Capoeira, ein afrobrasilianischer Kampftanz, wird in einem Kreis Roda gespielt, den alle Spieler zusammen bilden, um in dessen Mitte den Kampftanz (das Spiel Jogo) zu praktizieren. An einer Seite befinden sich die Instrumente, drei Berimbaus (einsaitiges Instrument mit einer Kalebasse als Klangkörper), eine Fasstrommel Atabaque, ein Tamburin Pandeiro und ggf. eine Doppelglocke Agogó und eine Ratsche Recoreco. Der Ausgangspunkt der Roda ist die Bateria (die Instrumente zusammen). Das Spiel in der Mitte wird von zwei Capoeiristas vollzogen. Es besteht aus Angriffen z.B. durch Fußtritte, Ausweich- bzw. Abwehrbewegungen und auch akrobatischen Bewegungen. Diese defensiv und offensiv Bewegungen kreisen wie ein Frage- Antwortspiel zwischen Kampf und Tanz umeinander. Genauso wichtig, wie die zwei Spieler Jogadores und die Bateria ist die gesamte Roda. Alle sind mit einem Klatschrhythmus und als Chor, als Antwort auf den leitenden Sänger, am Ganzen beteiligt. Das Zusammenspiel aller hat dynamische Effekte, welche nicht nur die Spieler in der Mitte bestärkt, sondern sich auch auf die Gesamtheit aller auswirkt. Wie das Spiel in seiner physischen Aktion aussieht bestimmen der Rhythmus und die Lieder, ob hoch, schnell und aggressiv oder eher bodennah und spielerisch. Alle Spieler warten darauf sich von der Bateria aus „in das Spiel einzukaufen“, einen der Jogadores abzulösen.
Ebenso wie in der Geschichte der Capoeira oft keine eindeutigen Beweisquellen zu finden sind, so steht es auch um die begriffliche Herkunft der Capoeira. Es gibt verschiedene Interpretationen und Deutungen darüber.
Die afrozentrische Wortforschung leitet die Herkunft aus der Sprache der Bantu in Angola ab und somit aus den afrikanischen Tanz-, Kampf- und Religionsriten (Ivan Jung, in Matices Heft 35, 2002, S.36).
Aus dem Portugiesischen lässt sich das Wort von Masthahn (capao) ableiten. Im Wörterbuch findet man unter Capoeira die Übersetzung Hühnerstall. Es könnte auf den Hahnenkampf hinweisen, der vielleicht dem Ablauf in einer Roda ähnelt (Ivan Jung, in Matices Heft 35, 2002, S.36).
Die Ureinwohner Brasiliens, die Tupi Indianer, verstehen unter dem Begriff eine in den Wäldern lebende Vogelart, bei der die Männchen Kämpfe um den Vorrang ausüben. Allerdings bezeichnen sie unter dem Begriff auch eine gerodete Urwaldlichtung. Die Deutung könnte darin liegen, dass sich die Sklaven an Lichtungen trafen, um dann im Wald Schutz zu suchen (Piero Onori, 1988, S. 14).
Nun besteht die Möglichkeit diese Erklärungen für sich zusammen zu sehen und heraus würde eine komplexe Deutung kommen. So geheimnisvoll wie die Geschichte, ist auch die Herkunft des Begriffs „Capoeira“.
Im 16. Jahrhundert wurden Afrikaner als Arbeitssklaven von den Portugiesen nach Brasilien verschifft. Sie brachten ihre verschiedenen Kulturen mit. Im Laufe der Jahrhunderte vermischten diese sich und es entstand etwas neues, „eine Mischung aus verschiedenen Kampfstilen, Tänzen, Akrobatik, Musik, Philosophie und Theater. Wir haben nun eine Ahnung davon, wie die Capoeira geboren wurde: Eine Mischung unterschiedlicher Kampfkünste, Tänze, Rituale und Instrumente aus verschiedenen Teilen Afrikas“(Nestor Capoeira, 2000, S. 30).
Wenn man über Capoeira berichten möchte, dann muss man bei ihren frühesten Anfängen beginnen, um vielleicht nur wenig ihre Ganzheitlichkeit verstehen zu können.
Es gibt verschiedene Theorien über die Ursprünge der Capoeira. Mestre (Meister) Nestor reist diese kurz in seinem Buch an.
Die bekannteste Theorie behauptet, dass es eine Kampfkunst war, die sich in einem Tanz versteckte, um der Verfolgung der Grundbesitzer der Zuckerrohrfabriken zu entgehen. Das ist nicht überzeugend, da afrikanische Tänze ebenfalls verboten waren.
Ebenfalls gibt es die Behauptung, Capoeira wäre schon in Afrika entstanden, nämlich bei den Mukupe-Kriegern, die den Tanz n`golo ausübten, um eine Frau zu erwählen. Der Krieger der sich am meisten vortat, brauchte keinen Brautpreis zu zahlen. Das soll die eigentliche Capoeira gewesen sein. Der Gelehrte Luis da Camara Cascudo veröffentlichte dies 1967.
Sehr viel wird in der Geschichte der Capoeira der berühmte Zumbi dos Palmares erwähnt. Zumbi dos Palmares war Anführer der Urwalddörfer im Nordosten Brasiliens, in welche die Sklaven im 17. Jahrhundert von den Zuckerrohrfeldern flüchteten.
Mestre Nestor setzt in seinem Buch bei der Geschichte im 19. Jahrhundert an, die sowohl in Rio de Janeiro als auch in Salvador da Bahia ihren Lauf nahm. (Nestor Capoeira, 2000, S. 32)
Obwohl es keine Quellen über die Ursprünge der Capoeira gibt und es sehr fraglich ist, dass diese Kampfkunst bereits in den Quilombos (versteckte Sklavensiedlungen in den Wäldern von Palmares, heutiger Bundesstaat Alagoas) entstand, möchte ich in diesem Zeitraum der Geschichte beginnen. Vielleicht haben die Vorkommnisse in dieser Zeit der Sklavengeschichte noch Auswirkungen auf die heutige Capoeira.
Um 1530 wurde der Zuckerrohranbau in Brasilien verstärkt. Man brauchte Arbeitskräfte. Da die Indios, die Eingeborenen Brasiliens, nicht dafür geeignet waren und auch in der Gefangenschaft verstarben, wurden sie durch die von den portugiesischen Kolonien eingeführten afrikanischen Sklaven ersetzt.
Wie viele Sklaven tatsächlich seit 1538 importiert wurden, weiß man nicht, da im Jahre 1888 kurz nach Aufhebung der Sklaverei der Landwirtschaftsminister Barbosa alle Dokumente vernichten ließ. Die Zahl schwankt je nach Quelle zwischen 2,3 und 18 Millionen (Dirk Hegmanns, 1998, S.15).
Auf den Feldern herrschten unmenschlichste Bedingungen. Folterungen und Verstümmelungen gehörten zum Alltag. Die Lebenserwartung auf den Feldern betrug nur ein paar Jahre. Das Einzige was den afrikanischen Sklaven blieb war ihre Religion. Es trafen zwar verschiedene Religionen zusammen, aber bei der Ausübung ihrer Riten bildete sich ein Raum zur Verständigung und damit zur möglichen Organisation von Widerstand. „Auf den Zuckerrohrfeldern des Nordostens Brasiliens schließlich hatten die Sklaven lediglich noch die Wahl zwischen dem sicheren Tod durch Entkräftung und Folter oder der Flucht in die Wälder“ (Dirk Hegmanns, 1998, S.18). Die Flucht musste sehr gut geplant sein, denn die Wälder waren sehr gefährlich und außer den Gutsbesitzern und Sklavenwächtern durften die Sklaven auch nicht den Capitaes do Mato, den Wächtern des Waldes, begegnen. Diese hatten es sich zum Beruf gemacht Sklaven zu jagen. Ebenso war das Überleben in der Wildnis nur in der Gemeinschaft möglich. So entstanden die Quilombos, die Siedlungen, „in den Wäldern von Palmares im heutigen Bundesstaat Alagoas“ (Dirk Hegmanns, 1998, S. 19).
„Der erste Hinweis auf die Existenz von Palmares stammt aus einem Brief des Paters Pedro Lopes aus dem Jahre 1597. Man kann daher davon ausgehen, dass die Gründung dieser Sklavenrepublik etwa in die neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts fiel“ (Dirk Hegmanns, 1998, S. 19).
Palmares wuchs und wuchs, es entstanden neue Quilombos und so wurde diese Republik langsam zu einer Gefahr für die Wirtschaft Brasiliens. Es fehlten immer mehr Arbeitskräfte und die Bewohner von Palmares befreiten neue Sklaven und überfielen immer häufiger die Weißen. An der Spitze stand Ganga Zumba, der Anführer, der aber auch Gesetzen unterlag. In Palmares gab es nämlich nun eine Regierung, ähnlich wie in einer Demokratie.
Jedoch wurde die Republik nach Befehl eines Gouverneurs angegriffen und Ganga Zumba und mehr als 200 Gefangene wurden 1678 in ein Reservat geschickt (Dirk Hegmanns, 1998, S. 22/23).
Palmares brauchte nun einen neuen König: Zumbi.
Er verfolgte eine angriffslustigere Strategie als Ganga Zumba. Um die 50 Palmarinos überfielen Güter und Dörfer und legten Hinterhalte an den Straßen. Bis schließlich der Gouverneur Hilfe aus Südbrasilien anforderte. 1694 wurde Palmares systematisch vernichtet. 1695 starb Zumbi nach Verrat eines Freundes durch ein Messer. (Dirk Hegmanns, 1998, S. 24/25)
Dirk Hegmanns meint, dass die Geschichte von Palmares ebenfalls die Geschichte der Capoeira ist, denn auch mit einer waffenlosen Kampfkunst widersetzten sich die Schwarzen, sowohl auf den Zuckerrohrfeldern als auch in den Wäldern (Dirk Hegmanns, 1998, S. 25). Da Zumbi und die Sklaven das Symbol des Widerstandes sind, werden sie häufig als Capoeiristas dargestellt. Leider gibt es aber hierfür keine eindeutigen Belege.
Die Capoeira entwickelte sich, bis 1808 Napoleon Bonaparte und der portugiesische König D.Joao VI. in Brasilien einmarschierten und erkannten, dass sie die Kultur des Volkes zerstören mussten, um es zu erobern. Sie waren der Meinung Capoeira gebe den Afrikanern Selbstvertrauen und auch ein Nationalgefühl, außerdem festigten sich mit der Capoeira Gruppen, welches eine Gefahr darstellen könnte. Die Unterdrückung ging soweit, dass sich 1890 das Verbot im Strafgesetzbuch, Kapitel XII, Artikel 402 wiederfand (Nestor Capoeira, 2000, S. 30).
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