Das Hexenjahr mit den acht Jahreskreisfesten
Das heidnische Jahresrad beginnt und endet in der winterlichen Dunkelheit - obwohl in den meisten alten Kulturen die Frühlings-Tagundnachtgleiche als Jahreswechsel galt. Es dreht sich parallel zur Sonne und läßt sich wie die Mondphasen, Jahr und Tag in vier Bereiche unterteilen. Alles in allem beschreibt es einen unendlichen Kreislauf, der untrennbar mit den Jahreskreisfesten verbunden ist. Jedes dieser Feste markiert einen Eckpunkt des Jahres.
Wenngleich viele Elemente der modernen Hexenfeste vorrangig aus dem recht jungen Wicca-Glauben stammen, ist ein nicht unerheblicher Teil der weitaus älteren nordisch-keltischen Glaubenswelt in die Jahreskreisfeste mit eingeflossen. Aus antiken Kulturen haben die Darstellung einer den Gott (Sonne, Korn oder Vegetation) gebärenden Göttin (Erde) und der aus dem Tod wiederauferstehende Gott die Jahrtausende überdauert und wurden lediglich in den neuzeitlichen Jahreskreis integriert.
Die Aufteilung des Jahresrades in vier Bereiche oder Phasen symbolisiert die Lebensstadien von Gott und Göttin. Beinahe überall tritt die Göttin, vor allem die Mondgöttin, dreigestaltig auf: als Jungfrau, Mutter und Ahnin. Älter sind jedoch vier Mondphasen, denn wer genau hinsieht, wird entdecken, daß die Ahnengöttin fast immer mit dem abnehmenden und dem schwarzen Mond verbunden wird. Sieht man den Schwarzmond dagegen als eigenständigen, wenn auch nur kurzen Zyklus, einen abgespaltenen Aspekt der Greisin, so symbolisiert er die Schwarze Jungfrau, die sich mit dem Erscheinen der schmalen Sichel zur Lichten Jungfrau wandelt.
Der Zyklus des Gottes sieht ähnlich aus: Im Winter (Nacht) wird die Sonne geboren. Sie wächst heran im Frühling (Morgen), erreicht im Sommer (Mittag) den Lebenshöhepunkt und vergeht im Herbst (Abend), um letztendlich im Winter wiedergeboren zu werden. Das Jahr des Korngottes besteht aus Brache, Aussaat, Wachstum, Ernte und wieder Brache.
Obwohl die alten Europäer nicht direkt ein Sonnenkind verehrten, das zu Mittwinter geboren wurde, ist auch die Vorstellung der wiedergeborenen Sonne sehr alt und findet sich überall auf der Welt.
Es ist nicht verwunderlich, daß die überwiegend agrarisch lebenden Zivilisationen der Sonne mehr Bedeutung zumaßen als dem Mond. Doch während der Sonnenkraft heutzutage gemeinhin „maskuline“ Attribute (dynamisch, aktiv, Leben erhaltend) zugeschrieben werden, war die Sonne in zahlreichen Kulturen eine weibliche Macht. Auf Erden wird ihre Kraft meist durch das Feuer verkörpert.
Ein Jahreskreis umfasst insgesamt acht Feste: Vier Sonnenfeste und vier Mondfeste, die manchmal auch als Feuer- / Wasserfeste bezeichnet werden. Wie das oft dargestellte Rad mit den acht Speichen, zwischen denen es schneit, Blumen erblühen, das Getreide heranreift und die Blätter fallen, orientieren sich die Feste am Werden und Vergehen alles Lebendigen. Einige dieser Feste haben in der Tat einen historischen Hintergrund, andere wurden auf Basis jüngerer oder regionaler Bräuche und Festlichkeiten hinzugefügt und haben sich inzwischen eingebürgert.
Die Sonnenfeste:
- Jul, Wintersonnenwende / Mittwinter am 21. Dezember
- Ostara, Frühlingstagundnachtgleiche / Frühlingsfest am 21. März
- Litha, Sommersonnenwende / Mittsommer am 21. Juni
- Mabon (Mabonadh), Herbstäquinox / Erntefest am 23. September
Diese Feste beziehen sich auf den Stand der Sonne und fallen auf festgesetzte Daten, die auch im heutigen Kalender den Wechsel der Jahreszeiten markieren. Da die ältesten Bauwerke (Steinzeitkalender) nach dem Stand der Sonne ausgerichtet sind, nimmt man an, dass die Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen bereits seit dem Jungpaläolithikum bekannt sind. Die Sonnenfeste werden mit der aufgehenden Sonne am Tag des Geschehens gefeiert und sollen germanischen Ursprungs sein; wenngleich die Germanen einen Mondkalender verwendeten und man die Feste auf den Vollmond nach dem Sonnenfest datiert. Die Sonnenfeste unterteilen vor allem den agrarischen Jahreskreis, bestimmen Aussat und Ernte.
Die Mondfeste, die eigentlichen Hochfeste, liegen zwischen den Sonnenfesten. Ihr Datum ist im Grunde variabel, da sie gemeinhin am ersten Vollmond beziehungsweise Neumond nach dem festgesetzten Datum gefeiert werden.
- Imbolc / Lichterfest am 01.Februar, ein Vollmondfest
- Beltane / Feuerfest am 30. April, ein Vollmondfest
- Lugnasadh / Kornfest am 31. Juli, ein Vollmondfest
- Samhain / Totenfest am 31.Oktober, ein Neumondfest
Der gängigen Theorie zufolge sind die Mondfeste im keltischen Raum entstanden und beginnen mit Einbruch der Dunkelheit. Da die Kelten glaubten, daß der neue Tag mit dem Einsetzen der Abenddämmerung beginnt, wurde jeweils vom Vorabend bis in die Nacht hinein gefeiert. Diese Feste stehen symbolisch für drastische Veränderungen in der Natur und sind eng mit landwirtschaftlich prägnanten Daten verbunden, denn sie „trennen“ Frühling und Sommer, Herbst und Winter. Historiker gehen davon aus, dass die Mondfeste vor allem für die Viehhaltung von besonderer Bedeutung waren, markieren sie doch Termine wie die Geburt der Jungtiere, Weideauf- und Abtrieb sowie die vorwinterliche Selektion.
Im Jahresverlauf wechseln die Feste einander ab:
Samhain (Hochherbst / Herbstmitte, die Vegetation stirbt)
Jul / Mittwinter (Winterbeginn, Tod und Wiedergeburt der Sonne)
Imbolc (Hochwinter / Wintermitte, das Licht erstarkt)
Ostara (Frühlingsbeginn, die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf)
Beltane (Frühlingsmitte, die Vegetation wächst und erblüht)
Litha (Sommerbeginn, die Sonne ist auf dem Höhepunkt ihrer Kraft)
Lughnasad / Lammas (Hochsommer / Sommermitte, Erntezeit)
Mabonadh (Herbstanfang, die Natur bereitet sich auf das große Sterben vor)
Am Lauf der Gestirne ausgerichtete Bauwerke wie die neolithischen Henges (zum Beispiel Stonehenge) oder Kreisgrabenanlagen wie das Sonnenobservatorium von Goseck (Überreste der Megalithkultur), legen einen Jahreskreis mit entsprechenden Festen nahe. Dabei werden speziell die Kreisgrabenanlagen häufig als Kalenderbauten bezeichnet. Auf der Himmelsscheibe von Nebra sind die Sonnenwenden, Tagundnachtgleichen sowie die sichtbaren Plejaden1 verzeichnet, allesamt Ereignisse, die für das Bauernjahr sehr wichtig waren.
Mit dem Erscheinen der keltischen und germanischen Volksstämme im Norden Europas gelten diverse Vegetationsfeste, Reinigungsfeste, Winteraustreibungsriten, Opferfeste, Sonnwendfeste, (Ernte-)Dankfeste oder Feuerfeste durchaus als historisch belegt. Ob diese Feste tatsächlich so gefeiert wurden, wie man es sich heute vorstellt, ist ungewiss, aber nicht unmöglich.
Zu tief waren diese Tage im Bewußtsein der Menschen verankert, um vom christlichen Glauben einfach ausgelöscht zu werden. Daher stammen sämtliche Traditionen und Bräuche des Christentums fast ausschließlich aus dem nordischen (oder römischen) Heidentum, überdeckt mit einem dünnen Mantel christlicher Überlieferungen. Der Weihnachtsbaum ist identisch mit dem Lebens- oder Weltenbaum, aus dem Ostara-Hasen, beziehungsweise Hase und Ei aus babylonischen Fruchtbarkeitsriten, wurden Osterei und Osterhase, aus dem Haustblót das Erntedankfest. Obschon zweitausend Jahre Christentum ihre Spuren hinterlassen haben, ist es schwer, die moderne Gesellschaft tatsächlich als urchristlich bezeichnen.
Wissenswert: Viele Diskussionen zum Thema heidnische Jahreskreisfeste scheitern spätestens an der Frage nach dem historischen Beleg (Ausgrabung / schriftliche Überlieferung / sprachlicher Nachweis).
Wobei zunächst einmal die Frage im Raum stehen darf, ob Religion überhaupt auf wissenschaftlichen Fakten basieren kann, beansprucht sie für sich doch den Glauben, nicht das Wissen. Auch für die Offenbarungsreligionen fehlt nicht selten die historische Quelle. Glaube und Spiritualität sind etwas sehr Intimes und Persönliches und waren schon immer mehr als nüchterne Wissenschaft, die auf Fundstücke und schriftliche Überlieferungen baut. Historische Belege und archäologische Funde liefern lediglich Erkenntnisse für eine moderne Interpretation, ermöglichen aber weder eine originalgetreue Rekonstruktion einer Kultur oder Epoche, noch geben sie Aufschluss über die tatsächliche Vorstellungswelt vorangegangener Generationen. Sämtliche „Beweise“, so greifbar sie auch sein mögen, können nur von außen betrachtet werden. Sie bleiben dadurch stets verfälscht. Und auch die Archäologie kann nur vermuten. Mit gegenwärtigen Denkstrukturen, Rationalität und der griechisch-römischen Logik sind die vorchristliche Symbolsprache, die Sagen und Mythen ohnehin nur sehr schwer zu erfassen.
Gerade das Heidentum hält bei seiner Rekonstruktion ganz besondere Schwierigkeiten bereit, da es sich um eine aus dem Volk heraus entstandene, praktisch gelebte Religion handelt(e), basierend auf der...