2.2 Katar
Bisher kannte ich den neuen Flughafen in Doha nur von Umsteigeverbindungen her. Nach dem kurzen Flug mit Qatar Airways von Bahrain, der nicht einmal ein halbe Stunde dauerte, landete ich erstmals in Doha mit der Absicht, diese Stadt auch zu besuchen. Bei der Einreise musste ich länger anstehen als der Flug gedauert hatte. Mein Hotel hatte ich zentral in der Altstadt gebucht, der freundliche äthiopische Taxifahrer, überwacht von einem ständig irgendwelche Verwarnungen aussprechendem Navigationsgerät, kannte den Weg genau. Zu meiner Überraschung schien die Gegend recht ärmlich und heruntergekommen und auf der Straße befanden sich ausschließlich Gastarbeiter vom Subkontinent. Trotzdem fühlte ich mich keineswegs unsicher, auch im Dunkeln nicht. Mein erster Besuchspunkt am nächsten Tag war das neu erbaute Museum für islamische Kunst, das der chinesisch-amerikanische Star-Architekt I. M. Pei an die Südseite der Corniche von Doha gesetzt hat. Das Gebäude mit seinen flachen, fensterlosen Wandstufen und der von Palmen gesäumten Zufahrt beeindruckt bereits aus der Ferne. Der Eintritt ist kostenlos und auch im Inneren bestaunte ich zunächst die spektakuläre Architektur. Eine temporäre Ausstellung über die Jagd und ihre Bedeutung in der Arabischen Welt brachte ich schnell hinter mich, einzig das Thema der Jagd mit Falken ist sehr interessant. Die Dauerausstellung, die sich über mehrere Stockwerke erstreckt, hat es jedoch in sich. Zu bestaunen gibt es Lampen, Teppiche, Schüsseln, Korane, Landkarten, Navigationshilfen, medizinische Abbildungen, wissenschaftliche Zeichnungen, mathematische und astronomische Tafeln, Fliesen, Türen, Schalen, Vasen, Münzen, Dolche, Schmuck, Helme, Siegel, Töpfe, Kalligraphien und Gemälde aus verschiedenen Jahrhunderten und weit entfernten Ländern. Bei allen Stücken ist auch die Herkunft angegeben, aus Katar selbst kommt kaum etwas, dafür aus allen möglichen muslimischen Reichen wie Andalusien, Ägypten, Syrien, Türkei, Irak, Iran, Afghanistan, und Indien. Man kann an dem Gebäude außen etwas zu Fuß gehen, dabei fällt auf, dass die dem Meer zugewandten Mauern nicht verputzt sind.
In einer guten Stunde kann man entlang der Corniche die Bucht von Doha umrunden und findet sich dann im modernen Wolkenkratzerviertel „West Bay“, wieder. Hier ist in den letzten Jahren ein Geschäftsviertel mit vielen neuen Wolkenkratzern entstanden. Mit der von Dubai kann die Skyline nicht ganz mithalten, aber sie gibt Doha einen ganz einen Charakter. Am individuellsten erscheint der Burj Qatar, der eine ganz glatte Oberfläche zu haben scheint und in seiner Form wie ein oben abgerundeter Zylinder mit einer Spitze oben drauf erscheint. Aus der Nähe erkennt man, dass die Oberfläche aus einem Gitternetz aus alten islamischen Mustern besteht, das wie eine Verhüllung um das eigentliche Gebäude herum gehängt ist. Weiterhin gefällt mir der blau-silberne Tornado Tower mit seiner eleganten und symmetrischen Form. Weiter nördlich wurden unter dem Namen „The Pearl“ zahlreiche kleine künstliche Inseln aufgeschüttet und mit Hotels, einem Jachthafen und Wohnhochhäusern bebaut. Noch weiter nördlich soll unter dem Namen „Lusail“ ein weiteres solches Großprojekt entstehen. Die Corniche rund um die Bucht von Doha ist am Freitag gut besucht. Jung und Alt sind unterwegs, spielen Fußball, lassen Drachen steigen, joggen oder nutzen die Rasenflächen für ein Picknick mit der Familie. In der Bucht kreuzen kleine Dhaus mit bunter Beleuchtung und Musik.
Das geplante Nationalmuseum Katars ist Ende 2015 noch im Bau. Trotzdem kann man bereits viel erkennen. Das Design scheint sich irgendwo zwischen mehreren Stapeln umgefallener Teller und einem implodierten Schlagzeug zu befinden. Überhaupt scheint Doha eine einzige große Baustelle zu sein, neben verschiedenen Fußballstadien und Museen sind auch zahlreiche Verwaltungsgebäude noch im Bau. Auch an einer Metro wird gebaut, es entstehen drei Linien gleichzeitig. Nach ihrer Fertigstellung werden diese die teilweise doch arg mit Autos verstopften Straßen entlasten.
Bei meinen An- und Abflügen vom Hamad International Airport in Doha, benannt nach dem vor kurzem abgedanktem Emir, war mir stets ein hoher Turm, der von seiner Form an eine Fackel erinnert und weit weg vom Stadtzentrum liegt, aufgefallen. Nach kurzer Recherche ließ sich das Gebäude als „Aspire Tower“ identifizieren, das in der „Aspire Zone“ liegt, 300 Meter hoch ist und auch unter dem Namen „The Torch Doha“ bekannt ist. Der Turm liegt in der Mitte eines Ensembles zu dem eine große Shopping-Mall, das sich gerade mitten im Umbau befindende Khalifa-Fußballstadion, die Schwimmhalle Hamad Aquatic Center, die Multifunktionshalle Aspire Dome, eine Fußballakademie sowie ein schöner Park liegen. In der 47. Etage befindet sich ein Restaurant, in dem die Tische der Gäste sich innerhalb von einer Stunde um 360 Grad an der Außenseite des Gebäudes drehen, ähnlich wie in der Kugel des Berliner Fernsehturms oder im Donauturm in Wien. Die Gerichte des Restaurants sind von den Preisen und der Größe her mit denen eines Berliner Nobelrestaurants vergleichbar, der Ausblick ist es jedoch wert.
Vor langer Zeit noch war Katar eine Insel, erst durch die Hebung des Festlandes entstand eine Halbinsel. Von 1617 bis 1638 wurde diese von den Portugiesen beherrscht, danach von den Osmanen. Im Jahr 1760 zogen Beduinen auf das Gebiet von Katar, darunter die Al-Thani-Familie. Diese lieferte sich einen Machtkampf mit den Al-Chalifa, wobei Letztere unterlagen und 1783 nach Bahrain übersiedelten. Fast ein Jahrhundert später, im Jahr 1867 kämpften die beiden Stämme erneut um die Herrschaft über Katar, was durch eine britische Intervention beendet wurde. Ab 1871 wurde die Halbinsel dann ein britisches Protektorat, stand aber unter erheblichem osmanischem Einfluss, der erst 1913 endete. Im Ersten Weltkrieg versuchten die Türken erneut, Katar in ihre Einflusszone zu ziehen, wurden jedoch abermals von den Briten zurückgeschlagen. 1939 wurde erstmals Erdöl gefunden, aber erst seit 1949 wurde es wirklich gefördert und exportiert. 1971 gründete Katar seinen eigenen Staat, darüber hinaus wurde in diesem Jahr erstmal auch Erdgas gefunden, von dem Katar trotz seiner vergleichsweise geringen Größe die drittgrößten nachgewiesenen Reserven der Welt besitzt. Im Jahr 1995 stürzt Hamad bin Chalifa al Thani seinen Vater Chalifa bin Hamad vom Thron und macht sich selbst zum Emir. Ein versuchter Gegenputsch ein Jahr später wird abgewehrt. Ein ähnliches Schicksal, wie er es einst seinem Vater bereitet hat, erspart Scheich Hamad sich selbst, im Jahr 2013 übergibt er die Macht friedlich und freiwillig an seinen Sohn Tamim bin Hamad. Eine solche Übergabe bei vollem Bewusstsein und Verstand des Abtretenden und ohne jedes Blutvergießen gilt in der arabischen Welt als sehr ungewöhnlich. Von den mehr als 2 Millionen Einwohnern des Landes, die größtenteils in und um Doha leben, besitzen nur etwa 300 000 die hiesige Staatsbürgerschaft. Die meisten Einheimischen gehören der streng wahabitischen Ausrichtung des sunnitischen Islams an. Dementsprechend ist Katar konservativer und dichter überwacht als die VAE. Der Literaturstudent und Dichter Moammed Al-Ajami wurde im November 2012 für das Vorlesen eines kritischen Gedichtes in einer Privatwohnung wegen Beleidigung des Emirs zu lebenslanger Haft verurteilt. Diese Strafe wurde im Februar 2013 in einem Berufungsverfahren auf 15 Jahre Haft reduziert. Der Fall wurde von ausländischen Medien kritisch begleitet, Menschenrechtler demonstrierten sogar vor der katarischen Botschaft in Washington. Schließlich scheint sich in Doha die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass die fortgesetzte Inhaftierung des Kritikers dem Land und seinem Ansehen viel mehr schadeten als sein Gedicht und im März 2016 wurde Al-Ajami schließlich freigelassen. In seinem Strafvollzug bemüht das Emirat sich um moderne Rehabilitationsmethoden, so wurden zwei Villen speziell eingerichtet, damit Sträflinge dort in einem normalen Umfeld Zeit mit ihren Familien verbringen können, um sie besser auf eine Leben in Freiheit vorzubereiten.
Außenpolitisch steht Katar klar unter dem Schutz der USA, denen es die Nutzung der Luftwaffenbasis Al Udeid für zahlreiche Einsätze in der Region gestattet. Darüber hinaus gibt man sich eher neutral und versucht sich als ehrlicher Vermittler, der freundlich zu allen ist und bei der Beilegung von Konflikten hilft, nicht zuletzt als Gastgeber von Friedensgesprächen oder durch Geld und Entwicklungshilfe. So hat Katar immer wieder versucht, selbst zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln. Katar hat in den letzten Jahren viel Geld für Infrastrukturprojekte und humanitäre Zwecke im Gaza-Streifen bereitgestellt. Aus Verärgerung über israelische Angriffe wurden die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern im Jahr 2009 von den Katarern abgebrochen. Die Wiederaufnahme wird an die Erlaubnis geknüpft, Baumaterial nach Gaza liefern zu dürfen, was Israel bisher ablehnt. Im palästinensischen Westjordanland wird mit Geld aus Doha die Retortenstadt Rawabi gebaut, in der...