2. García Lorca in der internationalen Wissenschaft
dem Wirkungsaspekt analysiert. Indem Barea die Beziehung von Werk und Publikum untersucht, wird zugleich seine Geschichtlichkeit aufgegriffen und das Werk dadurch in den historischen Kontext eingebunden. Der Autor beurteilt schlussendlich die Arbeit Lorcas als Teil des Freiheitskampfes des spanischen Volkes. 5
Francisco Umbral beschäftigte sich in seinem Werk Lorca, poeto maldito, Madrid, 1968, vor allem mit dem persönlichen Antrieb des Autors, aus frustrierter Libido heraus Kunst zu schaffen. Diese forme das Hauptthema des Werkes. Er stellt Lorca als entwurzelten und destruktiven Künstler da, der seine private Problematik thematisiert. Umbral teilt dabei die Ansicht Vicente Aleixandres, der Lorca als einsam und traurig darstellt und sich dabei auf persönliche Erfahrungen stützt. Nach Umbral ist das Lorcasche Werk von einer obsessiven Erotik gekennzeichnet, die dieser vielmehr als Pan- statt als Homosexualität deutet. Er interpretiert in seiner Arbeit auf Seite 114 zudem die im Werk dominierenden Frauengestalten in Richtung einer Verklärung des Mannes und seiner körperlichen Reize. Umbral betont, dass die frühen Gedichte einen blasphemischen Charakter in sich bergen. Dazu führt er unter anderem Canción para la luna oder Mar an und erkennt ein erotisches Spielen mit christlichen Motiven in den Zigeunerromanzen.
Er wendet sich zudem Lorcas Faszination für das Dämonische zu, welche er im Vortrag Teoría y juego del duende belegt sieht. Darin wird das Böse oder Fatale von Lorca als Quelle der Kunst dargestellt. Dies sei ein für Lorca typischer Zug, welcher des Weiteren für ganz Andalusien verallgemeinert ausgelegt wird. Nach Umbral suchen vor allem die Helden der Theaterstücke die Freiheit und entscheiden sich dabei immer für das Böse. Die Vorliebe für das Theater sieht Umbral in der Notwendigkeit des Verkleidens als Form des Verbergens. Er beruft sich dabei auf eine Aussage Lorcas, nach der die meisten Menschen bestrebt wären, ihre dunkle oder diabolische Seite wie einen Makel zu überdecken (Umbral, S. 253). 6 Von Alfredo de la Guardia stammt die Arbeit Federico García Lorca: Persona y creación, 1941. De la Guardia, der Lorca während dessen Aufenthalt in Buenos Aires 1933/34 oft begleitete, verarbeitet viele biografische Informationen, stellt aber zudem auch wichtige Überlegungen über das Theatersystem Spaniens und Lorcas Bestreben um eine Renovation der Theaterpraktiken mittels Artikel und Interviews des Künstlers in der argentinischen und spanischen Tagespresse zusammen. 7
Einen anderen Ansatz verfolgt María Teresa Babín in El mundo poético de Federico García Lorca, San Juan, Puerto Rico, 1954. Sie ist der Meinung, dass der Katholizismus eine der vitalsten Kräfte im Grundstein des Lorcaschen Werkes bildet. Die Autorin gesteht aber zu, dass García Lorca den Glauben nicht praktizierte. 8 Piero Menarinis Poeta en Nueva York y Tierra y Luna, 1978, steigert den Interpretationsansatz hinsichtlich des katholischen Glaubens, indem er in Lorca die
Verquickung des christlichen Opfergedankens mit der Haltung eines Propheten zu erkennen glaubt. Trotzdem betont er Lorcas Angriff auf die Kirche beziehungsweise den Papst mit dem Gedicht Grito hacia Roma. 9
Rafael Martínez Nadal, Autor von El público. Amor y muerte en la obra de Federico García Lorca, Mexico, 1974, zu folge jedoch interessierte sich Lorca, der nie einen religiösen Glauben praktizierte, aus rein ästhetischem Interesse für Formen des religiösen Kultes. Er belegt dies, indem er sich auf die Vielzahl von Anprangerungen Lorcas gegen die konventionellen katholischen Wertvorstellungen stützt. Ein Beispiel sei das Drama Yerma, dessen Grund angesiedelt ist im Widerstreit von der religiösen Moral und einem Lebensgefühl der Heiden. Diesem sei Lorca zugewandt gewesen, der die Vorstellung an ein Leben nach dem Tod negierte (Nadal, S. 176 - 185). 10 Nadals Arbeit verweist außerdem auf die Schwierigkeit einer Analyse des Werkes Lorcas, das durch das Franco-Regime plötzlich beendet wurde. 11
Robert G. Sánchez lieferte das erste Werk, dass sich ausschließlich mit Lorcas Theater befasst: García Lorca. Estudio sobre su teatro, 1950. Allerdings wird der historische Zusammenhang von Sánchez nicht beachtet. Lorca ist für den Forscher ein Neoromantiker. Zudem positioniert sich Sánchez gegen de la Guardia, da dieser Lorca als Reformator hinstelle, was falsch sei. Nach Rincón werden von Sánchez die Primärquellen, zu denen unter anderem Zeitungsinterviews der 30er Jahre zu zählen sind, beschönigt. 12 Der spanische Komödienautor Eusebio García-Luengo versucht mit dem Text Revisión del teatro de Federico García Lorca in Cuadernos de politica y literatura Lorcas Schaffen im Sinne Francos zu manipulieren beziehungsweise zu neutralisieren, da man in den Jahren 1941 bis 1952 Lorcas Bedeutung als bekanntesten Dichter Spaniens, der zudem auch die europäische und amerikanische Dichtung beeinflusste, leugnen wollte. 13 Mit dem Aufsatz García Lorca und die spanische Dichtung in Studien und Aufsätze, Berlin, 1959, S. 155 - 178 von Werner Krauss, erschienen in Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft, Band 8, konnte der unhistorischen Forschung ein neuer Ansatz entgegengesetzt werden. Krauss beweist in seiner völlig anderen Herangehensweise an die spanische Literatur, wie eine Erneuerung in der nationalen Poetik unter der Mitwirkung des Volkes von statten geht und zur Gründung eines neuen Nationalbewusstseins beiträgt. Somit legte er eine wichtige Arbeit zur Positionierung der Geschichtlichkeit sowohl des poetischen als auch des dramatischen Werkes Lorcas vor. 14
Marie Laffranque, die mit Les idées esthétiques de Federico García Lorca, Paris, 1967, ein sehr bedeutendes Werk für die Lorca-Forschung geschaffen hat, betont zum einen die Wichtigkeit der Heimat Granada für das Schaffen des Autors. Lorcas Lebenslauf bildet die
Basis für Laffranques Arbeit. Granada forme einen sentimentalen Hintergrund oder erscheine symbolhaft im Werk. Laffranque sieht eine Entwicklungslinie hin zum Humanismus. In der Art, wie Lorca sich auflehnt, erkennt sie eine Verbindung zum Surrealismus. Die enge Verknüpfung des künstlerischen Schaffens und einer ästhetischen Reflexion durch Lorca sei im 20. Jh. quasi ohne Vergleich (Laffranque, S. 315). 15
Schon zuvor hatte Laffranque mit Arbeiten von 1953 bis 1954 wichtige Quellen erschlossen. Sie publizierte unter anderem Interviews und Erklärungen Lorcas aus den 30er Jahren, die Auskunft zur Einheit des Werkes geben sollen. Zentrales Forschungsthema bildet für Laffranque das Theater. Sie untersucht die dramatischen Werke Lorcas im Zusammenhang vom dramatischen Stück selbst, Theater als sozialem Raum und der gesellschaftlichen Realität. Ihre Arbeiten wie Federico García Lorca. Expérience et conception de la condition du dramaturge in Le Théâtre moderne - hommes et tendences, Paris, 1958, S. 276 - 299, oder Federico García Lorca. Le théâtre et la vie in Réalisme et poésie au théâtre. Paris, 1960, S. 147 - 171, beide herausgegeben von Jaques Jacquot, behandelten ein bis dahin unerforschtes Terrain.
1963 publizierte die Forscherin eine Lorca-Chronic (Pour l’étude de Federico García Lorca. Bases chronologiques, in Bulletin hispanique, Nr. 3-4/1963), die bedeutsam für die allgemeine Forschungsarbeit ist und das Leben des Dichters umreißt. Zudem stellt sie dem Geniegedanken einen Beweis gegenüber, der zeigt, dass Lorcas Werk Konzeptionen zugrundeliegen.
Einen weiteren großen Beitrag leistete sie 1966 mit Federico García Lorca. Textes et propos de Lorca. Points de vue critiques, in dem sie eine thematische Übersicht der Stücke lieferte und sich einem breiten Publikum zuwandte. 16
Weiterhin lässt sich der Forschungsstand in bestimmte Forschungsgebiete untergliedern. Zum einen haben sich eine Reihe von Autoren mit dem Einfluss anderer Künstler und Autoren auf Lorcas Werk befasst. Zu nennen wäre an dieser Stelle Carlos Edmundo de Ory. In seinem Beitrag Salvador Rueda y García Lorca, erschienen in Cuadernos Hispanoamericanos, 85, 1971, No. 255, S. 417 - 444, setzt er sich mit dem Einfluss von Salvador Rueda auf Lorca auseinander.
J.M. Aguirre beleuchtet die Orientierung Lorcas an Francisco Villaespesa, Rubén Darío und José Zorilla...