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E-Book

Carlo Ancelotti. Die Autobiografie

AutorAlessandro Alciato, Carlo Ancelotti
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783492975056
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Seit 2016 ist er Trainer beim FC Bayern München - Carlo Ancelotti: Beliebt bei seinen Spielern, erfolgreich auf all seinen Stationen von Juventus über Chelsea bis zu Madrid. In dieser anekdotenreichen und einsichtsvollen Autobiografie schildert er seinen Werdegang aus der italienischen Provinz in die Top-Vereine der italienischen Liga, wo er es als Spieler bis in die Nationalmannschaft schaffte. Als Trainer blieb er seiner Philosophie stets treu: den Kontakt zu seinen Spielern zu halten und sein System an die Mannschaft anzupassen, nicht umgekehrt. Der Erfolg und seine große Beliebtheit geben ihm Recht.

Carlo Ancelotti, 1959 in Reggiolo in der Emilia Romagna geboren, wurde nach einer großartigen Karriere als Spieler zu einem der erfolgreichsten und beliebtesten Trainer des Profi-Fußballs und gewann mit seinen Teams mehrfach die wichtigen internationalen Titel. 2009 zog es ihn nach London zu Chelsea, 2013 nach Madrid, wo er mit Real das spanische Double gewann. Seit Juli 2016 ist er Cheftrainer beim FC Bayern München.

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Leseprobe

Vorwort zur deutschen Ausgabe


von Alessandro Alciato


15. April 2016 in Parma. Der Abend fing gut an. Es war warm, draußen kämpften die letzten Sonnenstrahlen gegen die Dämmerung an, doch bald würde die Nacht hereinbrechen. Man trug kurze Ärmel, der Frühling zeigte sich von seiner schönsten Seite, fast als wäre er dort zu Hause. Er brachte die Seelen ebenso zum Strahlen wie die Natur.

Der Opa im Haus setzte die Brille auf, denn auch so lässt sich Glück in menschliche Bahnen lenken. Sein Enkel sah ihn an und lächelte. Das Lächeln von Kindern fällt immer strahlend aus, auch wenn es im Falle des Enkels noch ein zahnloses war.

Währenddessen aß der Opa, und wenn der Opa sich zu Tisch setzt, dann kann draußen eine Bombe hochgehen, er würde es nicht bemerken. Der Enkel aber machte urplötzlich ein hochkonzentriertes Gesicht.

Der Opa zog die Augenbrauen hoch.

Der Enkel schaute unschuldig drein.

Der Opa richtete seinen Blick auf die Hand des Enkels, als wolle er sich dessen, was er gerade gesehen hatte, noch einmal versichern.

Denn in der kleinen Hand des Enkels befand sich nichts anderes als das Mobiltelefon des Opas.

Der Opa nahm’s gelassen. »Scheiße!«, schrie er auf Deutsch, denn Sprachkenntnisse zu haben ist immer gut, vor allem in schwierigen Situationen.

Aus der Küche kam ein fragendes »Hat dir das Essen nicht geschmeckt?«.

Doch mit dem Essen hatte das Ganze nichts zu tun. Alessandro, der Enkel, spielte mit Opa Carlos Telefon. Genauer gesagt hatte er die Tastatur blockiert, nachdem er wohl versucht hatte, Beethovens Neunte darauf nachzuspielen. Zumindest klickte er seit mehreren Minuten auf der Tastatur herum. Pech. Denn dabei ging so einiges verloren. Das Telefon verabschiedete sich in ein besseres Leben und nahm die zahllosen SMS mit, die der Opa bekommen hatte. Opa Carlo. Carlo Ancelotti. Die beiden Deutschen Sami Khedira und Toni Kroos waren die Ersten, die ihm geschrieben hatten, nachdem vermeldet worden war, dass Carlo der neue Trainer des FC Bayern München werden würde: »Du hast die absolut richtige Entscheidung getroffen. Bayern ist eine Religion. Herzlichen Glückwunsch.« Danach waren die anderen eingetrudelt, angefangen bei Cristiano Ronaldo. Seine Spieler mochten ihn immer: Denn seine Spezialität ist es, nicht nur die Muskeln zu trainieren, sondern auch die Herzen. Eine Nachricht aber konnte der Enkel nicht löschen, die von Florentino Pérez. Das hatte einen einfachen Grund: Die Nachricht war nie abgeschickt worden. Der Präsident von Real Madrid hatte, nachdem er jenen Trainer vor die Tür gesetzt hatte, der die legendäre »Décima«, den zehnten Europapokal, nach Madrid geholt hatte, jeden Kontakt zu ebendiesem Trainer abgebrochen. Nicht ein Telefonat. Nicht eine Mail. Nicht eine SMS, wie Jungverliebte sie sich manchmal schicken, einfach um zu signalisieren: »Hey, es gibt mich noch.« Pérez hat eine absolute Kommunikationssperre mit Ancelotti durchgezogen, der sich allerdings an diese Art von Launen längst gewöhnt hat. Das ist immer so: Wenn er irgendwo neu hinkommt, rümpfen die Leute die Nase. Und wenn er weggeht, würden die Spieler am liebsten eine öffentliche Demonstration veranstalten. In Spanien war das nicht anders.

Te jamón. Das waren die ersten Worte, die Carlo Ancelotti in Madrid gelernt hat. Kaum ausgesprochen, haben ihn auch schon alle schräg angeguckt oder sich über ihn lustig gemacht mit diesem leicht snobistischen Grinsen, das ein netter Kerl wie er überhaupt nicht verdient hat: »Ach, wieder so ein armseliger Tropf von Italiener, der nicht richtig Spanisch kann! Nein, mein Guter, te amo heißt das, ich liebe dich.« Dabei hatte Carletto, dem man in Madrid mittlerweile den Spitznamen »Don Carlos« gegeben hat, gar keinen Fehler gemacht. Aber wie üblich ist er darauf nicht groß herumgeritten. Denn er hatte keineswegs die Absicht, in aller Öffentlichkeit einen Seelenstriptease hinzulegen. Er wollte einfach nur sagen, dass ihm der spanische Schinken unglaublich gut schmecke. Und Schinken heißt auf Spanisch jamón. Genial wie immer. Denn wie könnte man besser ausdrücken, dass man sich an einem neuen Ort schon eingelebt hat? Denn für den neuen Trainer des FC Bayern gilt letztlich nur eine Gebrauchsanweisung: Drehen seine Gespräche sich irgendwie ums Essen, geht es ihm gut. Beginnt er dagegen eine Diät, sollte man schleunigst einen Arzt rufen. Oder ganz laut schreien. Aber er wird sich fangen. Am Ende fängt er sich immer wieder. Er ist der einzige Trainer auf der ganzen Welt, dessen Siegerqualitäten in direkt proportionalem Verhältnis zu seinem Taillenumfang stehen.

Denn letztlich gibt es keinen Triumph ohne ein gutes Restaurant. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir es hier zuallererst mit einem Bauernsohn zu tun haben und erst in zweiter Linie mit einem Mann, der eine ganz außergewöhnliche Karriere hingelegt hat. Es geht hier um sein Leben, das ihn von den Feldern Reggiolos, die er als Junge mit seinem Vater bestellt hat, auf den grünen Rasen der berühmtesten Stadien der Welt geführt hat; wie in das Stadion Santiago Bernabéu, jenen Tempel, in dem Real Madrid seinen eigenen Mythos zelebriert, und nun nach München in die Allianz Arena. Und doch enden die Geschichten in diesem Buch mit den Erfolgen, die er als Trainer von Chelsea gefeiert hat. Was danach geschah, hat jeder mitbekommen. Doch wie Carlo überhaupt zum Spitzentrainer geworden ist, ist der eigentlich interessante Teil der Geschichte, der Ihnen das ein oder andere Lachen entlocken wird. Getreu Carlos Motto: »Nicht die Salami ist gesundheitsschädlich, sondern das Messer!« Die Szenerien wandeln sich, die Messer vielleicht auch, der Protagonist aber bleibt sich stets gleich. Die Kulisse nimmt vielleicht immer schillerndere Töne an, hinter der Bühne aber waren durchaus keine Erdstöße zu spüren – es sei denn, das Abendessen hatte sich zu lange hingezogen. Zu Real Madrid rief man Ancelotti im Sommer 2013, nachdem José Mourinho entlassen worden war, der in allem das Gegenteil von Ancelotti ist. Florentino Pérez hat ihn in den Raum geführt, in dem die Trophäen des Clubs ausgestellt sind, hat auf die neun Europapokale im Schaukasten gezeigt und ihm eine einzige Aufgabe gestellt: »Carletto, du musst die Champions League gewinnen!« Woraufhin er im Stillen dachte: »Na, das fängt ja gut an.« Offiziell meinte er: »Ich werde es versuchen.« Man hatte ihn geholt, um einen Pokal zu gewinnen, der seit zwölf Jahren für Madrid in weiter Ferne lag, und zwölf Jahre sind im Fußball eine Ewigkeit. Real hat neun Mal den Europapokal der Landesmeister, der seit 1992 Champions League heißt, gewonnen; nur mit dem zehnten Mal, der Décima, wollte und wollte es einfach nicht klappen. Ein Albtraum, der zur Besessenheit wurde. Eine Hoffnung, die sich immer dann in Luft auflöste, wenn man sich ihrer Erfüllung so nah wähnte. Nicht einmal Mourinho, der sich selbst »The Special One« nennt, konnte dieses Wunder vollbringen. Vielleicht hatte er einfach zu viel darüber geredet. Ancelotti hingegen machte sich in aller Ruhe im Sportzentrum von Real in der Ciudad Deportiva de Valdebebas an die Arbeit, löste Blockaden, fand einen Weg, Bale und Cristiano Ronaldo auf dem Rasen zur Zusammenarbeit zu bewegen, hat Di Maria reaktiviert und Modric zum unverzichtbaren Stammspieler gemacht. So setzte er stillschweigend jenen Befehl um, der in eine freundliche Anfrage verpackt war.

Ich war dabei am 24. Mai 2014 in Lissabon und habe das Endspiel der Champions League 2013/14 gegen Atlético Madrid für Sky kommentiert. Ein Lokalderby also, nur auswärts. Lissabon, das plötzlich zur Hauptstadt Spaniens wurde. Und Madrid zur Hauptstadt Portugals. Ein geografischer Fieberwahn, hochkochende Emotionen, die alle Grenzen beiseitefegten. Wenige Sekunden vor Schluss, die Nachspielzeit war fast vorüber, Real lag 0 : 1 hinten, und Ancelotti war auf dem besten Weg – auch wenn er das nie zugeben würde –, zum Extrainer von Real Madrid zu werden. Atlético hatte in dieser Saison schon den Meistertitel geholt. Sollte der Lokalrivale nun auch noch im europäischen Fußball triumphieren, dann wäre das mehr, als die Real-Bosse würden verkraften können. Der Überpräsident Florentino Pérez hatte im Gespräch mehr als einmal fallen lassen: »Wenn er verliert, muss er weg.« Und dann erzielte Sergio Ramos in der 93. Minute den Ausgleich. In der Verlängerung das Tor von Bale. Dann noch eins von Marcelo. Und schließlich Ronaldo. Das Endergebnis lautete 4 : 1. Und Ancelotti war die Trainerbank zunächst sicher, sagte er von sich doch immer wieder, er sei der »erste Trainer der Welt mit einem erdbebensicheren Arsch«. Genau so läuft es bei ihm immer: In dem Augenblick, in dem man ihn zum Teufel jagen will, in dem die Trainerbank glutheiß wird und mit ihr seine Hinterbacken, zaubert er ein Kaninchen aus dem Zylinder – mit der erklärten Absicht, das Tier gleich im Anschluss zu verspeisen. Er gewinnt, wenn niemand es erwartet. Ich bin ihm begegnet, als er kurz nach dem Abpfiff mit abwesendem Blick über den Rasen schlenderte, während seine Spieler zur Kurve mit den weiß gekleideten Real-Fans rannten, um sich dort mit einem lauten »Hala Madrid« feiern zu lassen.

»Jetzt hast du’s geschafft, Carlo!«

»Ja, ich hab’s geschafft …«

»Carlo, du hast gewonnen!«

»Ich habe gewonnen …«

»Carlo, du hast die Décima geholt!«

»Der zehnte Pokal …«

»Carlo, du scheinst mir gerade ein bisschen weggetreten.«

»Irgendwie hab ich das alles noch nicht begriffen.«

Da entschloss ich mich zur Nagelprobe, mit der man am sichersten seinen...

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