|14|2 Ihr persönliches Ressourcenexperiment
Sie wollen Ihre Klienten mit Ressourcenaktivierung mental stärken? Fangen Sie bei sich selbst an und lassen Sie sich zu einem kleinen Experiment einladen! Wir wollen Sie anregen, Ihre Aufmerksamkeit gegenüber positiven Erfahrungen in Ihrem Alltag zu trainieren. Diese gehen im Alltag häufig unter. Dabei tragen positive Gefühle und eine positive Lebenseinstellung nachweislich dazu bei, offener zu werden, die eigene Wahrnehmung zu erweitern und damit kreativer und besser bei der Bewältigung von alltäglichen oder besonderen Herausforderungen zu werden (Fredrickson, 2011). Positive Erfahrungen erfüllen darüber hinaus Grundbedürfnisse, die eine wichtige Rolle für den Erhalt von Gesundheit spielen (Grawe, 2004).
In Kapitel 1 wird die Situation beschrieben, wie Sie müde nach der Arbeit nach Hause kommen und Gäste zum Essen erwarten. Das Ressourcenexperiment steht bei dieser Alltagssituation dafür, den Moment für die Wahrnehmung positiver Gefühle nutzen zu können. Sich auf der Heimfahrt in der S-Bahn und den paar Schritten nach Hause zu entspannen, den Blick schweifen zu lassen und dem schönen Wetter, dem Grün der Natur etwas abgewinnen zu können, sind Beispiele für positive Alltagserfahrungen, die ihre Wirkung auf unser Befinden entfalten können, auch wenn wir müde und gestresst sind.
Was erwartet Sie nun? Idealerweise investieren Sie jeden Tag ungefähr zehn Minuten Ihrer Zeit für das Experiment. Beobachten Sie, wie Ihr eigenes Ressourcenerleben Tag für Tag wächst! Die Übungen sind sehr einfach und sie bauen aufeinander auf, so dass Sie Ihre bereits gesammelten Erlebnisse aus den vorherigen Übungen in die nächste Übung einbringen können. Die Übungen basieren auf wissenschaftlich gut belegten Theorien und Ergebnissen aus Studien der Therapieforschung, der positiven Psychologie sowie der Sozialpsychologie. Diese werden in den folgenden Kapiteln näher beschrieben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit bleiben wir für das Ressourcenexperiment bei konkreten Übungen. Wenn Sie sich gerne zuerst mit wissenschaftlichen Theorien und Studien zu Ressourcen und Ressourcenaktivierung beschäftigen wollen, empfehlen wir Ihnen, jetzt zu Kapitel 4 zu wechseln. Sie können das Experiment auch später durchführen.
Für diejenigen von Ihnen, die Ressourcenaktivierung erst einmal selbst ausprobieren wollen, ehe Sie sich damit beschäftigen, wie Sie entsprechende Interventi|15|onen in die Arbeit mit Ihren Klienten einbauen können, starten wir jetzt mit Ihrem persönlichen Ressourcenexperiment!
Beginnen Sie mit der ersten Übung und führen Sie diese am besten mehrmals am Tag durch. Am zweiten Tag lernen Sie die zweite Übung kennen und führen auch diese mehrfach durch. So geht es weiter bis Sie an Tag 5 bei der letzten Übung angelangt sind. Nach Abschluss Ihres Ressourcenexperiments wählen Sie ein bis zwei Übungen aus, die Ihnen besonders gut liegen, und machen damit über einen längeren Zeitraum von einigen Wochen weiter.
Mein persönliches Ressourcenexperiment
Übung 1: Angenehme Momente der vergangenen Stunde – Eine Handvoll Ressourcen
Übung 2: Angenehmes im Moment erkennen – Die Ressourcenbrille
Übung 3: Ressourcenaktivierung im Körper – Das Ressourcenbonbon
Übung 4: Ressourcenaktivierung mit allen Sinnen – Die Ressourcenpostkarte
Übung 5: Die Ressourcen im Blick haben – Das Ressourcenfernrohr
Mit der Durchführung der Übungen aus dem Ressourcenexperiment wird ein Sensibilisierungsprozess angestoßen. Sie werden auf verschiedene Art und Weise angeregt, Ihre Wahrnehmung zu öffnen, Positives zu erleben und das Schöne im Moment zu erkennen, als auch einen positiven Blick auf das Vergangene und die Zukunft zu richten. Möglicherweise fällt Ihnen der Anfang schwer, weil es im Alltag eher ungewohnt ist. Viele von Ihnen kennen die Suche nach Positivem aus dem Urlaub: wir können minutenlang Himmel und Meer betrachten und entdecken immer mehr Details wie Möwen, verschiedene Wolken, Sonnenstrahlen, Gischt, Schiffe am Horizont. Dieser Vorgang ist in der Regel mit positiven Gefühlen verbunden wie beispielsweise Vergnügen, Heiterkeit oder Freude. Es wäre schade, auf diese leichte und effektive Art der Ressourcenaktivierung zu verzichten, zumal wir gerade in stressigen Zeiten ein „Polster“ an Kraft und Erholung brauchen! Der Erfolg stellt sich mit Training ein – je mehr und länger Sie üben, desto schneller und desto mehr positive Aspekte werden Sie wahrnehmen.
Vermutlich führt das Ressourcentraining dazu, dass Sie auch außerhalb des Experiments in Ihrem Alltag auf Positives achten. Dann wäre das Experiment gelungen! Je mehr positive Aspekte Sie in Ihrem Alltag wahrnehmen, desto bewusster nehmen Sie auch positive Gefühle wahr, die mit diesen Erfahrungen einhergehen. Damit fördern Sie Ihre Wohlbefinden und Ihre Gesundheit.
Die Gewinndynamik dieses Sensibilisierungsprozesses geht bei gutem Training dahin, dass Sie auch in herausfordernden Situationen auf Positives und Hilfrei|16|ches achten können. Und hier sind wir am großen Ziel unseres Experiments angelangt: Sie befreien sich aus dem „Tunnelblick“ auf das Problem und schaffen es, Positives und Hilfreiches in den Problemlöseprozess mit einzubeziehen, was Sie kreativer und flexibler macht.
Abbildung 2: Das Ressourcenexperiment – Fördern eigener Ressourcenaktivierung
Bevor Sie starten, möchten wir Ihnen einige Gedanken für Ihren Erfolg mit auf den Weg geben:
Warten Sie nicht auf den perfekten Zeitpunkt, sondern fangen Sie einfach jetzt an!
Alle Übungen können Sie so oft wiederholen, wie Sie möchten – Sie öffnen damit Ihre Wahrnehmung gegenüber positiven Aspekten in Ihnen selbst bzw. in Ihrer Umwelt!
Sie dürfen sich auch mehr Zeit für die einzelnen Übungen nehmen – wir empfehlen jedoch mindestens zehn Minuten pro Übung!
Es geht nicht um Kreativität – oft sind es dieselben Aspekte oder ganz ähnliche Aspekte, die wir im Alltag als angenehm empfinden.
Halten Sie Ihre Erkenntnisse am besten schriftlich fest, um eine intensivere Verarbeitung Ihrer Erlebnisse zu ermöglichen und dadurch eine größere Wirkung der Übungen zu erzielen!
Suchen und achten Sie auch kleine alltägliche Dinge.
Übung 1: Angenehme Momente der vergangenen Stunde – Eine Handvoll Ressourcen
Übung: Eine Handvoll Ressourcen
Vergegenwärtigen Sie sich bitte, was Sie in den vergangenen 60 Minuten gemacht haben. Welche positiven Momente haben Sie erlebt? Welche positiven Gefühle waren in diesen Momenten da?
Betrachten Sie nun Ihre rechte Hand und sammeln Sie mindestens für jeden Finger Ihrer Hand einen positiven Aspekt. Los geht‘s!
|17|Ziele:
Hintergrund: Wie ging es Ihnen mit der Übung? Bestimmt konnten Sie sich an fünf Ressourcenmomente erinnern – selbst wenn es Kleinigkeiten waren. Vielleicht hat es Sie überrascht, wie viele positive Aspekte Sie im Nachhinein gefunden haben. Ist Ihnen das in den einzelnen Situationen selbst schon bewusst gewesen? Viele Menschen machen die Erfahrung, dass positive Momente im Alltag oft untergehen. Dagegen sticht das Negative bzw. die Herausforderung eher heraus.
Das hängt mit unserer Wahrnehmung zusammen – mit der Art und Weise, wie wir Informationen aus der Umwelt aufnehmen und diese weiterverarbeiten. Positive Aspekte „passen“ zu unseren kognitiven Repräsentationen über uns und die Welt (sog. kognitive Schemata) und fallen damit nicht auf. Positives kann deshalb sehr schnell und wenig bewusst verarbeitet werden. Vereinfacht könnte man sagen, dass positive Aspekte zu normal sind, als dass sie besonders beachtet würden. Negative Information ist dagegen „salient“, d. h. auffällig. Sie passt oft nicht zu unseren kognitiven Schemata und braucht...