Ein Akronym
Von den altgriechischen Wörtern ákros (trefflichster) und ónoma (Name) abgeleitet bezeichnet ein Akronym ein Initial- oder Kurzwort, das sich aus den Anfangsbuchstaben von mehreren Wörtern zusammensetzt. Der zutreffendste Name sozusagen.
»CFD« ist ein solches Akronym und steht für Contracts For Difference. Auf Deutsch wird dieses oft mit Differenzgeschäft übersetzt.
Jedoch handeln die wenigsten Marktteilnehmer im deutschsprachigen Raum mit »Differenzgeschäften«, sondern es hat sich auch hierzulande das englische Akronym ›CFD‹ etabliert.
Die Anfänge
Die Anfänge der CFDs, wie wir sie heute kennen, liegen in Großbritannien, wo sie erstmals zu Beginn der 1990er-Jahre auftauchten. Dies ist in unterschiedlichen Quellen zu lesen.
Wer jedoch genau der Erfinder war, das ließ sich nicht feststellen. Denn im Internet gibt es verschiedene Versionen. In der deutschen Wikipedia wird das Bankhaus UBS als Erfinder genannt. Auf schnellem, freundlichem und unkompliziertem Wege teilte mir die UBS jedoch mit, dass sie nicht Erfinder der CFDs sei.
Auf der englischen Seite der Wikipedia ist hingegen zu lesen, dass Erfinder die UBS-Warburg sei. Auch dies kommt zeitlich nicht ganz hin, denn von 1995 bis 1997 firmierte die S.G. Warburg PLC als »SBC-Warburg – A Division of Swiss Bank Corporation«. 1997 bis 1998 dann als »SBC Warburg Dillon Read«. 1998 bis 2000 unter dem Namen »Warburg Dillon Read«. Und 2000 bis 2003 unter »UBS Warburg«.1 Danach ging das Bankhaus im Investmentbanking-Bereich der UBS auf.
Sie sehen, zeitlich mit Anfang der 1990er-Jahre passt die Erfindung der CFDs weder zur UBS noch zur UBS-Warburg.
Sie können sich vorstellen, dass bei so vielen Umfirmierungen und Übernahmen es heute, nach mehr als 20 Jahren, schwer ist, einen Ansprechpartner zu finden. Daher lassen wir die Frage, wer die CFDs wirklich erfunden hat, einmal außen vor.
Aber warum erzähle ich Ihnen eigentlich die ganze Geschichte und den Wirrwarr um die Bankhäuser? Ganz einfach, ich möchte Sie sensibilisieren, nicht alles einfach so zu glauben, was Sie lesen. Hinterfragen Sie die entscheidenden Punkte. Dies ist gerade bei einem Produkt wie den CFDs sehr wichtig!
Was wir jedoch festhalten können, ist, dass in der Finanzmetropole London Anfang der 1990er-Jahre die professionellen Kunden der Banken und Broker – überwiegend Fonds – auf der Suche nach einem Weg waren, sich an den Märkten auf einfache und kostengünstige Art und Weise gegen Kursschwankungen abzusichern. Viele Fondsstrategien basieren auf der grundsätzlichen Idee der steigenden Kurse. Das bedeutet, dass diese Fonds die Märkte nur kaufen (long) und nicht verkaufen (shorten). In Zeiten, in denen die Kurse jedoch fallen, fahren diese Fonds Verluste ein. Aus diesem Grund suchten diese Kunden eine Absicherungsmöglichkeit für die Möglichkeit fallender Kurse.
Weiterhin sollte man sich vor Augen führen, dass das Shorten von Aktien damals nicht so einfach war. In den letzten Jahren hat sich in diesem Gebiet einiges getan, und das Shorten von Aktienpositionen gehört eigentlich schon zum Standard. Aber wissen Sie, was eigentlich hinter dem Shorten von Aktien steckt? Da Sie mit CFDs long und short gehen können, also auf steigende (long) und fallende (short) Kurse setzen können, sollten Sie über das ursprüngliche Shorten schon einmal etwas gehört haben.
In der einfachsten Variante2 funktioniert dies so, dass die Fonds eine Position, die sie nicht besitzen, verkaufen (leerverkaufen), um so ihre besetzten Positionen zu hedgen3. Der Fonds verpflichtet sich durch den Leerverkauf, beim Schluss des Geschäftes sich mit der notwendigen Stückzahl der Aktien am Markt einzudecken.
Abbildung 1: Schematische Darstellung der »Aktienleihe«, sprich des Shortens von Aktien
Nehmen wir an, der Kunde einer Bank möchte zum 1. Juni die Daimler-AG-Aktie shorten, sprich »leerverkaufen«. Er ist der Meinung, dass die Aktie im Wert fallen wird, und ist nicht im Besitz der Aktie. Darum schließt er mit seiner Bank einen Vertrag über eine sogenannte »Wertpapierleihe«4 für Aktien der Daimler AG, die er dann über die Börse verkaufen kann. Die Bank hat nun entweder die Aktien selbst im Bestand, oder sie kauft diese am Markt an (1). Diese Aktien »verleiht«5 sie nun an den Kunden (2). Dieser Kunde hat nun die Möglichkeit, die Aktien am Markt zu verkaufen, denn er ist nun, über die Wertpapierleihe, tatsächlich im Besitz dieser Aktien. Zu einem im Vorfeld vereinbarten Zeitpunkt muss der Kunde, der sich die Aktien geliehen hat, diese Aktien der Bank wieder zurückgeben, sprich er muss sich die Anzahl der geliehenen Aktien am Markt zurückkaufen. Nehmen wir an, dies sei der 1. Dezember. Spätestens zu diesem Zeitpunkt – oder auch früher – muss sich der Bankkunde dann wieder mit diesen Aktien eindecken, sprich, er muss sie am Markt wieder kaufen (4). Diese Aktien gibt er dann seiner Bank wieder zurück (5). Jetzt ist aus Sicht des Kunden das Geschäft geschlossen.
Normalerweise kauft man eine Aktie zuerst und verkauft sie dann wieder. Sofern der Kurs gegenüber dem Einkaufspreis gefallen ist, entsteht ein Verlust.
Beim Shorten jedoch erfolgt der Verkauf zuerst. Wenn dann zu einem niedrigeren Kurs als der Verkaufskurs wieder gekauft wird, entsteht ein Gewinn. Also kauft der Kunde im Idealfall die Aktie billiger zurück, als er sie zuvor verkauft hat.
Ergo: mit Shortpositionen spekuliert man immer auf fallende Kurse.
Abbildung 2: Schematisch aufgezeigt die Wege einer Aktie bei einer »Aktienleihe«
Nehmen wir an, die Daimler-AG-Aktie stand am 1. Juni bei 50 Euro. Der Bankkunde »erhielt« die Aktie zu diesem Preis von seiner Bank geliehen und verkaufte sie am Markt zu diesem Preis. Zum 1. Dezember muss er sich nun am Markt mit dieser Aktie eindecken, sprich: er muss die Aktie zurückkaufen, da er vertraglich zu deren Rückgabe an die Bank verpflichtet ist. Zu diesem Zeitpunkt steht die Aktie bei 40 Euro. Der Bankkunde kann sich nun zu einem günstigeren Preis, nämlich zu 40 Euro, mit den Aktien eindecken. Sein Gewinn liegt bei 10 Euro je Aktie, wenn man die Transaktions- und Leihkosten mal vernachlässigt.
Abbildung 3: Schematische Darstellung eines klassischen Aktien-Shorts auf die Daimler AG
Der Wunsch vieler Fondsmanager war, einen solchen »Leerverkauf« unkompliziert und mit geringem Kapitaleinsatz durchzuführen. Der vertragliche Prozess und das, was dahintersteckt, mutet schon kompliziert genug an. Die Idee war dann, eine Art standardisierte Wette auf die Kursdifferenz, also die Spanne von 50 Euro zu 40 Euro, abzuschließen. Die Bank wollte selbstverständlich Sicherheiten haben, damit der Bankkunde, sollte das Geschäft gegen ihn laufen, auch seine Schulden aus dieser Wette begleichen kann. Diese Sicherheitsleistung war aber wesentlich geringer als der Kapitaleinsatz, der nötig gewesen wäre, um die Aktien direkt zu verkaufen und zu kaufen.
Die Idee der CFDs war geboren.
Bis in den späten 1990ern der Run auf die Technologie-Werte einsetzte, blieben CFDs fast ausschließlich dem oben genannten Zweck und Kundenklientel vorbehalten. Doch die neu an den Markt drängenden Firmen boten neue und profitable Möglichkeiten des Engagements. Die hohe Volatilität an den »neuen Märkten« brachte die Spekulanten auf den Plan. Es war nicht mehr notwendig, für lange Zeit zu investieren, sondern man konnte an kurzfristigen Kurssprüngen partizipieren.
Aber dies war nicht der einzige Grund. Ein weiterer, sicherlich viel entscheidenderer Punkt war, dass Großbritannien die sogenannte Stempelsteuer6 hat. Diese gibt es im Vereinigten Königreich in verschiedenen Ausprägungen schon seit 1694. Sie betrifft auch die Aktiengeschäfte und ist eine Art Börsenumsatzsteuer, die auf die Übertragung (sprich den Kauf) von zum Beispiel Aktien erhoben wird.
Das Interessante an den CFDs liegt nun darin, dass es beim Geschäft mit CFDs nicht um die Eigentumsübertragung am Wertpapier, also der Aktie, geht, sondern lediglich um die Spekulation auf die Kursdifferenz. Diese Art von Geschäft fiel nicht unter diese Stempelsteuer und tut es bis heute nicht. Das dürfte wohl einer der Hauptgründe sein, warum sich die CFDs in Großbritannien so großen Beliebtheit erfreuen.
All dies liegt noch nicht allzu lange zurück. Daher ist oft zu lesen, dass CFDs eine relativ neue Erfindung seien. Aber ist dem wirklich so? Um einen Sachverhalt oder ein Produkt verstehen zu können, wage ich gerne einen Blick zurück in die Geschichte. Oft hilft dies dem Verständnis und birgt zuweilen die eine oder andere nette Anekdote. Darum lassen Sie uns zuerst einen Blick in die Vergangenheit werfen.
CFDs und Swaps?
Eigentlich sind CFDs keine neue Erfindung. Lassen Sie uns einen kurzen Ausflug in das 15. Jahrhundert machen. In Holland waren die so genannten »Wagers« – (Finanz-)Wetten – ein beliebtes Instrument bei Spekulanten.
Gewettet wurde zum Beispiel auf den Wechselkurs einer Währung. Einer der Wettteilnehmer wettete, dass der Kurs zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, zum Beispiel dem nächsten Auktionstag, plus/minus 2 Prozent liegen würde. Der Wettpartner wettete, dass der Kurs plus/minus 3 Prozent liegen würde. Die Parteien...