Spaß, Nützlichkeit für die Schule, Zeitvertreib und das Vorhandensein eines Computers im Haus der Eltern. Computerspiele stehen im Zentrum der Nutzung, wichtig sind auch Textverarbeitung, Grafik und Lernprogramme. [79]
Die Medien schließlich bieten ihnen einerseits ein hohes Maß an Identitätsmustern an, andererseits liefern sie durch das ihnen innewohnende Protestpotential die gewünschte Abgrenzung von der Erwachsenenwelt. [80]
Es besteht in der öffentlichen Meinung Einigkeit darüber, dass Medien wirken: sie beeinflussen die Wahrnehmungen, sie bestimmen mit, was wir für wirklich halten und sie setzen Themen, mit denen die Menschen sich beschäftigen. Kontroversen gibt es dagegen unter Jugendschützern, Medienwissenschaftlern, Politikern und Pädagogen darüber, wie dieser Einfluss zu beurteilen ist. Für die einen geht in der Flut der Medieneindrücke der Bezug zur Wirklichkeit verloren, während die anderen in der Mediengesellschaft einen Raum sehen, in dem man sich auf ganz neue und individuelle Weise selbst ausdrücken und verwirklichen kann. Im Mittelpunkt der Debatten über Medieneinflüsse steht in aller Regel die Frage nach deren Wirkung auf Kinder und Jugendliche, weil man sie als besonders gefährdet und am wenigsten kompetent betrachtet. Das ist, wie Untersuchungen belegen, zumindest eine Simplifizierung,
wenn nicht sogar eine Fehleinschätzung. Geht man davon aus, dass Medien immer für jemanden existieren und nicht an sich, dann kommt die Mediennutzung in den Blick. Wir, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, machen etwas mit den Medien und setzen sie in Beziehung zum Lebensalltag und zum eigenem Lebensentwurf. In dieser Perspektive erweist sich nach Wörther die Mediengesellschaft gerade für Kinder und Jugendliche auch als ein Raum der positiven Identifikation mit angebotenen Sinnelementen.
Seiner Meinung nach sind sie nicht wehrlose Opfer einer Manipulation durch Medien und Werbung, sondern sie machen etwas mit den Eindrücken, denen sie begegnen. Sie entwickeln eigene Medienkompetenz.[81] Dazu ist aber eine Anleitung notwendig. Diese Anleitung geschieht nur selten durch das Elternhaus. Eine Anleitung durch das Elternhaus, aber auch durch die Schule wäre wünschenswert.
1. Die Ausdehnung der Wahrnehmung
Das Fernsehen vermag den Raum aufzuheben und verleiht dem Menschen, der im Fernsehen auftritt, eine Allgegenwart. Dem Fernsehen verleiht es die Möglichkeit der Multilokation, so dass er unmittelbar hintereinander an verschiedensten Plätzen der Welt sein kann.
2. Die Veränderung des Auffassungsvermögens
Die Wahrnehmung wird quantitativ erweitert, aber auch qualitativ verändert. Das Kind kann schneller und genauer als der Erwachsene erfassen, was auf dem Bildschirm erscheint, da seine Simultanauffassung und Lernfähigkeit größer sind, als die des Erwachsenen.
3. Die Veränderung des Denkens
Das Denken wird durch die Sprache geformt. Die reine Wortsprache ist zwar begrifflich präziser, aber inhaltsärmer als die Sprache der Bildmedien. Die Totalsprache der Bildmedien fördert die intuitive Denkweise. Es kommt auch zu neuen Denkformen. Im Gegensatz zu einem Buch ist Fernsehen dynamisch und flüchtig und nicht fixiert. Dies entspricht der Einstellung der Jugendlichen, die oft Fixierungen ablehnen, da sich die Welt auch ständig ändert. Zeitgemäß ist auch die vielseitige Betrachtung, die durch den Perspektiven- und Einstellungswechsel der Kameras erreicht ist.
4. Die Bewusstseinserweiterung
Die Erweiterung des Bewusstseins wird durch die Ausdehnung des Zentralnervensystems durch das elektrische Informationsnetz bewirkt. Die Familie hat kein Erziehungsmonopol, die Schule kein Bildungsmonopol mehr. Jugendliche sind oft vielseitiger informiert als Erwachsene, da Erwachsenen oft nur die Zeitung lesen und die Sendungen im Fernsehen schauen, die sie in ihrer Meinung bestätigen. Die Aufgabe von Eltern und Schule liegen darin, die Fülle der neuen Eindrücke den Kindern ordnen zu helfen und dem Kind beizustehen, sich mit diesem Neuen auseinander zusetzen.
5. Die Erweiterung des Verantwortungsbereiches
Durch die Aufnahme der Informationen entsteht bei den Jugendlichen häufig eine Bereitschaft zum Engagement und eine Erweiterung des Schuld- wie auch des Verantwortungsgefühls.
6. Das Problem der Konzentrationsfähigkeit
Dadurch, dass die Kinder die Darbietungen der Totalsprache durch Wort und Bild gewohnt sind, erleben sie den Wortunterricht des Lehrers als langweilig und können sich unter anderem deswegen schlecht konzentrieren.
7. Die konkretistische Generation
Die Bildmedien bedienen sich bevorzugt der Fotografie, die durch extrem starken Konkretheitsbezug ausgezeichnet ist. Bei den Jugendlichen der heutigen Zeit erkennt man eine Vorliebe für das Konkrete.
8. Die Veränderung der Sprache
Die Totalsprache des Fernsehens verändert die Sprache der Zeit. Die Sprache wird von den Jugendlichen aufgenommen und sie eignen sie sich oft unbewusst an.
Medien suggerieren grenzenlose Informationsbeschaffung und damit verbunden Daseinserleichterung, totale Weltbemächtigung und Weltbewältigung. Trotzdem bleiben Medien Kommunikationsmittel, also ein Mittel zum Zweck. Sie ermöglichen auch Manipulation ohne Grenzen, Einflussnahme auf Verhaltensweisen und Einstellungen einzelner und von Gruppen in kürzester Zeit und mit einem schwer abschätzbaren Multiplikationseffekt.
Medienmanien und Medienneurosen sind schon lange keine seltenen Krankheitsbilder in der...