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E-Book

Das Kind, das aus dem Rahmen fällt

Wie Inklusion von Kindern mit besonderen Verhaltensweisen gelingt

AutorKlaus Kokemoor
VerlagKamphausen Media GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl298 Seiten
ISBN9783903072718
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Inklusion - die neue Herausforderung in Kitas und Schulen Inklusion ist das große Thema im Alltag von Schulen und Kitas. Fachkräfte sind häufig mit Kindern konfrontiert, die neue Anforderungen stellen und Pädagogen und Eltern an ihre Grenzen bringen. Klaus Kokemoor gelingt eine einfühlsame Darstellung dieser Kinder mit besonderen Verhaltensweisen und erklärt die Hintergründe. In seinem innovativen pädagogischen Konzept gibt er viele Hilfestellungen und Impulse für die Praxis. Er zeigt, wie Rahmenbedingungen und Kommunikationsweisen so gestaltet werden können, dass sie jedem Kind in seiner individuellen Entwicklung gerecht werden - damit Inklusion tatsächlich möglich wird.

Klaus Kokemoor ist Diplom-Sozialpädagoge, Supervisor, Therapeut (Entwicklungsbegleitung Doering, Psychomotorische Praxis Aucouturier sowie Marte-Meo Video Interaktionsanalyse). Seit 1982 beschäftigt er sich in Praxis und Theorie mit Menschen mit Autismus, er veröffentlichte zahlreiche Fachbeiträge zu Autismus und zur Marte-Meo-Methode.

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EINLEITUNG


IN DER SCHULE ODER IN KINDERTAGESSTÄTTEN begegnen uns immer wieder Kinder, die aufgrund ihres besonderen Verhaltens und ihrer besonderen Entwicklungsbedürfnisse aus dem uns vertrauten Rahmen fallen. Kinder mit herausforderndem Verhalten beschäftigen uns schon seit vielen Jahren, aber das Thema Inklusion konfrontiert uns zusätzlich mit Kindern, die aufgrund einer seelischen, körperlichen oder geistigen Behinderung neue Anforderungen an die Bildungseinrichtungen stellen. Es geht darum, Bildungskonzepte und Rahmenbedingungen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Kinder auszurichten. Die Anpassung an diese spezifischen Bedürfnisse ist ein Kerngedanke von Inklusion, ebenso wie das Nutzen der Ressourcen jedes einzelnen Kindes. Die Bildung und Begleitung der uns anvertrauten Kinder muss aus der Perspektive von Kindern mit ihren unterschiedlichen Vorausetzungen, Neigungen, Schwierigkeiten und Begabungen gedacht und gestaltet werden. Genau diese Impulse benötigt unsere Gesellschaft in der heutigen Zeit, um den Tendenzen von zunehmender Ausgrenzung und Individualisierung entgegenzuwirken. Die Hypothese dieses Buches lautet: »Es gibt kein Kind, das aus dem Rahmen fällt, wenn wir für das Kind einen geeigneten Rahmen entwickeln.«

Die Erarbeitung solcher Rahmenbedingungen ist eine besondere Herausforderung, aber auch eine einmalige Chance, unser Bildungssystem angemessen zu reformieren. Wir müssen im Bereich von Bildung und Erziehung Konzepte nutzen und pädagogische Grundhaltungen entwickeln, die dem Bedürfnis nach Entwicklung, Bildung und verlässlichen Bindungen des einzelnen Kindes gerecht werden. Die Möglichkeiten der Kommunikation und der pädagogischen Interaktion sind hier unsere wichtigsten Ressourcen und können nach meiner Beobachtung wohl am stärksten inklusive Werte auslösen, da sie Ausgrenzung entgegenwirken und kognitive, emotionale, leibliche und soziale Entwicklung fördern.1 Was zwischen den Menschen geschieht, ist von großer Bedeutung, und es ist mir ein besonderes Anliegen, diese Bedeutung zu einem Kernthema dieses Buches zu machen. Außerdem stelle ich sehr konkrete und praktische Handlungsmöglichkeiten vor, wie wir das, was Inklusion wirklich meint, in die Praxis umsetzen können. Wir verfügen heute über hinreichend pädagogisches Wissen, sehr gute und ausgereifte Konzepte, entwicklungspsychologische Erkenntnisse und rechtliche Rahmenbedingungen, die wir nur konsequent und seriös umsetzen müssen. Dann begegnen wir dieser Aufgabe mit einer Haltung, die das Wesen des Einzelnen ins Zentrum von Bildung und Erziehung stellt.

Die Kernaufgaben von Inklusion

DIE KERNAUFGABEN VON INKLUSION sind die Herstellung der Anschlussfähigkeit eines jeden Individuums …

… an das eigene Selbst mit der Erfahrung von Selbstwirksamkeit und dem Ziel eines stabilen selbstbewussten und freien Menschen; … an entwicklungs- und bildungsrelevante Themen, mit dem Ziel, Lernen nicht als Muss, sondern als kontinuierliche individuelle Weiterentwicklung zu empfinden und zu begreifen;

… an andere mit dem Ziel, sich als Teil einer Gemeinschaft zu erleben.

Anschlussfähigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang soviel wie die Möglichkeit des Einzelnen, in einem guten Kontakt zu sich selber, einem Bezug zu einer Aufgabe oder im Kontakt mit anderen zu sein.

Wir müssen uns der Perspektive des Kindes mit all seinen Facetten annähern, um einen Handlungsrahmen zu entwickeln, der das Kind mit seinem Sein, seiner persönlichen Geschichte und seinen individuellen Entwicklungsbedürfnissen einschließt. Zu dieser Perspektive gehört die Art und Weise, wie sich das Kind die Zusammenhänge der Welt erschließt und wie es über Bewegung, Handlung und Denken seinen eigenen Reifungsprozess gestaltet.

Jedes Kind ist einzigartig in seiner Erscheinung, in seinem Ausdruck und in der Art, wie es mit den Herausforderungen, die die Welt für es bereithält, umgeht. Es ist wie bei einem wunderbaren Gemälde, das ein Künstler wie Leonardo da Vinci, Emil Nolde oder Rembrandt erschaffen hat. Ein solches Bild hat einen Rahmen, der das Besondere des Kunstwerks hervorheben soll. Sollte das Bild nun nicht zum Rahmen passen, würden wir nie auf die Idee kommen, etwas so Kostbares, Wertvolles und Einzigartiges wie die Mona Lisa an den Rahmen anzupassen, sondern würden immer den Rahmen an dieses einzigartige Bild anpassen.

Veränderung ist möglich

ICH MÖCHTE IN DIESEM BUCH WEGE AUFZEIGEN, wie wir Einstellungen, Vorstellungen, Bedingungen, Handlungsmuster und Kommunikationsweisen so ändern können, dass das Kind nicht mehr aus dem Rahmen fällt. Die Möglichkeit der Veränderung liegt dabei zunächst in uns selbst sowie in der Veränderung pädagogischer Handlungsweisen und Konzepte. Hierin findet sich ein Kerngedanke von Inklusion, die verlangt, dass sich die Gesellschaft mit ihren Bildungsvorstellungen und institutionellen Rahmenbedingungen an die Besonderheiten anpasst, die das Individuum mitbringt. Hier ist auch der wesentliche Unterschied zur Integration von Kindern mit Behinderung in Bildungseinrichtungen zu sehen, die die Anpassungs- oder Eingliederungsleistung mehr in der Verantwortung des Individuums sieht. Ich werde zunächst die Situation, in der sich das einzelne Kind bewegt, handelt und uns in besonderer Weise herausfordert, auf unterschiedlichen Ebenen betrachten und beschreiben; zum einen auf der Metaebene, die uns zeigen soll, wie komplex das System ist, in dem sich ein Individuum bewegt, zum anderen in einer Art Mikrokosmos, der uns erlaubt, in der direkten Alltagsumgebung des Kindes kleine Veränderungen vorzunehmen, die aber eine große Wirkkraft haben.

Ressourcen erkennen

EINE WICHTIGE GRUNDLAGE FÜR DEN KINDLICHEN Reifungs- und Bildungsprozess ist das Bedürfnis des Kindes nach sicheren Bindungen. Antworten auf dieses Grundbedürfnis sind in den biologisch angelegten Interaktionskompetenzen zu finden, die für das Kind einen Rahmen schaffen, der die Selbstbildungsprozesse fördert. Kinder und Erwachsene verfügen über diese angeborenen Ressourcen, die es zu erkennen, zu beleben und zu nutzen gilt. Zu den natürlichen Ressourcen gehören auch einzelne kindliche Spiele und Verhaltensweisen, mit denen sich Kinder weltweit ausdrücken, um sich bei Unsicherheit und Ängsten rückzuversichern.

Im dritten Kapitel dieses Buches werde ich neben den natürlichen Ressourcen, die das Fundament für eine hilfreiche pädagogische Beziehung sind, die Wirkweisen und Bedeutungen pädagogischer Konzepte ansprechen. In Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen, in denen sich viele Menschen zusammenfinden, benötigen wir ein Bildungskonzept, das einen gemeinsamen Nenner bietet, auf den sich die Akteure über ihre natürlichen Ressourcen und Vorstellungen hinaus, die auch von ihrer persönlichen Geschichte geprägt sind, verständigen können. Ein pädagogisches Konzept enthält theoretische Annahmen zu kindlichen Reifungsprozessen und damit ein weiteres pädagogisches Instrument, um das Kind in seinem Bildungsprozess zu begleiten. Das theoretische Konzept ist immer auch eine Metaebene, über die wir unser eigenes Handeln abgleichen können. Wenn es um Inklusion geht, benötigen diese Konzepte ein hohes Maß an Flexibilität sowie die Bereitschaft, sich täglich durch die Menschen, die mit diesen Konzepten arbeiten, inspirieren und weiterentwickeln zu lassen.

Gemeinsam gestalten

KAPITEL 4 WIDMET SICH DER BEZIEHUNGSGESTALTUNG der Erwachsenen, die sich an der Erziehung und Bildung von Kindern beteiligen. Eltern und pädagogische Fachkräfte müssen trotz oder wegen ihrer unterschiedlichen Hintergründe und Erwartungen daran arbeiten, sich als Team zu begreifen. Eine Allianz oder Übereinkunft der unterschiedlichen Protagonisten schützt uns vor der Gefahr einer möglichen gegenseitigen Bewertung oder sogar Entwertung, die immer beim Kind ankommt, also Auswirkungen auf das Kind hat. Eine Allianz der Erwachsenen eröffnet die Chance, gemeinsam eine positive Perspektive für das Kind zu entwickeln. Eine Unterstützung, um dies zu erreichen, ist gerade bei schwierigen Konstellationen die externe Beratung, auf die ich im sechsten Kapitel zu sprechen komme. Die Beratung hilft uns, den Blick zu weiten und ermöglicht uns, mehr zu sehen als das, was wir uns in diesem Moment gerade vorstellen können. Unsere Vorstellungen werden in der Regel von inneren Bildern dominiert, die in schwierigen Situationen unseren Blick einengen oder uns ohnmächtig machen. Die Beratung, so wie ich sie hier vorschlage, hilft dabei, durch Videosequenzen eine Realität darzustellen, die uns mit Informationen versorgt und uns wieder handlungsfähig macht. Das Konzept für einen Beratungsrahmen, das ich hier vorstellen werde, nimmt die konkrete Alltagssituation mit dem Kind in den Fokus und gibt...

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