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Das McBook

Von den Burgern der Zukunft, der Filiale der Queen und Igeln im Eisbecher - (fast) alles über McDonald's

AutorAlexandra Reinwarth
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783959719094
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
McDonald's ist ein Unternehmen der Superlative. Weltweit werden pro Sekunde über 75 Burger verkauft, die Kundenzahl entspricht pro Tag etwa einem Prozent der gesamten Weltbevölkerung. Längst ist die Restaurantkette zu einem Bestandteil unserer Kultur geworden. Der Big-Mac-Index, der die Kaufkraft von Währungen mit dem Preis eines Big Macs vergleicht, hat sogar Eingang in die Volkswirtschaftslehre gehalten. Bestsellerautorin Alexandra Reinwarth hat es geschafft, dorthin zu kommen, wo sich sonst nur Insider aufhalten: hinter die Kulissen des Unternehmens. In diesem Buch beschreibt sie ihre spannende Reise durch die Welt des goldenen M und erzählt kuriose Anekdoten, klärt absurde Mythen auf und versammelt skurrile Fakten. Ein Buch für alle, die mit der Juniortüte aufgewachsen sind, für die eine lange Autofahrt ohne den obligatorischen Zwischenstopp beim »Mäckie« undenkbar ist oder die schon immer wissen wollten, wie eigentlich neue Burger erfunden werden.

Alexandra Reinwarth ist Spiegel-Bestsellerautorin und hat bereits mehrere Bücher für den riva Verlag geschrieben. Seit 2000 lebt sie in Barcelona, wo sie als Produzentin und Autorin tätig ist.

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Leseprobe

 

Der
Pommeswald


 

»Stimmt es eigentlich …«, beginne ich wieder, und Fred sieht mich amüsiert und voller Erwartung an, womit ich jetzt wieder um die Ecke komme.

»… dass in den Pommes Sägespäne oder Sägemehl gefunden wurde?« (Das ist die freundliche Version von: Stimmt es eigentlich, dass ihr dabei erwischt worden seid, die Pommes mit Sägespänen zu strecken?)

»Natürlich«, nickt Fred, und ich meine, ich habe mich verhört.

»Wie, natürlich?«

Man rechnet ja mit allem – aber ich bin vermutlich im tiefsten Grunde meines Hirns davon ausgegangen, dass er ein bisschen schwammig über Füllstoffe generell sprechen würde (die dann auch nicht Füllstoffe heißen, sondern so positive Namen haben wie Zusatzmaterie oder Pluspunkte). Danach käme etwas von im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, und was das heißt, kann man ja ganz hervorragend beurteilen, wenn man sich ansieht, was uns sonst so total legal untergejubelt wird. Ich hätte auch damit gerechnet, dass er geschickt das Thema wechselt und von den Sägespänen auf Bäume generell zu sprechen kommt und über die Papiergewinnung bei dem Buch landet, das er gerade liest. Aber dass er unumwunden zugibt, dass die Pommes aus Holz sind, finde ich dann doch ein starkes Stück.

»Es ist auch gar nicht so leicht, das passende Holz auszuwählen«, legt er nach. »Man stellt sich das so einfach vor, aber wir können ja nicht irgendwelche Bäume verwenden«, und bei irgendwelche wirft er theatralisch die Hände in die Luft.

Ich kann immer noch nicht glauben, was ich da höre.

Fred beugt sich vor und senkt die Stimme: »Wichtig ist, dass der Stamm gesund ist«, und damit lehnt er sich wieder nach hinten, als hätte er mir gerade eben ein geheimes Rezept verraten.

»Gute Rohware, wie Kiefer zum Beispiel oder Eiche, ergibt ein geschmackvolles, saftiges Endprodukt. Da braucht man gar nicht mehr viel zu salzen, das schmeckt dann von ganz alleine.«

Ich starre ihn an, und in meinem Kopf ploppt ein Förster auf, der den Wald nach geeigneten Bäumen absucht, hie und da an einen Stamm klopft und die reifen mit einem P für Pommes markiert. Oh Mann. Das kann doch nicht wahr sein …

»So was hier«, sagt Fred und deutet auf die hölzerne Tischplatte, »kannst du total vergessen, das ist für gute Pommes völlig unbrauchbar.«

Ich starre auf die Tischplatte.

»Spätestens wenn die Stämme in die Manufaktur kommen, sieht man dann, ob sie geeignet sind, dann kann die Verarbeitung beginnen.«

»Die Verarbeitung …«, wiederhole ich wie ein Idiot, und Fred nickt.

»Ja, die Schnitzer und Schnitzerinnen lösen dann die Rinde ab und sägen das Holz mit der Faser in Blöcke, daraus kann man dann die fertigen Pommes schnitzen.«

»Was?«

Fred nickt eifrig. »Ja, was hast du denn gedacht? Mit dem Schnitzmesser werden erst die oberen Holzschichten entfernt, und dann wird gefeilt. Manchmal kommt aus so einem Holzblock sogar nur ein einziger Pommes raus!« … und während er das sagt, muss er jetzt doch so ein kleines bisschen grinsen.

»Nicht schlecht, Fred«, muss jetzt auch ich grinsen, denn das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.

»Lass mich raten«, lehne ich mich auch zurück und nicke anerkennend, »ihr nehmt nur regionale Bäume?«

»Zu 100 Prozent.«

+++

Als ich L. später von dem Gespräch erzähle, muss er so lachen, dass er Schluckauf bekommt.

»Das hat er gesagt? Das ist ja saukomisch«, wiehert er.

Später muss ich dann die Geschichte gleich noch mal erzählen.

»Da sind Sägespäne drin? Die sind aus – Holz?«, sieht mich auch meine Freundin Anne total entgeistert an.

»Nein, natürlich nicht«, versuche ich klarzustellen. »Das hat er nur so gesagt. Die sind ganz normal aus Kartoffeln«, aber Anne zieht die Augenbrauen hoch und verschränkt ihre Arme. Da habe ich was angerichtet. Anne, das muss man wissen, hat eine ausgeprägte Vorliebe für Verschwörungstheorien aller Art. Die Mondlandung? Laut Anne nur eine aufwendige Inszenierung, mit der sich Amerika als Weltmacht inszenieren wollte. Und wenn man Anne fragt, wie Lady Di seinerzeit ums Leben gekommen ist, wird man ein paar obskure Theorien hören, wie der britische Geheimdienst und die Queen höchstpersönlich verhindern wollten, dass Di mit ihrem Geliebten Dodi Al-Fayed eine neue Familie gründet. Von der Sache mit den Aliens auf der berühmten Militärbasis Area 51 bei Roswell in Nevada, USA, erzähle ich lieber gar nichts, sonst denkt noch jemand, Anne habe nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber das stimmt nicht! Sie ist ansonsten ganz vernünftig – zumindest bis auf einige esoterische Unebenheiten, aber irgendwas ist ja immer.

+++

Angeblich ist der Hang zu Verschwörungstheorien ganz menschlich, weil nämlich Bedrohungen, also zum Beispiel ein Terroranschlag, eine Finanz- oder Flüchtlingskrise, ein unüberschaubarer Krieg oder der plötzliche Tod eines Prominenten, unser Weltbild und unsere Ordnung durcheinanderbringen und unangenehme Spannungen auslösen. Das alles ist zu unberechenbar und damit können wir nicht gut.

Verschwörungstheorien sind ein Versuch, damit umzugehen, Unerklärtes zu erklären, ihm Sinn zu verleihen und irgendwie dieses Gefühl der Unsicherheit und der Ohnmacht zu reduzieren. Argumente und Fakten, die der eigenen Überzeugung widersprechen, werden dann eher ausgeblendet, und alles, was einen bestätigt, wird hingegen durchaus wahrgenommen. Tunnelblick sagen wir auch gerne dazu …

Jetzt kann man sich zwar lustig machen, wenn jemand die Sache mit den Aliens für bare Münze nimmt oder die Mondlandung für eine Inszenierung hält, aber ehrlich gesagt: Es sind schon viel unglaublichere Dinge enthüllt worden! Wer hätte schließlich vor Edward Snowden gedacht, dass die USA tatsächlich jahrelang und umfassend andere Staaten überwacht? Nicht, dass es einen groß überrascht hätte, den Amis trauen wir ja alles zu – aber eben auch völlig zu Recht. (Sie setzen sogar immer noch eins drauf …)

Aber, und jetzt geht es wieder um die Pommes: McDonald’s trauen wir auch alles zu. So wie Anne, die es sofort für völlig plausibel hält, dass eine in Deutschland ansässige Gastronomiekette, die penibel um ihr Image bemüht ist, SÄGEMEHL in ihre Kartoffelprodukte einarbeitet. Andererseits – haben Sie auch damals Illuminati oder den Da Vinci Code gelesen oder im Kino gesehen? Da waren wir ja auch alle ganz knapp davor, an eine weltweite Verschwörung von erleuchteten Geheimniskrämern zu glauben.

Vielleicht ist McDonald’s einfach zu groß, und wir können uns das alles nicht so recht vorstellen (und dann sind sie auch noch aus Amerika!), deshalb passen da ein paar Verschwörungstheorien einfach gut hinein. Als im August 2007 hingegen jede Menge Berliner Dönerbuden tatsächlich Gammelfleisch verkauften oder irgendwo Pferd im Fleisch gefunden wurde, war der Aufschrei zwar jeweils groß, aber nach ein paar Wochen war die Sauerei auch wieder abgehakt. Wäre das bei McDonald’s passiert, bekämen die das wahrscheinlich nie mehr los. Ungerecht, aber mach was.

Die Pommes, das habe ich dann übrigens noch nachgesehen, werden völlig unspektakulär aus größtenteils deutschen Kartoffeln gemacht (23 Prozent kommen aus den europäischen Nachbarländern Niederlande, Belgien und Frankreich). Die Landwirte bringen ihre Kartoffeln zu McCain, Lamb Weston und zum größten Teil zu Agrarfrost, dort werden sie geschält, und das Aufregendste an den Dingern ist, dass sie mit 80 km/h durch einen Messerblock geschossen werden. Die ersten paar Jahre allerdings (von 1971 bis 1974), und das ist ein bisschen niedlich, wurden die Pommes jeden Morgen von den Angestellten der Restaurants selbst geschält und geschnitten.

Agrarfrost hat riesige Hallen, die so aussehen, wie typische Produktionshallen eben aussehen, und dort werden so klangvolle Kartoffeln wie der Innovator, Russet Burbank und die Zorba durch x Kontrollen geschleust, geschnitten und frittiert (in pflanzlichem Öl, Sonnenblume oder Raps). Dann kommt Dextrose1 dazu, auch Traubenzucker genannt, und Dinatriumdiphosphat (E450a).2

Nach einer intensiven Recherche zum Thema Kartoffelverarbeitende Betriebe im Allgemeinen und Agrarfrost im Speziellen ist mir auch völlig klar, warum Verschwörungstheorien mit Sägemehl die längere Halbwertszeit haben: Sie sind viel, viel interessanter.

Mit die abenteuerlichsten Verschwörungstheorien davon drehen sich aber nicht um langweilige Kartoffeln, sondern um das Herz von McDonald’s: (Das müssen Sie sich...

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