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Capabilities - Handlungsbefähigung und Verwirklichungschancen in der Erziehungswissenschaft

Handlungsbefähigung und Verwirklichungschancen in der Erziehungswissenschaft

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl191 Seiten
ISBN9783531919096
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,27 EUR
Mit diesem international besetzen Sammelband wird das Thema des 'Capability Approach' erstmals für die deutschsprachige Erziehungswissenschaft zusammengefasst. In der Bestimmung und Definition von 'Handlungsbefähigung' wird der Versuch unternommen, sowohl pädagogisch als auch sozialanalytisch zu einem neuen Gerechtigkeitsbegriff zu kommen, der die Zukunft der Erziehungswissenschaft maßgeblich beeinflussen kann.

Dr. Dr. h. c. Hans-Uwe Otto ist Senior Research Professor an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld.
Dr. Holger Ziegler ist Professor an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld.

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Leseprobe
III. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven (S. 84-85)

Nina Oelkers / Hans-Uwe Otto / Holger Ziegler


Handlungsbefähigung und Wohlergehen: Der Capabilities-Ansatz als alternatives Fundament der Bildungs- und Wohlfahrtsforschung


Der Capabilities- bzw. Verwirklichungschancen-Ansatz steht in der Tradition der aristotelischen praktischen Philosophie, die gleichermaßen auf die Ökonomik, die Ethik, die Staats- und die Lebenskunst bezogen ist. Auf erziehungswissenschaftliche Fragestellungen angewendet, lässt sich der Capabilities Ansatz als Basis für eine empirisch fundierbare grundlagentheoretische wie praktisch-evaluative Neuorientierung verstehen. Er stellt eine elaborierte Erweiterung und Alternative zu einem verkürzenden Humankapitalansatz und damit häufig verbundenen Evaluationsstudien der derzeit dominierenden empirischen Bildungsforschung dar.

Dabei ist sich der Capabilities-Ansatz mit der empirischen Bildungsforschung zunächst darin einig, dass Wissen, Bildung und Bildungstitel in allen modernen, westlichen Gesellschaften wichtige Zugänge zu beruflichen und gesellschaftlichen Positionen konstituieren. Als eine kognitive Repräsentation von Welt und als praktische Ressource zur Lösung von Problemen ist Wissen dabei sowohl intrinsisch als auch instrumentell, sowohl individuell als auch kollektiv von Bedeutung. Im Form von „Humankapital“ fungiert es als Katalysator des ökonomischen Erfolgs von Individuen und ganzen Volkswirtschaften.

Aus der Capabilities Perspektive ist es darüber hinaus auch eine wichtige Grundlage von Handlungsfähigkeiten und Daseinsmöglichkeiten und markiert damit eine Dimension individueller Chancen auf Verwirklichung und Wohlergehen. Welcher Form von Wissen und Wissensvermittlung dabei Priorität eingeräumt wird, ist eine erziehungswissenschaftlich wie gerechtigkeitstheoretisch zentrale Frage. Vor dem Hintergrund der durch die PISA-Studie aufgezeigten Mängel und Ungleichheiten im deutschen Schulsystem hat sich ein Diskurs durchgesetzt, in dessen Mittelpunkt die Frage nach effektiven und effizienten sozialen Investitionen in „Humankapital“ steht.

Diese Perspektive dominiert nicht nur die politische und wissenschaftliche Debatte um eine künftige Entwicklung des Schulsystems, sondern stellt auch ein wesentliches Element der Reform des Wohlfahrtsstaats dar. Dieser soll zu einem aktivierenden Sozialinvestitionsstaat produktivistisch umgebaut werden. „Bildung“ als Humankapitalinvestition – aber auch erzieherische Prämissen, die nicht selten an konservative tugendethische Traditionen der Charakterbildung anzuschließen scheinen – bilden dabei eine Basis für pädagogische Interventionsformen sozialstaatlicher Regulierungen.

Solche pädagogischen Interventionsformen werden – insbeson-dere wenn sie möglichst frühzeitig einsetzen – als aktivierende, „investive“ Maßnahmen eingefordert, während umverteilende Leistungen als passivierende soziale Kosten zurückgedrängt werden. Diese Perspektive findet ihren Niederschlag auch im Kontext von Prozessen der Neu-Definition von Armut und Ungleichheit. So gilt etwa gerade im Diskurs um eine so genannte „neue Unterschicht“ die Aufmerksamkeit weniger materiellen Aspekten der Armut oder strukturell ungleichen Lebenschancen, sondern einer personalen und kulturellen Formulierung von Armut im Sinne einer Armut an Ambition, Kultur und Bildung.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis5
I. Einleitung7
Der Capabilities-Ansatz als neue Orientierung in der Erziehungswissenschaft8
II. Politisch-theoretische Grundlegungen13
Befähigungsgerechtigkeit als Ermöglichung gesellschaftlicher Inklusion14
Capabilities: Egalitaristische Vorgaben einer Maßeinheit51
Primary Goods versus Capabilities: Considering the debate in relation to equalities in education66
III. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven79
Handlungsbefähigung und Wohlergehen: Der Capabilities-Ansatz als alternatives Fundament der Bildungs- und Wohlfahrtsforschung80
Autonomie, Adaptivität und das Paternalismusproblem – Perspektiven des Capability Approach85
The capability approach as a framework for reimagining education and justice111
Handlungsbefähigung – eine sozialisationstheoretische Perspektive126
Kindeswohl und Kindeswille. Zum Wohlergehen von Kindern aus der Perspektive des Capability Approach138
IV. Anschlüsse an Bildungstheorie und Bildungsforschung157
Bildung as Human Development: An educational view on the Capabilities Approach158
Autorinnen und Autoren191

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