Klettern ist eine Sportart, die zahlreiche unterschiedliche Formen wie Sportklettern, klassisches Alpinklettern, alpines Sportklettern, Wettkampfklettern und Bouldern umfasst (vgl. Winter 2000, S. 9). Auch das Klettern an künstlichen Kletterwänden in Klet- ter- und Turnhallen wird dazu gezählt.
In dieser Arbeit wird das Sportklettern an natürlichen Felswänden betrachtet. Sportklettern ist die am weitesten verbreitete Form des Kletterns und meint, einen „definierten Abschnitt einer Felswand aus eigener Kraft und ohne Zuhilfenahme künstlicher Hilfsmittel zur Fortbewegung von unten nach oben zu überwinden“ (Schwiersch 1995, S. 168). Koppenol (2005) erklärt in einer Zusammenfassung, dass nur die natürlichen Gesteinsstrukturen an der Felswand als Griff- und Trittmöglichkeiten benutzt werden dürfen. Das Durchsteigen einer Klettertour bis zum Ende, ohne Ruhen und ohne Sturz ins Seil, ist das sportliche Ziel beim Sportklettern. Gesichert wird der Kletterer während des Kletterns durch den Sicherungs- und Kletterpartner, der mithilfe eines Seils und diverser technischer Hilfsmittel die Sicherungsaufgabe übernimmt (vgl. Koppenol 2005, S. 37f.).
Schwiersch (1995) ergänzt, dass die Routen[26] meist zwischen fünf und fünfzig Metern lang sind und unterschiedliche Schwierigkeitsgrade aufweisen (vgl. Schwiersch 1995, S. 168). Früher galt Klettern als steinschlag- und absturzgefährdetes Alpinabenteuer. Heutzutage hat es sich in den künstlichen Kletteranlagen der Großstädte und bohrhakengesicherten Klettergärten der Mittelgebirge etabliert. Im Zuge der Versportlichung und Institutionalisierung haben auch Pädagogen das Klettern für sich entdeckt, welches zum Medium von Natur-, Selbst- oder Gruppenerfahrung wird.[27] Die Landesstelle für den Schulsport Nordrhein Westfalen (o.J.) nennt als Spektrum kletterspezifischer Wirkungsdimensionen somatische[28], koordinative, sensitive, kognitive, emotionale, soziale und motivationale Aspekte, welche im weiteren Verlauf dieser Arbeit von größerem Interesse sein werden als die technischen.[29]
Bevor auf diesen Punkt näher eingegangen wird, sollen grundlegende Erklärungen zum Klettern als Natursport, sowie kurze Betrachtungen zu Naturschutz und Sicherheitsaspekten erfolgen. Damit soll anschließend eine differenzierte Untersuchung hinsichtlich des Kletterns in Verbindung mit der erlebnisorientierten BNE möglich sein.
Der Begriff Natursport bezeichnet nach Ansicht von Kleinhans (2001) Sportarten, „die
(a) eng an die Nutzung von Natur- und Kulturlandschaften als Sportstätte gebunden sind,
(b) wo Bewegung oder Fortbewegung auf eigener Muskelkraft beruht,
(c) wo die Sportausübung nicht anlagengebunden ist,
(d) die eingesetzte Technik dazu dient, das Risiko zu minimieren, bei der Ausübung zu Schaden zu kommen und
(e) Training und Vorbereitung notwendig sind, um die Sportart sinnvoll auszuüben“ (Kleinhans 2001, S. 9).
In einer erweiterten Sichtweise werden durch Reiners (1995) neben den genannten Eigenschaften, Aspekte wie das richtige Einschätzen der eigenen Kräfte und der eigenen
Leistungsfähigkeit, das Einüben sozialer Kompetenzen wie die Rücksichtnahme auf Schwächere und auch Naturschutzaspekte in die Merkmale von Natursportarten mit einbezogen (vgl. Reiners 1995, S. 36-38). Zu den typischen Natursportarten gehören beispielsweise Mountainbiken, Bergsteigen, Kanu, Gleitschirmfliegen, Ski alpin, sowie das Sportklettern (vgl. Kleinhans 2001, S. 11).
Sportklettern am natürlichen Fels wird auch Felsklettern genannt. Alber (2009) unterscheidet das Felsklettern in alpines Klettern, als Klettern im Hochgebirge bei einem Höhenunterschied von mindestens 1000m zwischen Gebirgsfuß und Gipfelregion, und in außeralpines Klettern, welches das Klettern an Naturfelsen der Mittelgebirge, sowie in stillgelegten Steinbrüchen umfasst (vgl. Alber 2009, S. 8). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird der Begriff Klettern aufgrund der besseren Lesbarkeit synonym zum Begriff des Felskletterns verwendet, wobei ausschließlich das Felsklettern in naturräumlichen Arrangements den Betrachtungsgegenstand bildet. Weder das Klettern an künstlichen Kletterwänden, noch das Klettern in Hochseilgärten werden dabei berücksichtigt.
Felsklettern gilt als spektakuläre Natursportart, obwohl es bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen objektiv relativ ungefährlich ist. Es ist vor allem die „Unkalkulierbarkeit der vielfältigen Bedingungsfaktoren des Kletterns in der Natur und die Herausforderung, immer wieder flexibel auf unvorhergesehene Situationen reagieren zu müssen“ (DAV 2011, S. 16f.), was den nicht nachlassenden Reiz dieser Natursportart ausmacht. Wichtigste Motivation für die meisten Kletterer ist nach Ansicht des Deutschen Alpenvereins (2011) die Freude am eigenen Können und der körperlichen Funktionsfähigkeit, die spielerische Bewältigung von Widerständen und das Meistern von kritischen Situationen, die mentale Herausforderung und das gesellige Beisammensein (vgl. DAV 2011, S. 16f.). Dabei stehen selten Aspekte, wie Vertrauensbildung oder Teamarbeit, im Vordergrund der Motive der Kletterer. Dennoch werden diese Aspekte in den folgenden Betrachtungen von größerem Interesse sein, als die körperlichen oder technischen Merkmale des Kletterns. Zuvor soll jedoch auf die Beziehung zwischen Klettern und dem Naturschutz eingegangen werden.
Zwischen Kletterern und Naturschützer existiert ein Spannungsverhältnis, da die Sportart in der Natur ausgeübt wird (vgl. Alber 2009, S. 1). Auf den ersten Blick scheint es
so, als wäre es eine schier unlösbare Aufgabe „Natursport und Naturschutz miteinander zu vereinbaren“ (Heckmair; Michl 2012, S. 126f.). Doch das Klettern bietet eine pädagogische Herausforderung und Chance, denn „nur wer den Wert der Natur am eigenen Leibe erfährt, nur wer sie schätzt, schützt sie auch. Nirgendwo kann die ökologische Problematik deutlicher vor Augen geführt, nirgendwo können die ökologisch-praktischen Fertigkeiten besser eingeübt werden“ (Heckmair; Michl 2012, S. 126f.). Nach der Meinung von Heckmair und Michl (2012) kann Naturfremdheit zu Naturnähe werden und Interesse für Natur kann durch sorgsame und umsichtige Nutzung zu Naturschutz werden. Die Kletterer können lernen, Verantwortung für sich selbst, für die anderen und für ihre Umwelt zu übernehmen (vgl. Heckmair; Michl 2012, S. 126f.). Zwar existiert kaum eine Studie die bestätigt, dass ökologisches Wissen auch ökologisches Handeln auslöst, dennoch ist es nach Ansicht von Schmidt (2009) wahrscheinlich, dass hohes konkretes Wissen über die Umwelt und eine ökologische Einstellung zu ökologischem Handeln führen kann (vgl. Schmidt 2009, S. 37f.). Da die meisten Kletterer sich spontan an der Schönheit der Natur erfreuen, sollte es Aufgabe aller Organisationen des Klettersports sein, diese Wahrnehmung zu einem differenzierten Umweltbewusstsein weiterzuentwickeln (vgl. DAV 2011, S. 16f.).
Die Naturschützer kritisieren, dass der Mensch immer Spuren in der Natur hinterlässt und fordern aufgrund dessen den Rückzug aus der Natur. Alber (2009) findet in vielen Bereichen schädigende Aktivitäten. Dazu können die Anfahrt zum Klettergebiet mit dem PKW, das anschließende Parken und auch das Begehen des Weges zum Fels gehören. Das Umfeld des Felsfußes kann durch abgelegtes Gepäck, durch die Bewegung während des Sicherns, durch Ausscheidung von Exkrementen und durch zelten oder biwakieren geschädigt werden. Gelegentlich wird Feuerholz für ein Lagerfeuer gesammelt oder Müll liegengelassen. Durch die Benutzung von Magnesia, das Anbringen von Haken oder durch polierte Abriebstellen am Fels kommt es zu optischen Beeinträchtigungen. Während des Kletterns wird sich zwischen den Kletterpartnern durch Zurufen von Seilkommandos verständigt, wodurch Lärm entsteht. Probleme ergeben sich damit vor allem in der Belastung von Boden, Vegetation und Tierwelt. Betrachtet man diese Beispiele, werden negative Aspekte des Felskletterns in Bezug auf die Natur sehr deutlich. Probleme treten dabei vor allem in außeralpinen Gebieten auf, da diese wesentlich weniger Fels und dadurch eine höhere Anzahl an Kletterern pro Fels zu verzeichnen haben. Naturschutzorganisationen möchten diese schädlichen Einwirkungen verhindern und setzen sich deshalb für eine eingeschränkte Naturnutzung durch Felssperrungen ein. Somit erfolgt der Naturschutz augenscheinlich zu Lasten des Klettersports (vgl. Alber 2009, S. 1-28). Der Deutsche Alpenverein (2011) meint, dass sich die Kletterer oftmals als Benachteiligte empfinden und durch den Naturschutz in der Ausübung ihres Sports zurückgedrängt sehen, weshalb es um Felssperrungen und das Klettern an sich häufig Auseinandersetzungen gibt (vgl. DAV 2011, S. 13).
Außer Zweifel steht, dass es im Zusammenhang mit dem Klettern zu einer Beeinträchtigung der Natur kommen kann. Insgesamt treten aber nach Ansicht des Alpenvereins (2011) „Schädigungen nur im Falle eines Fehlverhaltens von Kletterern und/oder in Ermangelung eines naturschutzfachlich fundierten differenzierten Schutz- und...