Die Tagespflege-Einrichtungen in Deutschland sind seit Jahren auf Wachstumskurs. Viele Pflegebedürftige freuen sich darauf, täglich ein paar Stunden woanders verbringen zu können. Sie genießen die Betreuung und die Tagesstruktur, die für sie in der Tagespflege organisiert werden. Ohne ihre eigenen vier Wände aufzugeben, kommen sie in den Genuss eines variationsreichen Angebotes.
Mit der Einführung des Strukturmodells wurde schnell klar, dass die Tagespflege und Kurzzeitpflege, besondere Konstellationen sind, die genauer in den Fokus genommen wurden, da diese nach den QPR des MDK wie stationäre Einrichtungen geprüft, aber nicht benotet werden. »Charakteristisch für die teilstationäre Pflege ist, dass sie nur einen zeitlich begrenzten Tagesausschnitt umfasst und die Versorgung und Betreuung der pflegebedürftigen Personen in der Tagespflege möglichst nahtlos in das Gesamtversorgungssetting zu integrieren ist.«27
Allerdings lässt sich feststellen, dass die Prinzipien des Strukturmodells und viele weitere Hinweise auch für die Tages- und Kurzzeitpflege gelten. Deshalb beschränkt man sich in den Informations- und Schulungsunterlagen »auf besonders relevante Aspekte des Strukturmodells für die spezifischen Dokumentationsanforderungen in der Tagespflege.«28
Hinweis
Grundlage der Dokumentation nach dem Strukturmodell ist ein personzentrierter Ansatz, der die Pflege auf dem vierphasigen Pflegeprozess (WHO-Modell) in der Dokumentation abbildet. Im Strukturmodell wird eine systematische Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Perspektiven der pflegebedürftigen Person gefordert.
Die Neuausrichtung der Pflegedokumentation anhand des Strukturmodells beinhaltet weiterhin die vier Elemente:
• die Strukturierte Informationssammlung (SIS®),
• den Maßnahmenplan,
• das Berichteblatt und
• die Evaluation.
Bis auf die Einstiegsfrage und das Themenfeld 6 wurden keine weiteren Veränderungen vorgenommen. Wir erläutern im Folgenden die Veränderungen jeweils anhand eines Beispiels.
Einstiegsfrage: Was bringt sie zu uns?
»Wissen sie, ich war schon immer selbstständig, habe immer meinen eigenen Kopf gehabt. Ich habe einfach Angst, allein zuhause zu sein. Das will ich nicht. Ich möchte mich jetzt bei klarem Verstand in so einer Einrichtung einleben.«
Hinweis
Auch hier wird der O-Ton dokumentiert. Kann der Betroffene selbst keine adäquate Auskunft geben, sollten die Angehörigen/Bezugspersonen befragt werden.
Themenfeld 6: Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen
»Da die Tagespflege ausdrücklich die häusliche Pflege stärken und ergänzen soll, wird dieser Aspekt im Themenfeld 6 unter der Überschrift: »Erhalt/ Förderung von Alltagsfähigkeiten« in den Mittelpunkt gestellt. Die andere Überschrift: »Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen« entspringt einer Anregung der Expertengruppe. Es wurde darauf hingewiesen, dass es durchaus Tagesgäste gibt, die ausschließlich den Ortswechsel und die Atmosphäre in der Tagespflege genießen wollen, sich aber nicht mehr aktiv an Geschehen beteiligen wollen oder Ruhe und Entlastung im Hinblick von einer angespannten häuslichen Situation suchen/benötigen.«29
Hinweis
So könnte eine Tochter sagen: »Bitte überprüfen Sie, ob es möglich ist, dass mein Vater besser zu Hause zurechtkommt und wie der Hilfebedarf ist und ob evtl. der Pflegegrad angepasst werden muss. Er benötigt eine geregelte Tagesstruktur und leichte Aufgaben im Haushalt.«
Das Berichteblatt fokussiert auf die Abweichungen zum Maßnahmenplan und den tagesaktuellen Besonderheiten.
Der Schwerpunkt im Maßnahmenplan sind Angebote der Sozialen Betreuung und Tagesstrukturierung. Pflegemaßnahmen werden nur dann verschriftlicht, wenn sie auch in der Tagespflege durchgeführt werden (z. B. Duschen oder Toilettengänge sowie Essen und Trinken anreichen).
Die Evaluierungen werden weiterhin durch die Bezugspflegefachkraft bestimmt, z. B. aus den Erkenntnissen der SIS®, des Maßnahmenplans und aus den Eintragungen im Berichteblatt.
Was zu welchem Zeitpunkt evaluiert werden muss, liegt in der Entscheidungskraft der Pflegefachkraft. Das bedeutet:
• Wenn sich die Pflegebedürftigkeit verändert hat, sollten sich die Veränderungen in den entsprechenden Themenfeldern der SIS® wiederspiegeln.
• Sollten sich Vorlieben und Bedürfnisse verändert haben, sind diese im Maßnahmenplan wiederzufinden (kleiner und großer Evaluationskreislauf).
Dabei sollten die Angehörigen/Betreuer und evtl. der ambulante Dienst in die Zusammenarbeit mit einbezogen werden. So kann eine zielgerichtete und Setting-übergreifende Evaluation erfolgen und damit eine Stabilisierung in der Häuslichkeit umgesetzt werden.
Hierbei spielt eine Kommunikation eine sehr wichtige Rolle. Dazu wurde eigens ein Kommunikationsformular entwickelt. »Dieses wird genutzt, um den notwendigen Austausch pflege- und betreuungsrelevanter Informationen künftig stärker zu forcieren und zu verstetigen.«30
Hinweis
Für den Austausch mit anderen Leistungserbringern ist allerdings die schriftliche Zustimmung der pflegebedürftigen Person und auch den Angehörigen notwendig.
Dieser Kommunikationsbogen kann verändert bzw. an die Bedürfnisse der Einrichtung angepasst werden. Hierzu werden zwei Vorgehensweisen empfohlen:
»a) Der Bogen bleibt in der Einrichtung in der Akte des Gastes und ist der zentrale Ort für alle organisatorischen Informationen, Abstimmungen und Notizen im Zusammenhang mit einem Tagesgast oder b) der Bogen wird dem Tagesgast täglich mitgegeben, so dass ein gegenseitiges Informieren mit den anderen Beteiligten (insb. den Angehörigen) regelhaft erfolgt, das teilweise auch Telefonate überflüssig macht. In der Einrichtung sollte dann ein zweiter Bogen für darüberhinausgehende, im Tagesverlauf anfallende Informationen (von Ärzten, Therapeuten etc.) vorliegen. Wird der Kommunikationsbogen mitgegeben, müssen die Angehörigen explizit über Sinn und Zweck der neuen Maßnahme informiert werden. Zusätzlich ist aus Datenschutzgründen auf einen sorgfältigen Umgang mit den Dokumenten zu achten (Transport in einer Mappe o. ä.).«31
Wichtig ist dabei, dass sich dieser Prozess bei jedem weiteren Tagespflegegast komplizierter gestalten kann. Deswegen ist eine Erprobungsphase sinnvoll. Erst nach einer gewissen Zeit wird sich herausstellen, wie sich der Kommunikationsbogen an die Strukturen der jeweiligen Einrichtung anpasst. Das erfordert Kreativität, Wahrnehmung und Beobachtungsgabe sowie die Bereitschaft zu einer steten Verbesserung. Allerdings gibt Ihnen der Kommunikationsbogen die Möglichkeit, auf sämtliche »Nebendokumentationen« zu verzichten (z. B. Pendelhefte oder Notizbücher).
Ziel soll es sein, dass Informationen, Beratungsergebnisse, tagesaktuelle Ereignisse und organisatorische Besonderheiten auf Grundlage eines klaren Verfahrens weitergeleitet werden sollen. Gleichzeitig legen Sie so eine gute Grundlage für ein eigenes Beschwerdemanagement.
Auch hier gilt ein rationaler Umgang mit den Risiken im Rahmen der Situationseinschätzung. Der Fokus liegt auf dem Versorgungskontext der Tagespflege.32 Ein-STEP empfiehlt für die Erstellung des Maßnahmenplans in der Tagespflege das folgende Vorgehen:
1. In der Regel wird ein (vorläufiger) Maßnahmenplan am Tag der Aufnahme, ggf. unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus einem Probetag oder aus Vorgesprächen, erstellt.
2. An den nächsten Anwesenheitstagen (die durchaus in unterschiedlicher Frequenz erfolgen können) werden weitere Informationen im Berichteblatt gesammelt. Nach spätestens vier Anwesenheitstagen gibt es eine interne Fallbesprechung sowie eine Überprüfung der bisherigen Planungen. Ein sog. kleiner Evaluationskreis kann bei Bedarf folgen. 3. Wenn umfassende Abweichungen gegenüber der Einschätzung der pflegebedürftigen Person am Aufnahmetag erkennbar werden, muss die SIS® überprüft, angepasst oder neu ausgefüllt werden (sog. »großer Evaluationskreis«).33
Abb. 12: Anpassung des Strukturmodells an die Dokumentationserfordernisse der Tagespflege.34
»Im Zuge des Praxistests Tagespflege wurde offenbar, dass die Durchführung behandlungspflegerischer Maßnahmen in den Einrichtungen...