Einleitung
Der Herr und sein Sklave:
Sadismus & Masochismus – was ist das eigentlich?
Die Begriffe Sadismus und Masochismus werden in diesem Buch gemeinsam behandelt, obwohl ihre Auswirkungen in der Praxis unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch dafür gibt es eine ganz einfache Begründung: Diese beiden unterschiedlichen Begriffe sind untrennbar miteinander verbunden, sie bedingen einander, gehören zusammen wie Tag und Nacht, hell und dunkel, Glück und Qual; denn ohne das eine würde es das andere nicht geben …
Doch was genau ist eigentlich mit Sadismus und Masochismus gemeint? Laut Lexikon wird Sadismus als „sexuelle Lust an der Aggression bis zur Grausamkeit“ bezeichnet – zugegeben, da denkt der Durchschnitts-Sexler im ersten Moment nicht unbedingt an Geilheit und Ekstase, sondern der Gedanke an Qual und Leid schreckt ihn vielmehr ab. Doch Sadismus und Masochismus sind nicht etwa nur blinde Grausamkeit und grenzenlose Demut. Der Fetisch S/M hat unzählige Facetten, und das wollen wir Ihnen in diesem Buch zeigen.
Aber zunächst kurz zurück zu den Begriffen Sadismus und Masochismus: Der Ausdruck Sadismus wurde nach dem französischen Freidenker Donatien Alphonse François Marquis de Sade (1740 - 1814) benannt. Viele seiner Schriften strotzen nur so von Obszönität, Perversion und Pornographie (zum Beispiel „Die 120 Tage von Sodom“ und „Justine“) und sind andererseits absolute Klassiker der erotischen Weltliteratur. Was die einen als „pervers“, „abscheulich“ und „Ausfluss einer kranken Psyche“ bezeichnen, bewerten andere als äußerst anregend und kunstvoll, ja sogar als „lustvolles Meisterwerk“ und „literarische Reflexionen eines der radikalsten Denker aller Zeiten“. Wie auch immer man die Werke des Herrn de Sade heute beurteilen mag – zu Lebzeiten haben ihm diese Schriften gewaltigen Ärger eingebracht. Indem der Spross einer alten französischen Adelsfamilie seine sexuellen Zwangsvorstellungen niederschrieb und veröffentlichte, mit Prostituierten Sex-Orgien veranstaltete und S/M-Praktiken bis zum Exzess auslebte, verbannte er sich quasi selbst aus der „guten Gesellschaft“. Auch seine politische Meinung stand im Gegensatz zu der der Machthaber. 1763 wurde de Sade nach einem Sex-Skandal erstmals verhaftet. Insgesamt verbrachte er 27 Jahre seines Lebens hinter Gittern, das heißt im Gefängnis sowie in Irrenanstalten. De Sades Lebenseinstellung lautete: „Gott existiert nicht, deshalb ist der Mensch an keine Moral gebunden.“ Dass das vor allem dem mächtigen Klerus nicht behagte, kann man sich wohl lebhaft vorstellen …
Die Bezeichnung Masochismus stammt von dem österreichischen Schriftsteller Ritter Leopold von Sacher Masoch (1836 - 1895). Er schrieb zahlreiche Romane und Erzählungen, unter anderem „Venus im Pelz“ und „Grausame Frauen“. In diesen Werken wird deutlich, dass er sich im Bett gerne von Frauen beherrschen und demütigen ließ. Doch man muss nicht gleich ein Sadist sein, wenn man beim Sex ab und zu mal etwas härter zupackt, und nicht jeder, der sich dem Partner sexuell auch gerne mal unterordnet, ist gleich ein Masochist. Gerade fürs Thema Sexualität gilt: Die Grenzen sind fließend, man probiert hier mal etwas aus und testet dort mal etwas Neues; nur weil man an einer Spielart Gefallen findet, muss man sich ja nicht gleich in eine bestimmte „Schublade“ zwängen lassen. Grundsätzlich gilt: Nur wenn jemand immer und ausschließlich durch eine bestimmte sexuelle Praktik Erfüllung findet, ist er ein Fetischist. Und selbst das ist doch eigentlich egal; ob man nun Sadist oder Masochist ist, total auf Oralverkehr steht, nur bei der Liebe im Freien zum Orgasmus kommt oder aber nur dann angeturnt wird, wenn sich die Partnerin in Lack-Dessous präsentiert: Wichtig ist einzig und allein, dass man nicht unter diesem Fetisch leidet, dass er also nicht zur Qual wird! Wenn man seine fetischistischen Neigungen lustvoll ausleben kann, ohne sich oder andere dadurch zu stören, dann ist doch eigentlich alles bestens! Getreu dem Motto: Lieber ein Fetischist mit einem erfüllten Sexualleben als ein „Normalsexler“, der sich im Bett langweilt! Was wir Ihnen damit sagen wollen, ist: Machen Sie sich nicht allzu viele Gedanken darüber, ob Ihre Vorliebe für die eine oder andere Sexualpraktik nun bereits zu einem Fetisch „ausgeartet“ ist oder nicht – genießen Sie Sinnlichkeit und Ekstase lieber in vollen Zügen! Denn beim Thema Erotik gibt es unzählige Neigungen und Spielarten, die ein Sexmuffel wohl niemals kennen lernen wird. Alles, was über eine als „normal“ geltende Beziehung hinausgeht, gilt als abartig. Ob Sadismus, Masochismus, Lack- und Lederfetischismus oder Voyeurismus, ob Bondage, Englische Erziehung oder eine andere erotische Spielart: der Durchschnittsbürger ist schockiert!
Der Marquis de Sade war es, nach dem die sexuelle Lust am Demütigen und Quälen einst benannt wurde. Das hier gezeigte Buch erzählt Erstaunliches und Erschreckendes aus dem Leben dieses französischen Freidenkers.
Zumindest tun viele so, als seien sie abgestoßen. Denn wenn wir einmal ganz ehrlich sind, übt alles, was über das Normale hinausgeht, auch eine eigentümliche Anziehungskraft auf viele von uns aus. Es erregt uns, ohne dass wir dies zugeben wollen. Es lässt uns innerlich aufhorchen, und vor unserem geistigen Auge entstehen Bilder, für die wir uns einerseits schämen und die uns schockieren, die uns aber gleichzeitig auch erregen. Sie bringen uns aus dem Gleichgewicht, denn wir sind dazu erzogen, „normal“ zu agieren und zu reagieren – auch im Sexuellen. Doch ist es nicht gerade das Verruchte, Verbotene, gesellschaftlich Tabuisierte, was uns reizt? Wollen nicht viele von uns nur allzu gerne einmal ausbrechen aus den gesellschaftlichen Konventionen, die uns fesseln, und endlich ihre sexuellen Phantasien ausleben?
Leider schaffen nur wenige Menschen den Schritt über die Hemmschwelle aus erziehungsbedingter Scham und Angst. Anstatt die eigenen erotischen Wünsche phantasievoll auszuleben und sich seinen sexuellen Neigungen hinzugeben, verschließen wir diese Träume in der hintersten Kammer unseres Ichs und verdammen uns dadurch selbst zu lebenslänglicher sexueller Unzufriedenheit. Denn eines ist sicher: Sind solche Wünsche erst einmal da, kann man sich nicht für immer vormachen, es gäbe sie nicht. Das ist der falsche Weg, der uns ganz sicher unzufrieden macht. Diese Macht unserer Lüste hat enorme Kraft, lähmt einen großen Teil unserer Psyche und lässt sich nicht so einfach abschalten. Ganz im Gegenteil – man sollte seine sexuellen Wünsche und Phantasien als Bereicherung des Sexuallebens ansehen, sollte seine Neigungen austesten und voller Spaß und gemeinsam mit dem Partner an die Sache herangehen!
Zugegeben, das ist nicht ganz leicht. Denn gerade in einer Beziehung sollten beide sehr vorsichtig mit dem Thema Sexualität umgehen. Wobei Vorsicht nicht mit Verklemmtheit verwechselt werden darf. Denn Ungezwungenheit, Offenheit und vor allem Humor dürfen auch beim Thema Erotik nicht fehlen! Mit Vorsicht ist hier vor allem Rücksicht auf die Wünsche und sexuellen Grenzen des anderen, Respekt vor dessen Ängsten und Bedürfnissen und der liebevolle Umgang mit seinem Körper und seiner Seele gemeint. Gemeinsam etwas bisher Unbekanntes auszuprobieren, die neuartigen Gefühle zu genießen, dabei aber auch nie die psychischen und physischen Grenzen des Partners aus den Augen zu verlieren, das ist es, was eine echte und damit auch glückliche Partnerschaft auszeichnet.
Sadistische und masochistische Neigungen – egal welcher Intensität – sind nicht zwangsläufig abartig, sondern lediglich anders; sie heben sich vom Normalen ab und schenken dadurch sich selbst und dem Partner das größte Glück: absolute Befriedigung körperlicher und seelischer Art.
Mit diesem Buch möchten wir unter anderem jene Leser, die diese besondere erotische Ader in sich spüren, jedoch Angst vor dem Ausprobieren haben, dazu bewegen, das scheinbar Negative ins Positive zu verändern: Sprechen Sie zum Beispiel erst einmal mit Ihrem Partner darüber, und beginnen sie langsam, Ihre Träume und Wünsche auszuleben – lassen Sie Ihre Phantasie zur Realität werden! Das muss natürlich nicht gleich in Form von harten S/M-Spielen geschehen, sondern anhand kleiner Schritte. So ist zum Beispiel schon allein die Tatsache, dass Sie sich für die Lektüre dieses Buches interessieren, ein Zeichen dafür, dass Sie Ihre unterschwellige S/M-Neigung und die Neugierde nicht unterdrücken, sondern aktives Interesse zeigen. Und dieses grundsätzliche Interesse wollen wir durch fachliche Informationen erweitern und „versüßen“. Wir möchten Ihnen mit diesem Buch einen Gesamtüberblick über das umfangreiche Thema S/M geben, erläutern unterschiedliche Aspekte und Praktiken, warnen vor allzu bizarren Techniken, bieten eine Übersicht über S/M-Geräte, -Utensilien und -Kleidung, präsentieren Ihnen Fallgeschichten und vieles mehr. Es ist natürlich unmöglich, alle Aspekte dieser sexuellen Spielart beziehungsweise Lebenseinstellung aufzuzeigen und zu erklären. Doch wenn Sie am Ende dieses Buches eine klarere Vorstellung von dem haben, was Sadomasochismus ist, dann haben wir unser Ziel erreicht.
Ein Wort noch zum Abschluss der Einleitung, und dann lassen wir Sie in die Welt des Sadomasochismus eintauchen: „S/M-Lust geht vom Kopf aus!“ heißt es in der Überschrift zum nachfolgenden Kapitel. Leider geht aber auch unsere sexuelle Verklemmung, unser von der ach so perfekten Gesellschaft vorgegebenes Moralgerüst von unserem Kopf aus. Von dort werden die Signale ausgesendet, die...