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E-Book

Das Familienhaus

Wie Große und Kleine gut miteinander auskommen

AutorJesper Juul
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641061005
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Der neue Bestseller des dänischen Querdenkers: ein hinreißendes Plädoyer dafür, sich mit Enthusiasmus und Gelassenheit auf das Abenteuer Familie einzulassen. Um die entscheidenden Grundlagen des Elternseins aufzuzeigen, beleuchtet Jesper Juul alle Phasen im Leben mit Kindern von der Geburt bis zur Pubertät. Besondere Aufmerksamkeit widmet der Bestsellerautor der Paarbeziehung. Denn kaum etwas hat mehr Einfluss auf die Zufriedenheit in der Familie als die Atmosphäre zwischen den Erwachsenen. Das Buch bietet damit die Quintessenz von Juuls Sicht auf Erziehung. Wenn Sie nur ein Buch von Jesper Juul lesen, dann dieses.

Auch optisch ist sein neues Buch ein Genuss: Hochwertige Fotos des preisgekrönten Fotografen Marcel Lelienhof und das angenehme Lesebuchformat sorgen gemeinsam mit dem humorvoll-geradlinigen Stil von Jesper Juul für Lesevergnügen mit pädagogischem Tiefgang. Mehr Gelassenheit und Freude an den Kindern gibt es beim Lesen gratis dazu.

  • Juuls großes Familienbuch
  • Jesper Juuls praktischstes und ermutigendstes Buch
  • Tipps gegen den Familienstress vom »Trotzalter« bis zur Pubertät


Jesper Juul (1948-2019) war einer der bedeutendsten und innovativsten Familientherapeuten Europas, Konfliktberater und Gründer des Elternberatungsprojekts familylab international. Durch zahlreiche Seminare, Vorträge, Medienauftritte und erfolgreiche Elternbücher wurde er international bekannt. Seine respektvolle, gleichwürdige Art, mit Menschen umzugehen, beeindruckt Fachleute wie Eltern auch heute noch immer wieder neu.

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Leseprobe

Was ist heute eine Kernfamilie? Ein Haus wird oft mit der sogenannten Kernfamilie in Verbindung gebracht, in der Kinder und Eltern unter einem Dach leben. Doch angesichts der vielen Tummelplätze eines Hauses, das genug Raum für Liebe, Sex, Spiel, Nahrung und Wachstum bietet, frage ich mich, was ein Haus eigentlich zu einem Zuhause macht, in dem man lebt und atmet.

Jedes Haus hat seine eigene Persönlichkeit. Die Wertvorstellungen einer Familie spiegeln sich in den Menschen, die darin leben, in ihren Gewohnheiten, ihrem Beruf und sozialen Status. Welche Angewohnheiten und Erlebnisse begegnen uns in den verschiedenen Räumen eines Hauses? Was geschieht mit uns in der Familie, wenn wir die Schwelle des Hauses überschreiten und von Raum zu Raum gehen?

Monica Øien: »Was ist eigentlich ein Zuhause? In der Regel bringt man damit wohl die Kernfamilie in Verbindung, in der Mutter und Vater unter einem Dach leben und wo alles gut und schön ist.«

Jesper Juul: »Ich glaube, eines der größten Missverständnisse in Verbindung mit dem verständlichen Aufruhr der Frauen in der 70er-Jahren war die Tatsache, dass die häuslichen Tätigkeiten einer Frau ausschließlich unter praktischen Gesichtspunkten betrachtet wurden. Damit hat man die wichtigste Funktion außer Acht gelassen, nämlich Atmosphäre zu schaffen. Ganz gleich, ob die Hausarbeit von einer Frau oder einem Mann erledigt wird, schafft man damit doch eine bestimmte Atmosphäre, und das zählt im Haus einer Familie zu den allerwichtigsten Dingen. Darin liegt das Problem, wenn man fremde Dienstleistungen in Anspruch nimmt, eine Putzhilfe engagiert, sich das Essen liefern oder das Haus von einem Innenarchitekten einrichten lässt. Damit bekommt man vielleicht den Haushalt in den Griff, doch es fehlt die persönliche Atmosphäre. Was also macht eine bestimmte Atmosphäre aus? Es ist schon in Ordnung, es sauber und ordentlich zu haben, doch wenn die Dinge nicht mit einer gewissen Hingabe erledigt werden, sind sie nicht viel wert. Sensible Menschen können die spezifische Energie eines Hauses spüren, sobald sie zur Tür hereinkommen. Wenn beide Eltern arbeiten, ähnelt die Familie oft einer Firma, in der alles geplant und organisiert werden muss. Für Kinder ist es unglaublich wichtig, dass zwischen ihrem Zuhause einerseits sowie Kindergarten und Schule andererseits ein Unterschied besteht. Wenn die Familie nichts anderes als eine Firma ist, geht es den Kindern nicht gut, dann werden sie gestresst und unzufrieden. Setzt man dieses Muster sieben bis acht Jahre fort, stirbt auch die Beziehung unter den Erwachsenen, die sich nur noch beim Leben zuschauen. Das erste Symptom besteht darin, dass im Schlafzimmer nur noch geschlafen wird.

Was also macht eine bestimmte Atmosphäre aus? Es ist schon in Ordnung, es sauber und ordentlich zu haben, doch wenn die Dinge nicht mit einer gewissen Hingabe erledigt werden, sind sie nicht viel wert.

Statistisch betrachtet wachsen die meisten Kinder in der Kernfamilie auf, zumindest in den ersten acht bis neun Jahren ihres Lebens. Es ist richtig, dass es immer mehr alleinerziehende Eltern und Patchworkfamilien gibt. Das liegt schon daran, dass wir immer älter werden, wodurch sich die Zeitspanne einer Ehe ›bis dass der Tod uns scheidet‹ automatisch verlängert. Ein Kind durchläuft in der Regel mindestens drei Lebensphasen, womöglich verbunden mit drei verschiedenen Formen von Kindergarten oder Schule, drei verschiedenen Familien, wer weiß ... Die Voraussetzung einer Paarbeziehung besteht darin, dass sie etwas bedeutet, einen Sinn hat. Sie mag ziemlich stürmisch verlaufen – entscheidend ist, dass sie uns bereichert. Ist das nicht der Fall, kann man ebenso gut allein bleiben. Dass uns die Paarbeziehung bereichern soll, ist eine verhältnismäßig neue Prämisse und die größte Veränderung, was das Familienleben betrifft.«

»Ja, denn im Grunde wünschen wir uns doch alle, den einzig Richtigen zu finden und zusammen durch dick und dünn zu gehen. Das muss doch auch das Ideale sein.«

»Das ist richtig. Aber für diejenigen, die in den 90er-Jahren erwachsen wurden, ist es sehr üblich, mehrere längere Beziehungen zu haben, ohne Kinder zu bekommen. Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass Paare sich heute aus den nichtigsten Anlässen trennen. Manchmal stimmt das wohl auch, doch meiner Erfahrung nach wird eine Trennung heute immer noch sehr ernst genommen, wenn man gemeinsame Kinder hat. Ich glaube nicht, dass dabei die Anzahl der Konflikte als Maßstab genommen wird. Entscheidend für den Fortbestand einer Beziehung ist vielmehr die Frage, ob sie als sinnvoll erlebt wird.«

»Aber wie sinnvoll soll sie denn sein? Viele haben große Erwartungen und legen die Latte sehr hoch. Wir können nicht erwarten, dass wir unsere Beziehung 24 Stunden am Tag als sinnvoll und bereichernd empfinden. Wir müssen doch auch daran arbeiten, dass sie funktioniert.«

»Vollkommen einer Meinung. Sinnvoll heißt ja auch nicht permanente Harmonie und ständiges Glück. Eine Beziehung ist dann bereichernd, wenn sie uns dazu herausfordert, uns als Mensch und Mitmensch weiterzuentwickeln. Diese Herausforderungen treten meist überraschend an uns heran, und wir mögen es nicht besonders, wenn sie plötzlich auftauchen. So ist es mit all unseren Liebesverhältnissen, auch gegenüber unseren Kindern.

Sinnvoll heißt in einer Beziehung nicht permanente Harmonie und ständiges Glück. Eine Beziehung ist dann bereichernd, wenn sie uns dazu herausfordert, uns als Mensch und Mitmensch weiterzuentwickeln.

Wir wünschen uns, dass unsere Beziehung unser persönliches Leben bereichert, und das ist doch ein völlig neuer Maßstab. So haben unsere Großeltern nicht gedacht. Auch empfinden wir heute andere Dinge als sinnvoll. Viele fühlen sich durch persönliche Herausforderungen bereichert, während andere – vor allem Männer – Ruhe und Frieden haben wollen. In diesem Fall wird die Harmonie natürlich zum Symbol des Erfolgs. Ich glaube, dass alle Menschen ihre eigenen Kriterien haben, was das Gelingen betrifft. Viele, die mir schreiben, werfen die Frage auf, wie viel Schmerz man eigentlich erdulden müsse, ehe man aufgibt, und wie lange man an seinen Problemen arbeiten solle. Es besteht kein Zweifel, dass man in jeder Liebesbeziehung ein gewisses Maß an Schmerz akzeptieren muss, doch wenn dieser Schmerz nicht von positiven Dingen begleitet wird – Erkenntnis, Einsicht, Entwicklung –, sondern sich nur Monat für Monat wiederholt, dann verliert er seinen Sinn. Aber man muss daran arbeiten, dass es funktioniert, denn wir reden hier vom intimen Zusammenleben mit einem Menschen, den man zunächst nicht kennt.«

»Ja, man kann sich in einer Paarbeziehung schnell einsam vorkommen, wenn man sich nicht verstanden fühlt.«

»Vor 30 Jahren hat eine Kollegin zu mir gesagt: ›Jesper, in meinem Leben gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder lebe ich mit einem Mann zusammen oder mit der Sehnsucht nach einem Mann.‹ Sie gehörte zur ersten Generation jener Menschen, die die Ehe nicht mehr als soziale Notwendigkeit, sondern als existenzielle emotionale Entscheidung betrachteten. Sie wollte nicht mit einem Mann zusammenleben, der ihr Leben nicht fundamental bereichert. Das war damals eine völlig neue Forderung.«

»Ist eine Familie ohne Konflikte eine ideale Familie?«

»Nein, in keiner Hinsicht. Ein Konflikt definiert sich dadurch, dass zwei Menschen verschiedene Wünsche oder Bedürfnisse haben. Doch fassen wir inzwischen Konflikte als etwas sehr Negatives auf. Das stammt aus einer Zeit, als die Familie streng hierarchisch und totalitär organisiert war. In einem totalitären System sind Konflikte unerwünscht, während ein demokratisches System mit ihnen leben muss. Der moralische Konsens ist in der heutigen Gesellschaft verschwunden, also muss jede Familie Pionierarbeit leisten. Viele finden eine Sicherheit darin, vermeintliche Wahrheiten zu verkünden. Wenn das Stillen als das einzig Richtige gilt, beobachten wir, dass junge, intelligente Mütter diejenigen mobben, die nicht stillen – plötzlich werden die als schlechte Mütter betrachtet, weil sie ihren Kindern die Flasche geben. Genauso verhält es sich mit dem Thema Scheidung. Früher war es in Ordnung, sich scheiden zu lassen, doch plötzlich wird dies als großer Fehler betrachtet. Es ist bedauerlich, dass der öffentliche Raum keine komplexen Probleme behandeln kann. Entweder man sucht einen Sündenbock oder will eine schnelle Lösung haben. Ich glaube, dass es unmöglich ist, eine Lösung zu finden, die das ganze Leben umfasst. Doch wenn wir daran arbeiten, können wir zumindest einen gewissen Sinn erkennen. Alles hat seinen Preis, und es hat keine Zweck, vom Staat zu erwarten, dass er ihn bezahlt, denn das kann er nicht.«

»Ich denke, dass die Lösungen oder Antworten erst dann aufscheinen, wenn ich sterbe. Erst ganz am Ende wird man wohl begreifen, was das Ganze für einen Sinn hatte. Es geht darum, ein bewusstes Leben zu führen, Herausforderungen anzunehmen, zu vergeben und zu wachsen.«

»All unsere Normen und Wertvorstellungen wurzeln in der Mangelgesellschaft. Wir wissen nicht, wie wir uns in einer Überflussgesellschaft verhalten sollen. Wir können es verurteilen, dass Kinder von Anfang an zu Konsumenten werden, doch so etwas nehme ich sehr gelassen, weil ich weiß, dass irgendwann eine Gegenbewegung entstehen wird. So entwickelt sich eben die Geschichte. Es fragt sich allerdings, ob wir etwas daraus lernen.«

•••

Die Statistik besagt, dass heutzutage mehr als die Hälfte der Ehen geschieden wird. Ich selbst war niemals verheirat. Mein Partner und ich haben uns getrennt, als unser Sohn ein Jahr alt war. Danach...

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