Vorwort zur zehnten Jubiläumsausgabe
Damit aus Gewinnern keine Verlierer werden
Erfolgreiche Kapitalanlage steht und fällt mit dem gesunden Menschenverstand. Wie Warren Buffett, das Orakel von Omaha, sagte, ist das zwar einfach, aber gar nicht so leicht. Einfache Arithmetik lässt vermuten, was die Geschichte bestätigt: Die Erfolgsstrategie für die Anlage in Aktien ist es, alle Aktiengesellschaften des Landes zu möglichst niedrigen Kosten zu halten. Das garantiert Ihnen, dass Sie in Form von Dividenden und Gewinnsteigerungen nahezu vom gesamten Ertrag profitieren, den diese Unternehmen erwirtschaften.
Diese Strategie ist im Grunde ganz einfach umzusetzen: Kaufen Sie einen Fonds, der dieses Gesamtmarktportfolio abbildet, und halten Sie ihn ewig. Ein solcher Fonds wird als Indexfonds bezeichnet.
Der Indexfonds ist schlicht ein Korb (Portfolio), in dem viele Eier (Aktien) liegen, und der die übergreifende Wertentwicklung des US-amerikanischen Aktienmarkts (oder eines beliebigen Finanzmarkts oder Marktsektors) nachbildet.* Der traditionelle Indexfonds repräsentiert per definitionem im Grunde den gesamten Aktienmarktkorb, nicht nur ein paar einzelne Eier. Dadurch wird das mit der Einzeltitelauswahl verbundene Risiko ebenso eliminiert wie das mit einem Schwerpunkt auf bestimmten Marktsektoren verbundene Risiko und das Risiko der Managerauswahl.
Bleibt nur noch das Aktienmarktrisiko. (Und das ist wahrhaftig groß genug!) Dass Indexfonds auf kurze Sicht wenig aufregend sind, machen sie durch ihre höchst spektakuläre langfristige Produktivität wett. So ein traditioneller Indexfonds ist darauf ausgelegt, ein Leben lang gehalten zu werden.
Der Indexfonds schaltet die mit der Auswahl einzelner Aktien, Marktsektoren und Manager verbundenen Risiken aus – bleibt nur das Marktrisiko
Doch dieses Buch ist mehr als ein Buch über Indexfonds. Es soll verändern, wie Sie über Geldanlage denken. Es erklärt, warum Ihnen langfristige Anlagen viel bessere Dienste leisten als kurzfristige Spekulation. Es erläutert den Wert der Diversifizierung, die wichtige Rolle der Anlagekosten und die Gefahren, die mit dem Vertrauen auf die bisherige Wertentwicklung eines Fonds verbunden sind, und mit dem Ignorieren des Grundsatzes der Rückkehr (oder Regression) zum Mittelwert (Reversion to the Mean, kurz RTM) in der Kapitalanlage. Und schließlich erfahren Sie noch, wie die Finanzmärkte funktionieren.
Haben Sie das alles durchschaut, werden Sie erkennen, dass der Indexfonds tatsächlich die einzige Anlageform ist, die Ihnen im Grunde garantiert, dass Sie Ihren gerechten Anteil an den Erträgen erhalten, die die Unternehmen erwirtschaften. Dank des wundersamen Zinseszinseffekts ist das Vermögen, das diese Erträge über die Jahre abgeworfen haben, geradezu märchenhaft.
Der traditionelle Indexfonds
Ich spreche hier vom traditionellen Indexfonds. So ein TIF ist breit gestreut und hält den ganzen (oder fast den ganzen) Anteil an der US-Aktienmarktkapitalisierung, die Anfang 2017 26 Billionen US-Dollar betrug. Für seinen Betrieb fallen minimale Kosten und keine Beratungsgebühren an. Der Portfolioumschlag ist gering, der steuerliche Optimierungseffekt hoch. Der traditionelle Indexfonds – der erste seiner Art bildete den Standard & Poor’s 500 Index nach – hält schlicht die Aktien der dominanten amerikanischen Unternehmen. Er beteiligt sich an jeder Aktie auf dem Markt in Relation zu ihrer Marktkapitalisierung und hält sie dann für alle Zeit.
Die Magie der kumulierten Anlageerträge, die Tyrannei der kumulierten Kosten
Bitte unterschätzen Sie nicht den Kumulationseffekt der großzügigen Erträge, die unsere Unternehmen erwirtschaften. Nehmen wir an, die Aktien unserer Unternehmen werfen im Jahr 7 Prozent Rendite ab. Rechnet man einen ursprünglich investierten Dollar über zehn Jahre mit diesem Satz hoch, dann werden daraus zwei – und nach 20 Jahren vier Dollar, nach 30 Jahren 7,50 Dollar, nach 40 Jahren 15,00 Dollar und nach 50 Jahren 30,00 Dollar.**
Die magische Wirkung dieses Effekts grenzt an ein Wunder. Schlicht gesagt ist es dem Wachstum, der Produktivität, dem Einfallsreichtum und der Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen zu verdanken, dass Kapitalismus Vermögen schafft – für dessen Eigentümer ein Spiel mit positiven Vorzeichen. Die Aktienanlage bringt langfristig Gewinn.
Die von den Unternehmen erwirtschafteten Gewinne übersetzen sich letztlich in Aktienmarkterträge. Ich habe keine Ahnung, welchen Anteil dieser Erträge Sie sich bisher sichern konnten. Wissenschaftliche Studien belegen jedoch, dass ein typischer Anleger, der in einzelne Aktien investiert, etwa 2 Prozentpunkte pro Jahr hinter dem Markt herhinkt.
Wenden wir diese Zahl auf die Jahresrendite des Standard & Poor’s 500 Stock Index für die letzten 25 Jahre von 9,1 Prozent an, dann bewegt sich Ihr Jahresergebnis vermutlich in der Größenordnung von 7 Prozent. Ergebnis: Als Gruppe wurden den Anlegern nur rund drei Viertel des Marktkuchens serviert. Hinzu kommt, wie im siebten Kapitel näher erläutert: Als typischer Investmentfondsanleger haben Sie noch schlechter abgeschnitten.
Ein Nullsummenspiel?
Wenn Sie nicht glauben, dass dies die Renditen sind, die die meisten Anleger erzielen, dann denken Sie bitte kurz über die »unerbittlichen Regeln der einfachen Arithmetik« nach (viertes Kapitel). Diese eisernen Regeln bestimmen das Spiel. Wir Anleger als Gruppe erzielen den Aktienmarktertrag.
Als Gruppe – und ich hoffe, Sie sitzen gut, wenn Sie diese verblüffende Offenbarung lesen – sind wir Anleger Durchschnitt. Für jeden Prozentpunkt Überrendite über den Markt, den einer von uns erwirtschaftet, verbucht ein anderer einen Fehlbetrag in gleicher Höhe. Vor Abzug der Anlagekosten ist es ein Nullsummenspiel, den Aktienmarkt zu schlagen.
Ein Spiel für Verlierer
Wenn die Anleger versuchen, ihre Vergleichsgruppe zu überrunden, entsprechen die Gewinne der Erfolgreichen unweigerlich den Einbußen der Verlierer. An dem fieberhaften Handel im kostspieligen Wettbewerb um Überrenditen verdient nur, wer im Zentrum unseres Finanzsystems sitzt. Wie Warren Buffett unlängst schrieb: »Wenn Billionen Dollar von Börsianern verwaltet werden, die hohe Gebühren verlangen, dann sind es gewöhnlich die Verwalter, die unverhältnismäßig profitieren, nicht die Kunden.«
Im Kasino gewinnt immer die Bank. Beim Pferderennen stets die Rennbahn. Beim Lotto grundsätzlich der Staat. Das ist in der Kapitalanlage nicht anders. Bei diesem Spiel gewinnt in jedem Fall der Finanzcroupier. Die Anleger als Gruppe verlieren. Nach Abzug der Anlagekosten bringt es Verluste, den Aktienmarkt zu schlagen.
Weniger für die Wall-Street-Croupiers = mehr für die Masse der Anleger
Erfolgreiche Kapitalanlage ist daher, den Anteil an den von unseren Unternehmen erwirtschafteten Gewinnen, den die Wall Street kassiert, zu minimieren, und den Anteil, der auf das breite Anlegerpublikum entfällt, zu maximieren. (Und damit meine ich Sie, werte Leser.)
Ihre Aussichten auf den Ihnen zustehenden Anteil am Marktertrag steigen beträchtlich, wenn Sie den Handel mit Aktien minimieren. Eine wissenschaftliche Studie machte deutlich, dass das aktivste Fünftel aller Aktienhändler in dem kräftigen Bullenmarkt von 1990 bis 1996 einen Portfolioumschlag von über 21 Prozent pro Monat verzeichnete. Sie erwirtschafteten den jährlichen Marktertrag dieser Haussephase von 17,9 Prozent, doch die anfallenden Handelskosten schlugen mit rund 6,5 Prozent zu Buche, sodass sie unter dem Strich 11,4 Prozent pro Jahr einstreichen konnten – lediglich zwei Drittel des Marktertrags.
Auch Investmentfondsanleger haben oft verstiegene Vorstellungen von der eigenen Allwissenheit. Sie wählen Fonds danach aus, ob der Fondsmanager in der letzten Zeit – oder auch langfristig – überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte. Oft beauftragen sie noch Berater, um ihnen dabei zu helfen (die »Helfer«, von denen Warren Buffett im Folgekapitel spricht). Doch wie ich im zwölften Kapitel näher erkläre, sind die Berater noch weniger erfolgreich. Allzu viele Fondsanleger achten überhaupt nicht auf die Kosten und bezahlen bereitwillig hohe Emissionsaufschläge, überzogene Fondsgebühren und Aufwendungen. Dabei unterliegen sie außerdem noch unwissentlich den erheblichen, aber undurchsichtigen Transaktionskosten, die bei den Fonds infolge ihres hyperaktiven Portfolioumschlags anfallen. Fondsanleger meinen, sie könnten beständig überdurchschnittliche Fondsmanager auswählen. Doch sie irren sich.
Fondsanleger sind überzeugt, dass sie jederzeit herausragende Fondsmanager auswählen können – weit gefehlt
Ganz im Gegenteil. Wer Geld investiert und dann aus dem Spiel aussteigt, ohne unnötige Kosten zu übernehmen, dessen Erfolgschancen sind atemberaubend. Warum? Ganz einfach: Weil er Anteile an Unternehmen besitzt, und Unternehmen als Gruppe mit ihrem Kapital beträchtliche Erträge erwirtschaften, ihren Aktionären Dividenden zahlen und die restlichen Gewinne in künftiges Wachstum investieren.
Richtig, viele Unternehmen scheitern. Firmen, die auf falsche Ideen und starre Strategien setzen und nicht kompetent geführt werden, fallen letztlich der schöpferischen Zerstörung...