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E-Book

Das Märchen vom reichen Land

Wie die Politik uns ruiniert

AutorDaniel Stelter
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783960922797
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Wir leben in Deutschland in der scheinbar besten aller Welten, doch schon bald werden wir feststellen, dass wir nicht das reiche Land sind, das uns Medien und Politik glauben machen wollen. Denn der Boom der hiesigen Wirtschaft ist nicht unser Verdienst, sondern in erster Linie eine Folge der tiefen Zinsen, des schwachen Euro und des Verschuldungsexzesses im Rest der Welt. Um unseren Wohlstand zu sichern, müssten die regierenden Politiker den aktuellen Aufschwung nutzen, um in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung und somit in die Zukunft des Landes zu investieren. Doch stattdessen werfen sie das Geld für höhere Renten und Sozialausgaben zum Fenster raus. In seinem neuen Buch zeigt Daniel Stelter, einer der klarsten und profiliertesten Denker in Sachen Ökonomie: Wenn wir weitermachen wie bisher, wird nicht nur unsere Wirtschaftskraft in den kommenden Jahren rapide sinken, sondern nachfolgende Generationen werden die finanziellen Lasten, die uns heutige Politiker aufbürden, nicht stemmen können. Es droht der volkswirtschaftliche Kollaps. Doch der Bestsellerautor entlarvt nicht nur das Märchen vom 'reichen Land' als eben solches, er zeigt auch konkrete Wege auf, wie wir dem Albtraumszenario entgehen können.

Dr. Daniel Stelter ist Makroökonom und Strategieberater. Als Autor zahlreicher Expertenbeiträge und aktueller Sachbücher liefert er einen unverstellten Blick auf die wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen unserer Zeit. Zudem ist er Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums beyond the obvious. Er war von 1990 bis 2013 Unternehmensberater bei der internationalen Strategieberatung The Boston Consulting Group (BCG). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Ökonomen Deutschlands.

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Leseprobe

KAPITEL 1


WARUM DIE DEUTSCHEN ZU DEN ÄRMEREN IN EUROPA GEHÖREN


Über den Unterschied zwischen Einkommen und Vermögen


»Reich wird man nicht durch das, was man verdient, sondern durch das, was man nicht ausgibt.«

HENRY FORD, amerikanischer Industrieller

»Wir sind ein reiches Land«, ist immer wieder zu hören, wenn Politiker ihre Handlungen begründen. Wir sind »reich«, weshalb wir es uns »leisten können«, der Welt ein »freundliches Gesicht zu zeigen« und  Millionen an Flüchtlingen aufzunehmen. Wir sind ein »reiches Land«, weshalb wir die Hauptlasten der politischen Union in Europa und der Stabilisierung des Euro schultern sollen. Wir sind ein reiches Land, weshalb wir mehr Geld für unsere Rentner aufwenden können. Wir sind ein reiches Land, weshalb wir es schaffen, eine ökologische Energiewende zu schultern. Was immer wir auch aus politischen Gründen machen wollen, »wir schaffen das«, denn wir sind ja ein reiches Land.

Natürlich sind wir ein reiches Land, wenn wir uns im weltweiten Maßstab vergleichen. Es gibt viele Länder der Welt, in denen Menschen deutlich weniger zum Leben haben als bei uns. Es gibt viele Staaten, in denen wirklich Armut herrscht. Doch die Frage lautet: Ist das der richtige Maßstab? Kann man daraus schließen, dass wir wirklich so reich sind, dass wir alle Arten von Lasten tragen können und sollten? Vor allem, wenn die Nutznießer dieser Unterstützung nicht in Afrika sitzen, sondern unsere Partner und Nachbarn in der EU sind? Ich habe Zweifel daran.

Der Unterschied zwischen Bestands- und Flussgröße


Schaut man genauer hin, so muss man feststellen, dass wir es mit einer Politik in Deutschland zu tun haben, die die grundlegenden ökonomischen Dinge nicht versteht und nicht verstehen will. Das beginnt mit der eigentlich einfachen Unterscheidung zwischen Einkommen (= Flussgröße) und Vermögen (= Bestandsgröße).

So gibt es eine »Reichensteuer«, die – so würde man vom Namen her meinen – eine Steuer ist, die vor allem von »Reichen« bezahlt wird. Das ist aber nicht der Fall. In Wahrheit zahlen diese Steuern all jene Menschen, die »viel« verdienen. Genauer gesagt, ab einem zu versteuernden Einkommen von 254 447 Euro für Ledige (§ 32a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 52 Abs. 41 EStG) und ab 508 894 Euro bei Zusammenveranlagung (§ 26, §26b i.V.m. § 32a Abs. 5 EStG). Dann beträgt der Steuersatz 45 Prozent.

Natürlich sind das beeindruckende Gehälter, die weit über dem liegen, was der Durchschnittsbürger verdient. Doch bedeuten sie noch lange nicht, dass derjenige, der so viel Geld verdient, reich ist. Er mag eine gute Ausbildung haben und einen sehr guten Beruf. Doch ein Vermögen geht mit diesem hohen Einkommen nicht immer einher. Umgekehrt kann jemand über ein  Millionenvermögen verfügen, aber ein weitaus geringeres laufendes Einkommen haben und deshalb die Reichensteuer nicht bezahlen. Zum Beispiel, weil er Abschreibungen geltend macht oder aber die laufenden Erträge – wie bei Immobilien – relativ gering sind im Vergleich zum Wert.

Immer, wenn die Politik von den »Reichen« spricht, landet sie am Ende bei denjenigen, die gut verdienen. Gut verdienen und reich sein sind aber zwei verschiedene Sachverhalte. Der Spitzensteuersatz – also der Höchstsatz vor der »Reichensteuer« – wird ab einem Einkommen von knapp über 54 000 Euro fällig. Das entspricht rund dem 1,3-Fachen des Durchschnittseinkommens. 1965 musste man noch das 15-Fache des Durchschnittseinkommens verdienen, um den Spitzensteuersatz zu bezahlen. Auf heute bezogen wären das über 620 000 Euro!

Hohe Steuern auf Einkommen vermindern die Möglichkeit der Vermögensbildung aus eigener Arbeit und reduzieren so die soziale Mobilität. Während Vermögen tiefer besteuert werden, schlägt der Staat bei den Gutverdienern gnadenlos zu. Diese werden sich nach Steuern und Sozialabgaben beim Gang durch die besseren Viertel unserer Metropolen und mit Blick auf die Immobilienpreise keineswegs »reich« fühlen, sondern eher merken, dass ihnen von ihrem hart erarbeiteten Geld herzlich wenig bleibt.

Wir verdienen nicht schlecht …


Doch wie steht es um die Einkommen in Deutschland im weltweiten Vergleich? Gut kann man sagen. Blickt man auf den entscheidenden Maßstab für die Einkommen, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, so liegt Deutschland nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit 48 111 US-Dollar auf Platz 20 in der Welt. Zweifellos ein gut wirtschaftendes Land. Vor uns rangieren neben einigen Exoten wie Katar und Brunei, die ihr Einkommen vor allem den Öl- und Gasvorkommen verdanken, wirtschaftsstarke Nationen wie Singapur (87 855  US-Dollar), die Schweiz (59 561 US-Dollar), die USA (57 436 US-Dollar) und die Niederlande (51 049 US-Dollar).

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der übrigen Länder der Eurozone befindet sich unter deutschem Niveau, so Frankreich bei 42 314 US-Dollar, Italien bei 36 833 US-Dollar und Spanien bei 36 416  US-Dollar. Portugal mit 28 933  US-Dollar und Griechenland mit 26 669 US-Dollar liegen deutlich tiefer und bilden die Schlusslichter der Eurozone, sind aber immer noch weit oberhalb des weltweiten Durchschnitts von 16 318 US-Dollar.1

Fazit ist also, dass wir zur Spitzengruppe der Länder nach Wirtschaftskraft gehören. Wir produzieren ein beeindruckendes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung, was ausdrückt, dass ein großer Teil der Bevölkerung einer Arbeit nachgeht und wir zudem überaus produktiv wirtschaften.

Doch es wäre zu früh, dass Einkommenskapitel an dieser Stelle abzuschließen. Ebenso interessant ist die Frage nach dem durchschnittlichen Einkommen, welches wir in Deutschland verdienen und wie sich dies im Vergleich mit anderen Staaten darstellt. Dahinter steht die Frage, wie die Einkommen verteilt sind. Zum einen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern und zum anderen zwischen den Bürgern.

Die Statistiker schauen deshalb auf das sogenannte Medianeinkommen (mittleres Einkommen). Also die Einkommenshöhe, bei der die Anzahl der Haushalte oder Personen, die über höheres beziehungsweise niedrigeres Einkommen verfügen, genau gleich ist. Gemessen von diesem Punkt aus, verdient die eine Hälfte der Bevölkerung weniger und die andere Hälfte mehr. Deshalb ist die

Höhe des Medianeinkommens ein weitaus besseres Indiz dafür, wie es der Breite der Bevölkerung geht, als das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, weil wenige sehr hohe Einkommen den Durchschnittswert zu stark verzerren.

Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Union, veröffentlicht regelmäßig eine Rangliste der EU-Staaten nach dem verfügbaren Medianeinkommen je Haushalt, also dem mittleren Einkommen nach Steuern und Abgaben. Die Rangordnung ähnelt jener nach BIP pro Kopf, ist aber angesichts der hohen Abgabenbelastung hierzulande nicht identisch. So schrumpft der Unterschied gerade im Vergleich zu den anderen Ländern der Eurozone deutlich (Angaben jeweils pro Haushalt):2

•   Luxemburg: 33 838 Euro,

•   Niederlande: 22 745
Euro,

•   Frankreich: 21 720 Euro,

•   Deutschland: 21 263 Euro,

•   Italien: 16 247 Euro,

•   Spanien: 13 685 Euro,

•   Portugal: 8 782 Euro,

•   Griechenland: 7 504 Euro.

Erwirtschaften wir nach BIP pro Kopf noch 14 Prozent mehr als die Franzosen, liegen wir beim verfügbaren Haushaltseinkommen zurück. Der Unterschied zu Italien ist beim Haushaltseinkommen mit 31 Prozent genauso hoch wie der Unterschied bei der Wertschöpfung pro Kopf.

Fazit: Unsere Einkommen liegen im Spitzenfeld, selbst nach Abgaben hat das Medianeinkommen der Haushalte in Deutschland ein hohes Niveau. Wir sind ein Land, in dem die Menschen im internationalen Vergleich gut verdienen.

… doch wir haben wenig Vermögen


Gut zu verdienen (= Flussgröße) bedeutet jedoch nicht automatisch, dass jemand über ein großes Vermögen (= Bestandsgröße) verfügt. Das kann daran liegen, dass man erst seit kurzem gut verdient und am Anfang der Vermögensbildung steht. Es kann auch daran liegen, dass man sein Einkommen lieber ausgibt, als zu sparen. Es kann auch daran liegen, dass man zu viel von seinem Einkommen als Steuern und Abgaben abzuführen hat und deshalb nur wenig sparen kann.

Auf ein ganzes Land bezogen, müsste man davon ausgehen, dass sich gute Einkommen auf Dauer in entsprechenden Vermögenswerten niederschlagen. Komischerweise tun sie das bei uns in Deutschland nicht.

Da sind zunächst die Zahlen des französischen Reichtumsforschers Thomas Piketty, der mit umfangreichem Datenmaterial der Entwicklung von Volksvermögen über die Zeit nachgegangen ist. Demnach lag die Vermögensquote – also das Vermögen relativ zum Volkseinkommen im Jahre 20153

•   in Spanien bei 659 Prozent (2014),

•   in Frankreich bei 591 Prozent,

•   in Italien bei 587 Prozent,

•   in den Niederlanden bei 530 Prozent (2014),

•   in Griechenland bei 499 Prozent,

•   in Deutschland bei 446 Prozent.

Die Deutschen besitzen also im Durchschnitt weniger Vermögen als die Italiener, Franzosen und Spanier, die im Rahmen der europäischen »Solidarität« eine größere Anstrengung von uns verlangen, und nur geringfügig mehr als die Griechen, deren Staatsschulden wir in...

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