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E-Book

Börsenpsychologie

simplified

AutorNorbert Betz, Ulrich Kirstein
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783862482412
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Der Erfolg an der Börse kommt von ganz allein - wenn man ihn denn in Ruhe ließe. Die Aktienanlage ist ein bedeutender Baustein für die Alterssicherung. Aber Analysen mehrerer tausend Wertpapierdepots von Privatanlegern ergaben, dass die Anleger häufig einfach zu vermeidende Fehler machen. Neben einer zu geringen Diversifikation und einer falschen Branchen- und Länderallokation sind es insbesondere 'menschliche Schwächen', die an der Börse gutes Geld kosten und so manchem Anleger eine schlaflose Nacht einbringen. Hier werden die Hauptfehler schonungslos dargestellt und Auswege aus dem Dilemma aufgezeigt. Fundiert, aber immer leicht verständlich und mit einer Brise Humor versehen.

Norbert Betz wurde bereits in jungen Jahren vom Börsenfieber gepackt. Nach beruflichen Stationen im Bankgewerbe und in Unternehmensberatungen wurde er im Dezember 1998 zum Leiter der Handelsüberwachungsstelle an der Börse München bestellt. Dort steht der Anlegerschutz im Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit. Zudem hält Nobert Betz zahlreiche Vorträge zu den Themen Börsenpsychologie und Anlegerverhalten. Kunst und Anlage sowie die 'Kunst der Anlage' sind die Steckenpferde von Ulrich Kirstein. Seit dem 1. April 2010 ist der Autor als Pressereferent der Bayerischen Börse tätig. Zudem verfasste er zusammen mit Christine Bortenlänger das Buch Börse für Dummies, in dem kompliziertes Börsenwissen auf einfache und verständliche Weise vermittelt wird.

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Leseprobe

2 Die Psychologie der Märkte


Psychologie der Märkte, gibt es so etwas überhaupt? Beinhaltet die Psychologie nicht vor allem die Lehre vom Menschen? Können Märkte psychologisch wirken? Sicherlich nicht, aber sie werden von psychologischen Wirkungsweisen, Verhaltensmustern und Konditionierungen ganz wesentlich beeinflusst. So wollen wir in diesem Kapitel der Frage nachgehen, was Märkte bewegt, warum beispielsweise Kurse steigen, obwohl sich in den zugrunde liegenden fundamentalen Daten, also bei den Unternehmen selbst, eigentlich nichts getan hat.

Ein Unternehmen, sagen wir BMW oder Daimler, produziert Autos über Autos und fährt von Erfolg zu Erfolg und – der Kurs sinkt. Was ist passiert? Könnte es daran liegen, dass die einzelnen Marktteilnehmer, die Menschen hinter den Kursen, diejenigen, die Aktien kaufen oder verkaufen, gar nicht nach rein rationalen Kriterien entscheiden? Oder Dinge für wichtig halten, die mit dem Unternehmen und dem Kauf und Verkauf von Aktien auf den ersten Blick gar nichts zu tun haben? Ist der von der Betriebswirtschaftslehre so lange Jahre gepredigte Homo oeconomicus vielleicht nur eine Schimäre? Warum klettern Kurse erst auf sagenhafte Höhen, um dann, scheinbar ganz plötzlich, wieder abzustürzen? Was ist eine Blase und warum platzen Blasen?

Über jedes dieser Phänomene gibt es ganze Bücher. In der Psychologie befasst sich die Marktpsychologie10 zum Beispiel intensiv mit diesen Fragen – insofern bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit dem Mut zur breiten Lücke und, hoffentlich, mit dem Blick fürs Wesentliche in dieses Kapitel zu stürzen.

2.1 Was bewegt Märkte?


Für das Auf und Ab an der Börse können insbesondere drei wesentliche Einflussfaktoren ausgemacht werden, die dafür verantwortlich sind: Psychologie, Liquidität sowie Entwicklungen, Trends und Moden. Wir betrachten sie hier der Reihe nach, obwohl sie eigentlich nicht isoliert voneinander, sondern nur im direkten Zusammenspiel interagieren. Auf den ersten Blick scheint Liquidität als finanzmathematische Größe in diesem der Psychologie gewidmeten Kapitel gänzlich fehl am Platz zu sein, aber sie beeinflusst diese ganz wesentlich. Und da wir ja kein wissenschaftliches Lehrbuch fürs Regal verfassen woll(t)en, sondern eine nützliche Fibel für den Praktiker, haben wir vereint, was zusammengehört.

2.1.1 Psychologie


Auch wenn Börsengurus von großen Auftritten leben, durch die Gazetten geistern und »Tipps« raunen – Börse ist nichts Mystisches. Die Preisbildung für Aktien und andere Wertpapiere spiegelt ganz profan das Ergebnis des Handels unter vielen Marktteilnehmern wider. Diese Marktteilnehmer aber sind Menschen – auch wenn sie inzwischen von Maschinen, nämlich Hochgeschwindigkeitscomputern, unterstützt und manchmal ganz abgelöst wurden. Die Menschen beurteilen die Zukunft der Wirtschaft ihres Landes und der Welt, bewerten Branchen, technische Entwicklungen und Aktiengesellschaften. Diese Einschätzung bildet die Basis für ihre Entscheidung, Aktien zu halten, zu kaufen, zu verkaufen oder sie links liegen zu lassen. Diese Einschätzung und die Entscheidung in der Folge sind allerdings das Ergebnis eines sehr komplexen Prozesses, das Ergebnis einer Rechnung mit vielen Unbekannten, und beides erfolgt vor dem Hintergrund von inzwischen eher zu viel als zu wenig Information. Die Entscheidung wird letzten Endes in Unsicherheit getroffen, sie spielt sich in einem dynamischen, vernetzten und komplexen System mit vielen ganz unbekannten Stellgrößen und unvorhersehbaren Ereignissen ab.

Mehr zur Beruhigung bei der Bewältigung dieses unsicheren Prozesses als zur tatsächlichen Beherrschung dienen die vielen »Hilfsmittel«, die Börsianer anwenden und auf die sie – die Börse ist nichts Mystisches, tut aber oftmals so – schwören: Das Heranziehen von Charts und das Sammeln und Prüfen unterschiedlichster Informationsquellen gibt eine erste Orientierung, ist aber immer die Extrapolation der Vergangenheit auf die Zukunft – mit ungewissem Ausgang. Dazu gibt es zu viele Unbekannte, zu viele Schätzwerte, zu viele Widersprüche. Die eine Quelle rät mit gutem Grund zu dieser Entscheidung, die andere aus genauso nachvollziehbaren Gründen zum Gegenteil. Diese weißen Flächen der kognitiven Landkarte verunsichern den Anleger. Denn der Mensch strebt intuitiv nach Sicherheit, weil ihm dieses Streben über die Jahrtausende hin das Überleben garantierte. Gerne ersetzt der Mensch deshalb Unsicherheiten durch allgemeine Glaubenssätze. Solche Glaubenssätze sind heute zum Beispiel »Der Euro ist eine stabile Währung« oder »Das Internet revolutioniert die Welt» oder »Die globale Erwärmung ist das Problem der Menschheit dieses Jahrhunderts«.

Mit solchen allgemein akzeptierten Dogmen holen sich die Anleger die notwendige Sicherheit quasi durch die Hintertür in ihr Anlagekonstrukt. Vorne öffnen sie aber das Hauptportal für die Erschütterung der »kurs­treibenden Unterstellung«. Denn immer dann, wenn sich ein Marktdogma schlagartig auflöst, kann es zu einschneidenden Beurteilungsanpassungen kommen, die meist mit großen Markt- und Preisverwerfungen verbunden sind. Der Anlageprofi André Kostolany beschrieb es so: »Das Gefährlichste an der Börse ist die Überraschung. Dabei können nur die wenigsten Börsianer ihre Ruhe und Objektivität bewahren. Meistens ist die Ursache eines Börsenkrachs nicht objektive Überlegung, sondern ein massenpsychologisches Phänomen. Einer entdeckt irgendein Problem, so klein es auch sein mag, und das verbreitet sich wie ein Lauffeuer.«

Apropos kleines Problem und Masse. Schon 1956 untersuchte der Psychologe G. D. Wiebe, wie Massen zu erreichen sind. Auf der Titelseite einer Zeitung war der Aufmacher einem wichtigen politischen Ereignis gewidmet und eine winzige Meldung berichtete über einen Hund namens Trixi, der durch sein Bellen ein Kleinkind vor dem Erstickungstod rettete. 60 Prozent der Zeitungsleser, so die Untersuchung von Wiebe, erinnerten sich an den Hund namens Trixi – nur 22 Prozent konnten das politische Ereignis zitieren. Das Ansprechen der menschlichen Grunderregungen wie Aktion oder Mitleid, eine Ansprache durch eine Person des Vertrauens oder ein Moralbonus – der Eindruck der moralischen Höherwertigkeit – liefern beispielsweise die Grundbedingungen, um von der Masse gehört zu werden. Gewiefte Werbeprofis und Produktmanager machen sich dies auch zunutze, um Anleger zu ködern.11

Doch zurück zum Auf und Ab an der Börse: Bevor der Schock eintritt und die Stimmung kippt, gibt es eine mehr oder weniger ausgeprägte Phase des Anstieges, des Erfolges an der Börse. Art und Verlauf des Anstieges sind abhängig von der Größe und Intensität der Masse. Die Massen haben allein aus ihrer Größe – ihrer Existenz und Permanenz – die Kraft und Stärke, Trends zu schaffen. Sosehr wir Individualisten goutieren – seien Sie niemals so töricht und versuchen, gegen einen Trend anzukommen. Sie könnten genauso gut einem mehrere hundert Tonnen schweren Zug entgegentreten in der Hoffnung, dass Sie ihn mit bloßer Muskelkraft aufhalten könnten oder der Lokführer noch rechtzeitig bremsen würde. Wenn es einen starken Aufwärtstrend gibt, dann sollten Sie ausschließlich kaufen oder an der Seitenlinie verharren und nichts tun – auch wenn es schwerfällt. Legen Sie sich niemals mit den Massen an. Haben Sie immer Respekt vor der Gewalt der Massen. Dieses Phänomen beschäftigt die Börsianer – aber auch die Psychologen, Soziologen, Politikwissenschaftler und Politiker – bereits seit Jahrhunderten und findet in zahlreichen Sprüchen zur Börse seinen oftmals resignativen Niederschlag:

»Die Bahn der Himmelskörper kann ich auf Zentimeter und Sekunden berechnen, aber nicht, wie eine verrückte Menschenmenge die Börsenkurse in die Höhe oder Tiefe treiben kann«, sagte schon der große Physiker Isaac Newton, nachdem er 1720 beim Platzen der sogenannten Südseeblase 20.000 Pfund verloren hatte.

»Das Geheimnis des erfolgreichen Börsengeschäftes liegt darin, zu erkennen, was der Durchschnittsbürger glaubt, dass der Durchschnittsbürger tut«, so der Ökonom John Maynard Keynes. »Es gibt nichts, was so verheerend ist wie ein rationales Anlageverhalten in einer irrationalen Welt.«

Und André Kostolany meinte: »Die Börse reagiert gerade mal zu 10 Prozent auf Fakten. Alles andere ist Psychologie.«

Der französische Arzt und Ethnologe Gustave Le Bon schrieb im vorletzten Jahrhundert das Standardwerk »Psychologie der Massen« (1895). Darin beschreibt er, dass der Einzelne, unabhängig von seinem Stand, seiner Bildung und seinen kognitiven Fähigkeiten, in der Masse seine Kritikfähigkeit verliert und stark emotionalisiert wird. Der Mensch geht in der Masse auf – bis hin zur Aufgabe der eigenen Persönlichkeit. Die Masse selbst ist leichtgläubig, undifferenziert und schließt durch Verallgemeinerung vom Einzelnen auf das Ganze. In ihrer Emotionalität ist sie als Ganzes nicht aufgeschlossen gegenüber einer argumentativen Auseinandersetzung. Sie ist anfällig für Suggestion und impulsiv in ihrer Aktion. Die Meinungsbildung erfolgt im Sinne einer geistigen Ansteckung und führt zu »religiösem« Glauben. Dabei ist die Masse anfällig für einen Leithammel, den Führer. Der Gerechtigkeit halber muss erwähnt werden, dass Le Bon die Masse insgesamt sehr kritisch einschätzte und nicht unbedingt ein Freund demokratischer Prozesse war. Insofern schießt sein Werk sicherlich oft über das Ziel hinaus. Viele seiner Annahmen haben...

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