Hinweise zur Entstehung und zum Gebrauch dieses Wörterbuchs
Für wen ist dieses Buch gedacht? Pauschal lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten: für alle Liebhaber der Tiroler Dialekte und für alle, die sich für Dialekte interessieren.
Das Wort Liebhaber heißt im Französischen amateur. Im Deutschen bezeichnen wir damit jemanden, der eine Tätigkeit aus Liebhaberei, oft auch ohne größere Fachkenntnisse betreibt.
Dieses Buch ist für Amateure, also für Liebhaber der Tiroler Dialekte, genauso wie für Experten und Fachleute erstellt; kurz für all jene, die sich mit der Sprache befassen, aus welchem Motiv auch immer. Es ist für jene, die gerne in einem Wörterbuch schmökern und dann schmunzeln, und vor allem für Neugierige, die etwas besser Bescheid wissen wollen als die anderen.
Wäre dieses Wörterbuch ausschließlich für Fachleute verfasst, dann würde es sich einer Lautschrift bedienen, die dem Amateur fremd ist. Es müsste außerdem die Etymologien der Wörter so detailliert begründen, dass sie dem kritischen Blick von Fachkollegen standhalten können – auch dieses Verfahren wäre dem breiten Lesepublikum nicht zuzumuten.
Es gibt bereits ein wissenschaftlich fundiertes Wörterbuch, das den Anspruch der Vollständigkeit mit der Forderung nach lautlicher Genauigkeit verbindet und bis heute eine unerschöpfliche Fundgrube des Tiroler Wortschatzes ist: das zweibändige „Wörterbuch der Tiroler Mundarten“ von Josef Schatz. Es ist 1955 erschienen, 1993 unverändert nachgedruckt worden und noch heute lieferbar. Dort sind allerdings viele Wörter nur dann aufzufinden, wenn man Vorkenntnisse in der dialektalen Lautgeschichte hat. Die Boassln bzw. Boasslbeeren (Berberitzen) etwa sind dort nicht unter Boa-, sondern unter Bai- zu finden usw. Außerdem sind die etymologischen Hinweise so formuliert, dass sie für Nicht-Fachleute nur schwer verständlich sind.
Neben dieser angesehenen Fachpublikation gibt es eine ganze Reihe von populären Wörterbüchern. Meist handelt es sich um reine Wortsammlungen, die über den detaillierten Gebrauch der Wörter und deren Herkunft kaum Auskunft geben.
Wir haben versucht, einen neuen Weg einzuschlagen. Sie finden in dem nun vorliegenden Buch alles, was Sie über ein Wort wissen müssen; wie es verwendet wird und woher es stammt oder stammen könnte. Wer über die Geschichte eines Wortes Bescheid weiß, kann mit dem Wort mehr anfangen. Und wenn wir in einigen Fällen die Herkunft nicht klären konnten, dann scheuen wir uns auch nicht, das zuzugeben.
Gleichzeitig haben wir uns um eine einfache Darstellungsweise und um große Benützerfreundlichkeit bemüht. Sie können sofort in unserem Wörterbuch schmökern, sie brauchen nicht seitenlange Listen mit der Bedeutung von Sonderzeichen zu studieren, und ebenso lange Abkürzungsverzeichnisse.
Mit dem kleinen Kreis über dem Buchstaben a sind Sie ja vertraut, damit wird auch in Dialektgedichten und in Texten von Tiroler Liedern signalisiert, dass der Vokal zwischen a und o anzusiedeln ist, zum Beispiel in den Wörtern åndertålb und Fåsching. Dieser Laut ist übrigens typisch für den bairisch-österreichischen Dialektraum, zu dem auch Tirol gehört.
Ein zweites Sonderzeichen ist der Akzent bei Diphthongen. Damit kennzeichnen wir, dass der Hauptakzent auf dem ersten Vokal des Diphthongs liegt: Blúima, Flóach. Ein Tiroler wird freilich nie auf die Idee kommen, diese Diphthonge auf dem zweiten Vokal zu betonen, ein Besucher aus Hamburg oder Berlin vielleicht schon.
Damit ist schon fast alles erklärt. Kürze und Länge wird so gekennzeichnet, wie Sie es vom Gebrauch des „Österreichischen Wörterbuchs“ und des „Rechtschreibdudens“ sowie des „Großen Wörterbuchs der deutschen Sprache“ des Dudenverlags gewohnt sind. Eine betonte Kürze wird durch einen Punkt unter dem Vokal gekennzeichnet, eine betonte Länge durch einen Strich unter dem Vokal: Bạntl, barabern, Baunze. Hier sind wir auch schon am Ende der Gebrauchsanweisung. Wenn Sie sich intensiver mit der Beziehung zwischen Lauten und Buchstaben befassen wollen, dann beachten Sie bitte die Darstellung im Anhang.
Wie ist dieses Wörterbuch erstellt worden? Wir haben uns zunächst das Schatz’sche Wörterbuch und die bestehenden Wortsammlungen vorgenommen, auch jene, die im Internet abrufbar sind. Damit war ein Grundstock gelegt, eine vorläufige Wortsammlung.
Diese haben wir Gewährsleuten aus allen Bezirken Tirols vorgelegt, mit der Bitte, sie kritisch zu prüfen und Korrekturen bzw. Ergänzungen vorzunehmen. Diese Gewährsleute waren Experten auf ihrem Gebiet, die meisten von ihnen haben sich bereits intensiv mit dem Dialekt ihrer Region befasst. Wir sind diesen Gewährsleuten zu großem Dank verpflichtet, ihre Rückmeldungen waren für uns sehr wertvoll. Sie haben uns auf neue Wörter und fehlende Bedeutungen aufmerksam gemacht und dort korrigiert, wo wir falsch lagen oder ungenau waren. Außerdem haben wir sie gefragt, welche Wörter nur noch der älteren Generation bekannt sind, im Alltag aber nicht mehr verwendet werden. Diese haben wir später mit dem Vermerk veraltet gekennzeichnet.
In einem weiteren Arbeitsgang haben wir unsere vorläufige Wortsammlung durch Wörter ergänzt, die im Rahmen der vom ORF Tirol initiierten Aktion aus allen Ecken Tirols hereingeschneit kamen. Soweit sie nicht ohnehin schon in der Sammlung enthalten waren, haben wir in Klammern angemerkt, aus welchem Ort sie gemeldet wurden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sie nur dort verwendet werden, sie können auch in anderen Regionen Tirols in Gebrauch sein.
Gibt es das überhaupt, „den“ Tiroler Dialekt? Streng genommen natürlich nicht. Jedes Tal hat seine Besonderheiten – das fängt schon mit den Lauten an: das Wort Stein zum Beispiel wird im Unterinntal bis etwa Hall als Stoan ausgesprochen, wobei das n kaum zu hören ist und das vorhergehende a nasaliert wird. Nach Westen hin heißt es unnasaliert Stoan – das n ist zu hören. Im Zillertal ist Stuan üblich, wobei nasaliert wird. Im Paznaun, im Stanzertal und im Drautal heißt es Stan, entweder nasaliert oder nicht nasaliert. Und solche Lautunterschiede gibt es viele.
Was für die Laute gilt, trifft auch für die Wörter selbst zu. Dem Fasching in den Bezirken Kufstein und Kitzbühel entspricht die Fasnacht im übrigen Land. Westlich von Schwaz heißt der Gletscher Ferner, östlich davon Kees. Ähnlich sind die Zuntern und die Latschen verteilt. Solche Wortgrenzen gibt es immer wieder, manchmal steht auch ein Tal oder ein Bezirk für sich allein da – besonders gilt das für die Bezirke Osttirol und Reutte.
Wie geht das Wörterbuch mit den Lautunterschieden zwischen den Dialekten um? Im Normalfall haben wir an den Anfang der Artikel mehrere Lautvarianten gestellt: beim Verb „gehen“ etwa gen, gean und gian. Diese Variantenlisten sind nicht vollständig (beim konkreten Beispiel könnte man ge oder gea mit nasaliertem Vokal hinzufügen), sie sollen lediglich eine Vorstellung davon vermitteln, wie groß die lautliche Streubreite ist. Bei der alphabetischen Einreihung der Artikel gehen wir in der Regel von der Form aus, die der Standardsprache am nächsten kommt: die Ålm ist also bei Å + l eingeordnet, obwohl es im Unterinntal die Lautung Åem (also Å + e) gibt. Wir verlassen uns dabei auf die Fähigkeit der Unterinntaler, diese Einordnung nachzuvollziehen, weil sie aus ihrer Alltagserfahrung wissen, dass ihrem e oder i in diesem Wort ein standardsprachliches l entspricht; von den beiden Varianten auf|mar und au|mar (= aufmerksam) steht dem entsprechend auf|mar an der Spitze und nicht au|mar.
Welche Wörter wurden aufgenommen? In diesem Wörterbuch sind nicht nur die alten Dialektwörter vermerkt, also jene, die als urtümlich und bodenständig gelten. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich die Tiroler Sprachlandschaft verändert, es wurden auch Wörter aus anderen Gebieten importiert, zum Beispiel Hawerer und Sandler aus dem Wienerischen. Hätten wir auf diese Wörter verzichtet, wäre das Bild der Tiroler Sprachlandschaft unvollständig.
Das Buch verzeichnet außerdem auch Wörter der Standardsprache, die im Tirolischen eine zusätzliche Bedeutung haben. Blått und die Verkleinerungsform Blattln stehen deshalb im Wörterbuch, weil die Blattln in Tirol eine bestimmte Speise bezeichnen.
Wörter des Standarddeutschen wie Baum und Haus werden Sie in unserem Wörterbuch nicht finden, sehr wohl aber den Bambecker und das Redhaus – übrigens unabhängig davon, ob es ein bestimmtes Wort nur in Tirol gibt oder ob es auch über Tirol hinaus verwendet wird. Wörter wie Pfintztag und Pfoad sind im gesamten bairisch-österreichischen Dialektraum heimisch, außerdem ist Tirol auch ein Teil des noch größeren süddeutschen Dialektraums.
In einigen Fällen konnten wir den Gebrauch der Wörter und Wendungen durch kurze Zitate aus Tiroler Liedern oder aus Werken von Tiroler Dialektdichtern illustrieren. Vielleicht weckt das eine oder andere...