Sie sind hier
E-Book

Das deutsche Gesundheitssystem - Struktur und Finanzierung

Wissen für Pflege- und Therapieberufe

AutorBeate Land
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl264 Seiten
ISBN9783170309012
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Selbst für Beschäftigte im Gesundheitswesen ist es nicht leicht, sich im deutschen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Struktur, Organisation, rechtliche Rahmenbedingungen und Finanzierungswege sind schwer zu durchschauen. Dieses Buch erläutert anhand konkreter Fallbeispiele die Funktionsweise der unterschiedlichen Leistungssektoren des deutschen Gesundheitssystems. Praxisrelevantes Wissen über ambulante und stationäre Versorgungsstrukturen, Medikamentenentwicklung und -versorgung und intersektorale Zusammenarbeit wird anschaulich und lebensnah vermittelt. Fragen zur Lernkontrolle und Hinweise zur weiteren Recherche bilden einen Anreiz zur vertieften Auseinandersetzung mit den beruflichen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen.

Prof. Dr. med. Beate Land ist Ärztin mit langjähriger klinischer Erfahrung und leitet den Studiengang Angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften für Pflegeberufe an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

1          Historie des deutschen Gesundheitssystems


 

Folgende Fragen können Sie im Anschluss beantworten:


1.  Warum gibt es in Europa so unterschiedliche Gesundheitssysteme?

2.  Wie hat sich unser heutiges Gesundheitssystem historisch entwickelt und was hat Reichskanzler Bismarck mit unserer heutigen Krankenversicherung zu tun?

3.  Was sind die Ziele eines Gesundheitssystems?

4.  Was sind die nationalen Gesundheitsziele für die nächsten Jahre in Deutschland?

Information


Daten und Fakten

•  Der erste Vorläufer einer Krankenversicherung wurde 1843 vom Tabakfabrikarbeiter Georg Heine für Angehörige seines Berufsstandes in Nürnberg gegründet (Koch 2013, S.74).

•  Mit Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung im Jahr 1914 begann unser in weiten Teilen noch heute gültiges Krankenversicherungssystem.

•  In Deutschland ist die Lebenserwartung bei Geburt von 1950 bis 2015 bei Männern um fast 14 auf 78,4 Jahre und bei Frauen um fast 15 auf 83,4 Jahre gestiegen (Statista 2017).

•  Für die Zunahme der Lebenserwartung sind allerdings nur zum Teil die medizinischen Fortschritte, wesentlich aber die insgesamt verbesserten Hygiene- und Lebensbedingungen verantwortlich.

Fallbeispiel


Gabi L., 36-jährige Ergotherapeutin, verbringt ihren Urlaub mit ihrer besten Freundin Susanne auf einer kleinen griechischen Insel. Beim Strandspaziergang stürzt sie unglücklich auf einen Felsen und erleidet eine großflächige Schnittverletzung am Oberschenkel. Susanne ist Krankenschwester und hilft ihr, die nahegelegene Praxis eines Allgemeinarztes zu erreichen. Dort gibt man ihr nach einer ersten Untersuchung jedoch den Auftrag, erst in der nächsten Apotheke das notwendige Verbandsmaterial zu besorgen, bevor man die Wunde endgültig versorgen kann.

1.1       Gesundheitssysteme – Aufgaben eines Staates


Gesundheitssysteme verschiedener Länder unterscheiden sich

In allen Ländern der Welt gibt es Gesundheitsversorgung – Ärztinnen, Pflegekräfte und Mitarbeiter der unterschiedlichsten therapeutischen Berufe geben täglich ihr Bestes, um unter teils widrigen Bedingungen für ihre Patienten bzw. Pflegebedürftigen da zu sein. Das klappt, je nach den äußeren Bedingungen und dem jeweiligen Bildungssystem, in dem medizinisches und pflegerisches Wissen erworben und weitergegeben wird, unterschiedlich gut. Manche Länder, wie die westlichen Industrienationen, haben ambulante und stationäre Versorgungssysteme aufgebaut, die durch Steuern, Versicherungssysteme oder auch durch private Zahlungen finanziert werden. Andere Länder, insbesondere in den Krisengebieten dieser Welt, sind von einem funktionierenden »System« weit entfernt. Betrachtet man die unterschiedlichen Gesundheitssysteme nach Struktur und Funktionsweise, stellt man Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede fest.

In Europa ist Gesundheitsversorgung als Daseinsvorsorge eine staatliche Aufgabe

Die Bundeszentrale für politische Bildung BPB übernimmt in ihrer Definition eines Staates die Erklärung aus dem Duden: Ein Staat ist eine »Herrschaftsordnung, durch die ein Personenverband (Volk) auf abgegrenztem Gebiet durch hoheitliche Gewalt zur Wahrung gemeinsamer Güter verbunden ist« (BPB 2015). Ein Staat zeichnet sich also aus durch den Zusammenschluss unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen auf einem abgegrenzten Staatsgebiet, das bei Bedarf auch gegen andere verteidigt wird. Die Staatsorgane verfügen über eine »Herrschaftsordnung« z. B. in Form von Gesetzen, die durch Staatsgewalt durchgesetzt werden, in Europa aber durch Gewaltenteilung und die Verfassung reglementiert wird. Neben diesen hoheitlichen Rechten hat der Staat aber auch eine Versorgungspflicht gegenüber der eigenen Bevölkerung.

Daseinsvorsorge nennt man die Verpflichtung des Staates, Leistungen zugunsten seiner Bürger zu erbringen. Unter öffentlicher, d. h. staatlich organisierter, Daseinsvorsorge werden üblicherweise Leistungen bzw. die Bereitstellung von Infrastruktur verstanden, die vom Staat oder einem öffentlich-rechtlichen Träger allen Bürgerinnen und Bürgern eines Landes sozusagen als Grundversorgung zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich z. B. um Verkehrswege, die Müllabfuhr, Bildungseinrichtungen, Museen und Kultureinrichtungen, Friedhöfe, aber eben auch um Krankenhäuser. Darüber, wie umfassend die Bereitstellung dieser Leistungen insbesondere im Gesundheitssystem sein sollte, bestehen unterschiedliche Meinungen.

Im internationalen Vergleich werden Gesundheitssysteme nach verschiedenen Kriterien unterschieden, je nachdem, wie die Finanzierung der Leistungen erfolgt, welche Zugangswege die Patienten zu Gesundheitsleistungen haben und welchen Formen von staatlicher Regulierung das System unterliegt.

Drei wesentliche Arten von Gesundheitssystemen

Im Wesentlichen werden drei Arten von Gesundheitssystemen unterschieden:

1.  Staatlich finanzierte, d. h. aus Steuermitteln finanzierte Systeme, die nach dem britischen Ökonomen William H. Beveridge (1879–1963) auch als » Beveridge-Systeme« bezeichnet werden. Als Prototyp gilt der britische Gesundheitsdienst National Health Service (NHS).

2.  Sozialversicherungssysteme, die z. B. durch Beitragszahlungen von Versicherungsmitgliedern und durch Arbeitgeber finanziert werden. In diesem System gibt es ein Nebeneinander von öffentlichen und privaten Anbietern, die im Rahmen der Selbstverwaltung einen Gestaltungsspielraum haben, wie es z. B. in Deutschland der Fall ist.

3.  Und schließlich die privatwirtschaftlich organisierten Systeme ohne staatliche Regulierung der Finanzierung und Organisation. Gesundheitsleistungen werden über privat abzuschließende Versicherungen bzw. durch Selbstzahlungen finanziert. Dieses System privater Anbieter unterliegt weitestgehend den Regeln der freien Marktwirtschaft, wie es in Teilen im US-amerikanischen Gesundheitssystem der Fall ist.

Allerdings sind diese drei Arten nicht in Reinform in einem Gesundheitssystem vorzufinden, sondern in der Regel bestehen Mischformen, in denen die ein oder andere Organisationsstruktur überwiegt.

1.2       Die Geburtsstunde des deutschen Gesundheitssystems – ein Ausflug in die Geschichte


Fallbeispiel


Wir schreiben das Jahr 1283. Nikolaus P, 32-jähriger Zimmermann in Speyer, hat den Auftrag das Dach des Bürgermeisterhauses zu reparieren. Beim Abstieg vom Dach stürzt er so unglücklich von der Leiter, dass er auf den ausgestreckten rechten Arm fällt. Die herausstehenden Knochenfragmente im Unterarm lassen den Gesellen, der ihn nach Hause bringt, das Schlimmste befürchten. Die Familie verfügt über etwas Geld, sodass ein Arzt bezahlt werden kann, der aber am 5. Tag den mittlerweile infizierten Unterarm amputieren muss, um den Patienten zu retten. Die Pflege des schwerkranken Patienten übernehmen seine Frau und die älteste Tochter. Da er fortan nicht mehr als Zimmermann arbeiten kann, geht der Familie schnell das Geld aus. Fünf Monate später zieht Familie P. nahezu mittellos zu den Eltern der Frau nach Frankenthal, wo sie auf dem elterlichen Hof Unterschlupf finden.

Die Besonderheiten verschiedener Länder lassen sich nicht nur an verschiedenen Sprachen und Bildungssystemen erkennen, sondern auch an den unterschiedlichen Sozialsystemen und vor allem an der Struktur der Gesundheitssysteme. So unterscheiden sich die Gesundheitssysteme der europäischen und außereuropäischen Industrieländer in Finanzierung und Leistung maßgeblich voneinander. »Ursache für die Unterschiede ist die stark historische Prägung des Zusammenwirkens der verschiedenen Berufsgruppen und Einrichtungen, der Aufgabenverteilungen und der Finanzierung des Gesundheitswesens in den einzelnen Ländern. Gesundheitssysteme werden nicht von Fachleuten am Reißbrett entworfen, sondern entwickeln sich in längerfristigen und national unterschiedlich verlaufenden historisch-politischen Prozessen« (Bundeszentrale für politische Bildung 2012).

Auch wenn die so entstandenen Strukturen nicht mehr wirklich zeitgemäß sind, haben sie oft eine erstaunliche Zähigkeit. Um die Funktionsweise unseres heute bestehenden Gesundheitssystems verstehen zu können, sollte man seine historische Entwicklung kennen.

1.2.1     Keine Absicherung im Krankheitsfall


Historische Entwicklung des Deutschen Gesundheitssystems

Bis zum Mittelalter war die Pflege und im...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pflege - Heilberufe - Betreuung - Altenpflege

Sozialmedizin in der Sozialarbeit

E-Book Sozialmedizin in der Sozialarbeit
Forschung für die Praxis Format: PDF

Die Sozialmedizin innerhalb der Sozialarbeit beschäftigt sich in Forschung und Praxis insbesondere mit Fragen von Gesundheit und Krankheit sowie der Gesundheits- versorgung sozial benachteiligter…

Sozialmedizin in der Sozialarbeit

E-Book Sozialmedizin in der Sozialarbeit
Forschung für die Praxis Format: PDF

Die Sozialmedizin innerhalb der Sozialarbeit beschäftigt sich in Forschung und Praxis insbesondere mit Fragen von Gesundheit und Krankheit sowie der Gesundheits- versorgung sozial benachteiligter…

Rheuma-Funktionstraining

E-Book Rheuma-Funktionstraining
Grundkurs Format: PDF

Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung leidet an Rückenschmerzen, die sich zum Teil durch ein wiederholtes Funktionstraining vermeiden oder zumindest reduzieren lassen. Professor Reinhard…

Rheuma-Funktionstraining

E-Book Rheuma-Funktionstraining
Grundkurs Format: PDF

Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung leidet an Rückenschmerzen, die sich zum Teil durch ein wiederholtes Funktionstraining vermeiden oder zumindest reduzieren lassen. Professor Reinhard…

Weitere Zeitschriften

Archiv und Wirtschaft

Archiv und Wirtschaft

"Archiv und Wirtschaft" ist die viermal jährlich erscheinende Verbandszeitschrift der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare e. V. (VdW), in der seit 1967 rund 2.500 ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

ea evangelische aspekte

ea evangelische aspekte

evangelische Beiträge zum Leben in Kirche und Gesellschaft Die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland ist Herausgeberin der Zeitschrift evangelische aspekte Sie erscheint viermal im Jahr. In ...

filmdienst#de

filmdienst#de

filmdienst.de führt die Tradition der 1947 gegründeten Zeitschrift FILMDIENST im digitalen Zeitalter fort. Wir begleiten seit 1947 Filme in allen ihren Ausprägungen und Erscheinungsformen.  ...