KAPITEL 1
DIE SCHWANGERSCHAFT
DER BEGINN DER SCHWANGERSCHAFT
Die Empfängnis
Die erste Woche einer Schwangerschaft beginnt mit dem ersten Tag der letzten Periode: ein Zeitpunkt, zu dem weder ein Ei herangereift ist noch eine Befruchtung überhaupt stattgefunden haben kann. Dennoch bereitet sich der Körper jeder gebärfähigen Frau Monat für Monat schon in diesem Stadium auf eine eventuelle Schwangerschaft vor. Der erste Tag der Periode ist somit Tag eins der 280 Tage dauernden Schwangerschaft.
Das Eibläschen platzt um den 14. Zyklustag und gibt die reife Eizelle frei.
DIE EIZELLE
Die Natur hat es so eingerichtet, dass die geschlechtsreife Frau jeden Monat für eine Empfängnis »gerüstet« ist. So sind in ihren Eierstöcken bereits bei der Geburt etwa 600 000 bis 800 000 Eizellen vorhanden. In der Pubertät sind es noch um die 500 000 Eizellen, von denen dann bis zum Ende des gebärfähigen Alters etwa 400 bis 500 heranreifen können. Als größte Zelle im menschlichen Körper trägt die Eizelle die genetische Erbinformation der Mutter in sich und auch ein Nährstoffpaket, mit dem das neue Leben in den ersten Tagen ausreichend versorgt werden kann. Die Eizelle wird von der äußeren Eihülle, der Zona pelludica, umgeben. Darunter befindet sich die eigentliche Zellmembran, sozusagen die innere Eihülle. Da sich die Eizelle nicht von selbst bewegen kann, ist sie auf den Eileiter als Transportmittel angewiesen. Der rund 15 Zentimeter lange Eileiter bildet einen Kanal zur Gebärmutter. Zum Eierstock hin erweitert er sich und endet in einem großen Trichter. Dieser legt sich zum Zeitpunkt des Eisprungs über den Eierstock und nimmt die Eizelle durch rhythmisches Zusammenziehen auf. Für die Beförderung der Eizelle durch den Eileiter sind winzige Flimmerhärchen verantwortlich, die mit ihren fächelnden Bewegungen die Eizelle in Richtung Gebärmutter schieben. Unterstützend wirken zudem ein Sekret der Drüsen, die sich im Eileiter befinden, sowie Muskelkontraktionen.
Um eine mögliche Schwangerschaft vorzubereiten, ist die Periodenblutung unerlässlich: Bis zum vierten Blutungstag etwa wird die »alte« Gebärmutterschleimhaut, in die sich beim letzten Zyklus keine Eizelle eingenistet hat, abgebaut und ausgeschieden. Es folgt eine Phase der Regeneration, in der die Schleimhaut wieder dicker und besser durchblutet wird. Gleichzeitig erfolgt ein Anstieg der weiblichen Sexualhormone. Die Reifung mehrerer Follikel im Eierstock beginnt. Follikel sind Eibläschen, die mit Flüssigkeit gefüllt sind und jeweils eine Eizelle in sich tragen.
Meist reift ein Follikel heran, der um den 14. Zyklustag mit einem Durchmesser von 20 bis 25 Millimeter platzt und die Eizelle freigibt. Aus dem Eibläschen wird nach dem Eisprung der Gelbkörper, der nun im Eierstock zusätzlich zum Östrogen das Hormon Progesteron produziert.
DAS SPERMIUM
Im Gegensatz zur weiblichen Eizelle können sich die Spermien von alleine bewegen. Diese geschwänzten Zellen, die übrigens zehnmal kleiner sind als eine Eizelle, setzen sich aus vier Teilen zusammen: Kopf, Hals, Mittel- und Schwanzstück. Der ovale Kopf trägt den Kern mit den Erbinformationen in sich, der Hals ist das Verbindungsstück zwischen Kopf- und Mittelstück und das Mittelstück beherbergt Zellstrukturen (Mitochondrien), die die Energie zur Fortbewegung der Spermien liefern. Den längsten Teil des Spermiums bildet der Schwanz. Mit peitschenartigen Bewegungen treibt er das Spermium in Richtung Eizelle.
Um so weit zu kommen, muss das Spermium ähnlich der weiblichen Eizelle erst einmal eine durch körperliche Hormone gesteuerte Entwicklung vollziehen: Nach der Reifung in den männlichen Hodenkanälchen wandern die funktionsfähigen Spermien langsam in den Nebenhoden. Ein Entwicklungsprozess, der rund drei Monate dauert. Beim nächsten Samenerguss machen sich die reifen Spermien dann auf den Weg zur Befruchtung. Die erste Etappe geht bis vor den Gebärmutterhals der Frau, wo sich das Ejakulat sammelt. Nun steigen die Spermien auf, wandern durch Gebärmutterhals und -höhle und gelangen schließlich in die Eileiter, um eine Eizelle zu befruchten.
INFO: Die Zeit des Eisprungs
Der Zyklus einer jeden Frau ist individuell. Daher kann auch nicht grundsätzlich vorhergesagt werden, wann ein Eisprung stattfindet bzw. zu welchem Zeitpunkt die Frau fruchtbar ist. So hat sich die verallgemeinernde Aussage etabliert, dass ein Eisprung rund um den 14. Zyklustag erfolgt. Bei einer regelmäßigen Zykluslänge von 28 Tagen gelten der 10. bis 14. Tag als fruchtbar. Ist der Zyklus sehr kurz, kann der Eisprung sogar unmittelbar nach der Periode stattfinden. Wer es genauer wissen möchte, wendet die traditionelle Temperaturmethode an und notiert die täglich zur gleichen Zeit gemessenen Temperaturen. Steigt die Temperatur an, kann es sich um den Beginn der fruchtbaren Zeit handeln – aber auch ein Infekt lässt die Temperatur steigen, weshalb diese Methode eher auf Dauer angewendet Anhaltspunkte für die fruchtbaren Tage liefert. Auch digitale Ovulationstests sind am erfolgreichsten, wenn der Zyklus der Frau regelmäßig verläuft. Teststäbchen, die rund um die vermuteten fruchtbaren Tage angewendet werden, verraten wenige Minuten nach der Anwendung, ob Sie gerade fruchtbar sind. Gemessen wird dabei die Konzentration des luteinisierenden Hormons LH im Urin.
Es gelingt nur einer einzigen Samenzelle unter Millionen, in die Eizelle einzudringen.
VON DER DRITTEN BIS ZUR VIERTEN WOCHE
Die gesprungene Eizelle wird vom Fimbrientrichter des Eileiters mit seinen kleinen Fangarmen aufgenommen und in den Eileiter hineintransportiert. 12 bis 24 Stunden lang ist die Eizelle dort bereit, von einer männlichen Samenzelle befruchtet zu werden. Da Samenzellen fünf bis sechs Tage im Körper der Mutter überleben können, ist es möglich, dass sie zum Zeitpunkt des Eisprungs bereits im Eileiter auf die Eizelle »warten«. Die Befruchtung kann beginnen.
Während mit dem Samenerguss des Mannes etwa 40 bis 300 Millionen Samenzellen freigesetzt werden und in die Scheide der Frau gelangen, schafft es nur eine von ihnen, in die Eizelle einzudringen. Nur ein Spermium wird – mit Kopf und Hals, aber ohne Schwanz – eingelassen. Sobald der Kopf des Spermiums die äußere Eihülle durchdrungen und die innere berührt hat, wird die äußere Wand der Eizelle so fest, dass keine weitere Samenzelle eindringen und die Verschmelzung der beiden Zellkerne zu einem neuen Zellkern ungestört ablaufen kann. Die Befruchtung hat stattgefunden.
Bei der Verschmelzung von Samen- und Eizelle finden unterschiedliche Chromosomensätze von Vater und Mutter zusammen. Die 23 Chromosomen der Samenzelle und die 23 Chromosomen der Eizelle bilden einen Gesamtsatz von 46 Chromosomen (= 23 Chromosomenpaare), auf denen etwa 40 000 Gene angeordnet sind. Genetisch gesehen sind Kinder eine Mischung ihrer Eltern. Da es also von jedem Gen ein väterliches und ein mütterliches gibt, wird in der Embryonalphase die Entscheidung getroffen, wessen Merkmale das Kind übernehmen wird. Dabei spielen sogenannte dominante und rezessive Gene eine Rolle, wobei sich dominante Genvarianten ihrem Gegenstück gegenüber durchsetzen. Das Gen, das nicht zum Zuge kommt, nennt man rezessiv. Ein Beispiel für den Einfluss eines dominanten Gens ist die Vererbung der Haarfarbe Braun. Bekommt das Kind vom Vater das Merkmal Blond (= rezessiv) und von der Mutter das Merkmal Braun (= dominant), wird es braunhaarig. Nur wenn das Kind von beiden das Merkmal Blond erhält, wird seine Haarfarbe Blond sein. Doch auch wenn das Genmaterial weitgehend entschlüsselt ist, bleibt es doch ein Geheimnis, welches Kind aus der Begegnung zweier Menschen entsteht.
Die Reise in die Gebärmutter
Rund vier Tage reist die befruchtete Eizelle (Zygote) mit einer anfänglichen Größe von 0,1 bis 0,15 Millimetern durch den Eileiter, wo sie am Tag nach der Befruchtung damit beginnt, sich erstmals zu teilen. Von da an folgen im Abstand von mehreren Stunden weitere Teilungen, während die so entstandene Zellkugel (Morula) mithilfe sanfter Schübe der Eileiter-Flimmerhärchen ihre Reise in die Gebärmutter fortsetzt. Dort angekommen, schwebt die kleine Kugel rund drei Tage wie ein Ballon frei herum. Dann ist es so weit und sie nistet sich mit ihren mittlerweile über 100 Zellen an einem beliebigen Ort in der schützenden Schleimhaut ein....